Der erste Eindruck:
Welche Eleganz, was für eine Taille! Die Vespa Primavera ist ein Persönchen zum Verlieben, viel mehr als ein schnöder Roller. Sie ist ein Kopfkino auf zwei Rädern: Warum riecht es plötzlich nach blühenden Mandeln? Wollen wir zum Eiscafé oder auf die Piazza? Kommen Gina Lollobrigida und Grace Kelly auch?
Das sagt der Hersteller:
"Auf eine neue Vespa warten die Italiener so gespannt wie auf weißen Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle", sagt Ansgar Schauerte, der Pressesprecher von Vespa Deutschland. Der Vergleich scheint gewagt, ist aber nicht so weit hergeholt: 1953, im sechsten Jahr nach Markteinführung, segnete Papst Pius XII. auf dem Petersplatz zwanzig Vespas; seitdem wird die schnelle "Wespe" zwischen Mailand und Palermo geliebt wie kein anderes Fahrzeug.
Das 2014er Modell tritt nicht nur für Vespa, sondern für den gesamten Piaggio-Konzern ein wichtiges Erbe an. Die Primavera-Serie (als 125er und in der kleineren 50er-Version) ersetzt seit diesem Frühjahr die bisherigen Marktrenner, mit denen ordentlich Geld verdient wurde: die LX-Modelle. Diese haben sich seit 2006 weltweit rund 740.000fach verkauft; in Deutschland allein wurden bis Ende vergangenen Jahres 50.000 Fünfziger und rund 10.000 Achtelliter-LX-Roller zugelassen.
Das ist uns aufgefallen:
In von Autos verstopften Innenstädten, im morgendlichen Verkehr rund ums Mittelmeer ist die Primavera in ihrem Element. Anzugsstark, viel wendiger als die zahlreich vertretenen Großroller, und so zierlich, dass sie quasi von selbst durch die Autokolonnen schlängelt.
Zur gefühlten Fahrsicherheit hat Vespa beim Modell 2014 einiges beigetragen: Der Radstand ist um sechs Zentimeter verlängert; die 11 Zoll-Reifen vermitteln Fahrstabilität und dämpfen jede Nervosität im Fahrwerk. Die Vorderradschwinge wurde neu konstruiert und hält die Primavera gut in der Spur.
Nur beim Bremsen zeigt das Fahrzeug Schwächen: Sowohl die 200 mm-Scheibenbremse vorne als auch die hintere 140 mm-Trommelbremse reagiert beim harten Zugriff seltsam teigig. Das bedeutet nicht, dass die Vespa zu spät zum Stand kommt, doch es fehlt die klare Rückmeldung.
Sonst sendet sie permanent Signale aus: Andere Rollerfahrer nicken an der Ampel anerkennend, Passanten drehen die Köpfe, wenn man vorbeischwebt. Die Primavera 2014: Ganz schön beeindruckend für ein Signora, die auf die Fünfzig zugeht, und der auch das letzte Lifting nicht von ihrem Charme genommen hat.
Das muss man wissen:
Technisch ist die Retro-Ikone auf dem neuesten Stand. Das Vespa-Triebwerk ist im Jahr 2014 angekommen. Der Einzylinder-Dreiventilmotor mit 10,7 PS (7,9 kW) liegt im Verbrauch zwischen zwei und drei Litern auf hundert Kilometer und ist erstaunlich vibrationsfrei aufgehängt. Er klingt gut, hängt aufgeweckt am Gas und liefert, nachdem die Fliehkraftkupplung zugepackt hat, schon bei niedriger Drehzahl kräftigen Durchzug.
Das analog-digitale Mini-Cockpit ist auch bei Tag gut ablesbar, der große Rundscheinwerfer flutet die Nacht; die LEDs für seitliche Positionslampen und Bremslicht sind Tribut an die Moderne, aber durchaus sinnvoll. Die Schaltelemente sind funktional, genau wie der Hauptständer und der Sitzbank-Stauraum, der erstmals einen richtigen Vollvisierhelm fasst - ohne Pressen und Quetschen. Auch für Knie und Füße ist hinter der Frontschürze viel Platz.
Die Vespa ist in Rot, Blau, Weiß und Schwarz sowie in Hellblau und Kastanienbraun mit jeweils verschiedenen, kontrastierende Sitzbankfarben zu einem Preis von 4050 Euro im Angebot - stolz, wenn man bedenkt, dass die Bremsen schwach sind und auch elektronische Accessoires fehlen, die man 2014 vom Marktführer eigentlich erwarten dürfte: Immer noch gibt es weder USB-Steckdose noch einen Anschluss für ein Navigationsgerät.
Das werden wir nicht vergessen:
Für jede Primavera ist farblich fein abgestimmt auch eine Wechselkrawatte im Zubehör. Der Grund: Neben einem Topcase mit Heckhalterung bietet Vespa eine klappbare Gepäckbrücke zur Montage an der vorderen Schürze an.
Damit das Chromteil mit den Saugfüßen auch sicher hält, wird beim Kauf ein spezielles Frontnasenblech mit zwei fest integrierten Montagebolzen mitgeliefert. In Italien heißt dieses Bauteil - ganz präzise, ganz elegant und ganz Vespa - la cravatta.