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LGBT Community in Polen - „Stoppt den Unsinn!"

Mitten im Sommerloch überschlugen sich in Polen die Ereignisse. In den vergangenen Wochen versammelten sich Tausende Menschen, um Ihre Solidarität mit nicht heteronormativen Menschen und mit der nicht binären Aktivistin Margot zu bekunden. Dabei wurden 48 Demonstrant*innen verhaftet, weil sie die Festnahme der Aktivistin verhindern wollten oder weil sie sich zufällig in der Nähe der Versammlungen aufhielten. Margot, auch bekannt als Małgorzata Szutowicz, die der Aktivist*innengruppe „Stop Bzdurom" („Stoppt den Unsinn") angehört und im Mittelpunkt der Ereignisse steht, wird vorgeworfen, zwei Monate zuvor, ein Fahrzeug beschädigt und den Fahrer angegriffen zu haben. Um den Kontext der Ereignisse besser einordnen zu können, muss man an dieser Stelle etwas ausholen.


Kreuz und Queer. Die Lage der LGBT Menschen in Polen wird immer besorgniserregender. Ihre Postulate und Symbole werden von regierenden Politiker*innen und Vertreter*innen rechter Organisationen mit jenen totalitärer Systeme wie Nationalsozialismus oder Kommunismus gleichgesetzt, Regenbogenfahnen auf diversen nationalen Aufmärschen verbrannt oder zerrissen, LGBT Menschen ohne Grund und ohne weitere rechtliche Konsequenzen physisch und verbal angegriffen, zahlreiche Gemeinden deklarieren sich zu „LGBT - freien Zonen" was angeblich der „Rettung der Familie" dienen soll. Die Kirche spricht von der „Regenbogenpest" und die Regierungsmedien bringen laufend Sendungen und „ Reportagen ", deren Grad an Manipulation nicht zu übertreffen ist. In einem Land, wo Präsident Andrzej Duda während seines Wahlkampfes ausrichtet, LGBT sei bloß eine „Ideologie" und Demokratie sei für ihn das „Diktat der Mehrheit über die Minderheit", wird nicht nur der Ton in der Öffentlichkeit immer rauer. Hier manifestiert sich bereits ganz deutlich die strukturelle Gewalt gegen diese Menschen.


Propaganda auf Rädern. Als wäre das alles nicht genug, werden seit letztem Jahr auch extrem homophobe Inhalte auf Kleinbussen mit Lautsprecherdurchsagen, durch alle Machtinstanzen des Staatsapparats geduldet. Die Kleintransporter, auch „Homophobusse" genannt, gehören der fundamentalistischen Organisation „Fundacja Pro - Prawo do zycia" (Stiftung Pro - Das Recht auf Leben), die sich u.a. für das Totalverbot von Abtreibungen einsetzt und seit einiger Zeit auch sehr öffentlichkeitswirksam die homophobe Hass-Kampagne unter dem Namen „Stop Pedofilii" (Stoppt Pädophilie) betreibt. Seltsamerweise s cheint direkt neben dem „Stoppt Pädophilie" - Logo, die Aufschrift „LGBT-Lobby" auf. Wenn irgendwo Konsens herrscht zwischen dem rechten politischen Lager und der LGBT Gemeinschaft, dann in der Forderung, dass das Verbrechen der Pädophilie mit aller Härte bekämpft werden muss. Nichtsdestotrotz, wird dieser nicht näher definierten „LGBT Lobby", nicht nur pauschal Pädophilie unterstellt, sondern auch der Wille zur „Sexualisierung der Kinder" durch Förderung der Sexualbildung an Schulen. Die „LGBT Lobby" habe den Busaufschriften zufolge das Ziel, kleinen Kindern allerhand beizubringen: „4-jährigen Kindern Masturbation", „6-jährigen die Bereitschaft zum Sex zu signalisieren" und „9-jährigen Kindern erste sexuelle Erfahrungen und Orgasmus zu ermöglichen". Diese absurden Behauptungen sollen sich angeblich auf die Richtlinien der WHO zur Sexualbildung beziehen, sind jedoch nicht mehr, als eine extrem verzerrte und manipulierte Darstellung dieser. Es ist ein Skandal, dass dieser Akt der Verhetzung in einem EU-Mitgliedsstaat weiterhin geduldet und legal betrieben wird.


Eingebetteter Medieninhalt

Homophobus - immer mehr Menschen stellen sich spontan auf die Straße um das Fahrzeug zu blockieren.



Eingebetteter Medieninhalt


Symbolträchtige Aktion: Die Last der Regenbogensymbole wird in Bronze-Arme gelegt


Gefährliche Gesetzesinitiative. Fehlende Debatte in Kombination mit Desinformation und Politik: was damit einhergeht, zeigt gerade die Organisation Fundacja Pro, die bereits eine Gesetzesinitiative im polnischen Parlament eingebracht hatte , welche fordert, dass jegliche Sexualaufklärung an Schulen, in Medien oder durch Vertrauenspersonen unter Freiheits- Strafe gestellt werden sollte . Das Gesetz wird unter dem Deckmantel des „Kampfs gegen Pädophilie" verkauft, zum "Schutz der Kinder gegen sexuelle Gewalt durch LGBT-Aktivisten und Verhinderung der sexuellen Promiskuität junger Menschen". Denn schließlich sei die Sexualerziehung ein "Mittel der LGBT-Lobby für politische Zwecke" um Kinder an Homosexualität zu "gewöhnen", liest man auf der Website der Organisation . Letzten April hatte das Parlament mit Regierungsmehrheit dafür gestimmt, den Entwurf des Gesetzes nicht abzulehnen, sondern nach der ersten Lesung erneut in die Ausschüsse zu schicken. Der Entwurf befindet sich jetzt dort und wartet auf Debatte. Wenn diese Debatte jener gleicht, die bisher schon nicht stattfinden konnte, wird Sexualbildung möglicherweise tatsächlich unter Strafe gestellt. Es wird auch jene geben, die fest daran glauben, das sei zum Wohle der Kinder.

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