Das E-Motorrad Brammo Empulse R sieht aus wie ein waschechtes Sportbike, die Fahrt damit macht Riesenspaß. Leider bestätigt die Maschine aber einen berechtigten Vorbehalt gegen die Elektromobilität.
Der erste Eindruck: Wow, sieht die schick aus! Italienische Bremsen und Markengabel, Sportfelgen und edles Design - die Brammo Empulse R beweist, dass auch Elektromotorräder Stil haben können und nicht zwangsläufig aussehen wie ein rollendes Dixi-Klo.
Das sagt der Hersteller: Brammo geht das Marketing für die Empulse R vollmundig an. Der Hersteller aus dem Kleinstädtchen Talent in Oregon, USA baut seit 2013 nach eigenen Worten das „schnellste elektrische Serienmotorrad". Das gilt sowohl für die Höchstgeschwindigkeit, die bei 177 km/h liegt, als auch für den Ladezyklus der Batterie. Nach gut drei Stunden an einer 230 Volt-Haushaltssteckdose ist eine leergefahrene Empulse R wieder voll einsatzfähig.
Mehr noch: „Wir reden hier nicht über ein elektrisches Pendlerfahrzeug oder einen E-Roller, sondern über ein echtes Sportgerät. Auf der Landstraße macht kein Mittelklasse-Motorrad der Empulse R etwas vor", sagt Hans Eder, der Europa-Repräsentant von Brammo.
Eder zählt bei der Übergabe des Exoten - nach Deutschland werden 2014 ein paar Dutzend Stück geliefert, genaue Verkaufszahlen will Brammo USA nicht nennen - noch einmal die besonderen Vorteile auf. Echte Beschleunigungspower durch den 40 kW E-Motor, 90 Newtonmeter Drehmoment direkt aus dem Stand, und das auf lange Distanz: Die Reichweite draußen auf der Landstraße, das bekräftigt Eder, „liegt bei normaler Fahrweise sicher weit über hundert Kilometern." Das Brammo-Prospekt verspricht 130 Kilometer; in der Stadt soll die Empulse R mit ihren Lithium-Ionen-Akkus gar über 200 Kilometer weit kommen.
Das ist uns aufgefallen: Die Empulse R hat ein kleines, funktionales Cockpit. Ein analoger Drehzahlmesser ergänzt die digitale Anzeige von Geschwindigkeit, Gangwahl, Reichweite, prozentuale Batterieladung und der prognostizieren Reichweite. Durchlaufende grüne Balken zeigen an, wenn die Maschine durch einen längeren Druck auf eine Taste an der rechten Armatur scharf geschaltet wird.
Also alles da, was man braucht, bzw. noch viel mehr: Die Kupplung ist zum Anfahren oder Anhalten nicht nötig, da der E-Motor im Stand ja nicht läuft. Eingebaut ist sie nur zum Runterschalten des Sechsganggetriebes, mit dem der E-Motor im optimalen Drehmomentbereich zwischen 4.000 und 5.000 Umdrehungen pro Minute gehalten wird.
Das könnte durchaus reibungsloser funktionieren: Wenn das Getriebe kalt ist, schaltet es sich sehr, sehr hakelig. Im warmen Zustand ruckelt dagegen beim „Gasgeben" der komplette Antriebstrang aus Motor, angeflanschtem Getriebe und Kette zum Hinterrad ziemlich brachial. Das kann besser werden.
Doch jetzt erst einmal durch Hamburg durch und raus, kurz auf die Autobahn, und dann noch 40 Kilometer Landstraße: Hui, die Empulse geht wirklich ab; sie knallt in rund viereinhalb Sekunden auf Hundert. Hans Eder hat Recht, die Sport-Brammo hat ein 1A-Fahrwerk und verhält sich auf der Straße tadellos. Die Ergonomie stimmt, das Teil macht Laune.
Der Stress mit Elektro fängt erst kurz vor Mölln an: Die Anzeige spielt verrückt - „Recharge Required". Laden? Kann doch nicht sein, oder? Doch, nach knapp 75 Kilometern sind nur noch 9 Prozent Batterieladung vorhanden. Auf Schleichfahrt und mit 3 % Ladung erreiche ich knapp mein Ziel - die ersehnte Steckdose.
Die Empulse R bestätigt während folgender Testfahrten, dass man sich leider nicht auf die optimale Kurvenführung konzentrieren kann, sondern besser auf die verbliebenen Prozente schielt. Die versprochenen Reichweiten sind bei mir trotz Normal- statt Sport-Modus, trotz Rekuperation sprich Energierückführung im Schiebebetrieb nicht drin: Wenn die Empulse R zügig über die Dörfer fliegt, ist nach rund 75 Kilometern Schluss. Bei konservativer und absolut StVO-konformer Fahrweise komme ich immerhin knapp 95 Kilometer weit.
Nach weiteren gemessenen Rundfahrten kristallisiert sich ein deprimierendes Mittel heraus: Pro gefahrenem Kilometer verbrauche ich draußen vor der Stadt, also dort, wo die Empulse richtig Spaß machen sollte, ein Prozent der Batterieladung.
Das muss man wissen: Ich bin wohl ein verdorbener Raser. „Wenn man Elektromotorrad fährt, muss man sich umstellen, die Philosophie ändern. Entschleunigen - und öfter mal gezielt Pause machen", sagt Hans Eder auf Nachfrage. „Eine dreiviertel Stunde Kaffeepause, schon haben sie wieder 30 Kilometer Distanz geladen."
Philosophisch betrachtet, hat Eder natürlich Recht. Aber wer will das schon machen? Mit Freunden ins Grüne rausfahren, diese nach einer Stunde ins Café zwingen, und das voluminöse Ladekabel aus dem Rucksack holen? In Wahrheit sind die bisherigen Sport-Stromer wie die Empulse R Versprechen auf eine mögliche E-Zukunft mit effizienteren Batterien.
Heute jedenfalls sind sie noch keine massenhafte Alternative zu einem kleinen sportlichen Allrounder mit Verbrennungsmotor, der bei höherer Leistung 25 Kilogramm leichter ist, um die drei Liter Sprit verbraucht, und etwa wie die Yamaha MT-07 für 5.500 Euro zu haben ist. Die Empulse R mag sich in der Stadt und beim Pendeln in den Speckgürtel hervorragend schlagen, doch sie kostet fahrbereit 17.493 Euro.
Das werden wir nicht vergessen: Nicht nur mit der Mär über die Reichweite, sondern auch mit einem weiteren Mythos über E-Fahrzeuge räumt die Empulse R gründlich auf: Hier gleitet nichts lautlos durch den Verkehr.
Bei Beschleunigung dreht der E-Motor hoch wie ein Industriestaubsauger. Im Schiebebetrieb surrt es schrill bis unter 3.000 Umdrehungen; da dreht sich jeder und jede an der Straße um. Und selbst wenn die Empulse R nicht bewegt wird und an der Steckdose hängt, gibt sie keine Ruhe: Dann quirlt der Ventilator im Dauerbetrieb.
Hersteller: Brammo Fahrzeugschein Typ: Empulse R Karosserie: Motorrad Motor: elektrischer Permanent-Synchronmotor Getriebe: 6-Ganggetriebe Leistung (E-Motor): 40 kW / 54 PS Drehmoment (E-Motor): 90 Nm Höchstgeschwindigkeit: 177 km/h Gewicht: 213 kg Preis 17.493,00 Euro