Die Zeit der Corona-Pause ist vorbei. Die Gottesdienste im Landkreis finden wieder öffentlich statt. Wie die heiligen Messen der Pfarreien ablaufen und warum Wallfahrer dieses Jahr schlechte Karten haben.
Die Weihwasserbecken sind leer. Die Gebets- und Gesangbücher sind eingeschlossen. Es ist nicht an einen Gottesdienst wie vor der Corona-Pandemie zu denken. Die Kirchgänger der Pfarrei Seestall machen aber den Eindruck, als seien sie mit den neuen Corona-Geboten längst vertraut. Exakt zehn Minuten vor Beginn öffnet sich die knarrende Tür der Kirche Sankt Nikolaus – zum ersten Mal nach der Corona-Schließung. 13 Plätze sind für den Gottesdienst freigegeben. Genau 13 Gläubige finden den Weg in die kleine Kirche.
Langsam und bedächtig bewegen sich die ersten Gottesdienstbesucher zum Kircheneingang. Empfangen werden sie von Kirchenpfleger Fritz Kratzer und seinem Pfarrhelfer Norbert Bobritz. Anstatt die Hände in Weihwasser zu tauchen, besprüht sie Norbert Bobritz mit Desinfektionsmittel. Fritz Kratzer übernimmt die Kontaktliste und trägt die Telefonnummern der Besucher ein. Die Namen fragt er nicht nach: „Ich war 20 Jahre Vorsitzender beim SV Seestall, ich kenne hier jeden.“ Danach führt der Kirchenpfleger die Besucher wie in einem Sternerestaurant zu ihren Plätzen. Die erste Reihe wird am linken Rand besetzt, die zweite Reihe am rechten und dann bleibt eine Reihe frei. Jeder Sitzplatz ist zudem mit einer gelben Karte mit einem Bibelspruch darauf gekennzeichnet. Wie bei einem Arzttermin müssen sich die Besucher für gewöhnlich für eine Messe bei der Pfarrei Fuchstal telefonisch anmelden. Die kleine Messe in Seestall hingegen läuft ohne Voranmeldung. Der große Andrang bleibt nach der Lockerung aus. „Darüber bin ich zugegebenermaßen nicht traurig“, sagt Pfarrer Oliver Grimm von der Pfarrei Fuchstal.
Es gibt genaue Infos zum Gottesdienst
Denn trotz Hygiene- und Abstandsregelungen gäbe es immer ein Restrisiko. Viele folgten dem Aufruf des Pfarrers. Er bat die älteren Gläubigen der Kirchengemeinde und diejenigen die zu einer schutzbedürftigen Gruppe gehören, der heiligen Messe fernzubleiben. Die Sonntagspflicht sei ausgesetzt. Gleich zu Beginn der Messe weist Pfarrer Grimm die Gläubigen auf die Corona-Regeln bei der Verteilung der Hostien hin. „Die Handkommunion ist wieder erlaubt.“ Allerdings unter klaren Schutzmaßnahmen. Für den Pfarrer gibt es erst die Maske, dann einen Einweghandschuh, der gleich noch einmal desinfiziert wird. Danach müssen die Kirchgänger ebenfalls ihre Hände desinfizieren und dürfen mit großen Abständen die Kommunion empfangen. Rund sieben Wochen waren die Kirchen aufgrund der Corona-Pandemie bayernweit geschlossen. Während dieser Zeit stand Pfarrer Oliver Grimm mit den Mesnern allein in der menschenleeren Kirche. In 2000 Jahren Christentum gab es noch nie eine solche Situation. „Da sage noch einer, es ändert sich nichts in der katholischen Kirche“, sagt Pfarrer Grimm und lacht. Von einem schönen Moment berichtet er, als in der Kirche die Messe für ein langjähriges Kirchenmitglied gefeiert wurde und zeitgleich die Angehörigen der Verstorbenen am Grab beteten. „Räumlich getrennt, doch im Glauben vereint.“
Der Pfarrer nimmt es mit Humor
Nach den Lockerungen dürfen Gottesdienste auch wieder werktags gefeiert werden. Die Plätze und Gesänge sind weiterhin reduziert. Das Singen von Marienliedern wie auch Wechselgebete seien mit Mund-Nasen-Schutz schwer möglich und machten keinen Spaß. Zudem werde die Maske feucht und verliere dadurch ihre Schutzfunktion. „In diesen Tagen muss man kreativ werden“, so Pfarrer Grimm. Deshalb steht an besonderen Gottesdiensten ein Sänger auf der Empore. „Mitsummen ist natürlich erlaubt.“
Auch in den Predigten und den Fürbitten der Gottesdienste ist Corona allgegenwärtig. Allein durch die Nähe zum Altersheim in Waal, in dem 17 Bewohner an Corona gestorben sind, wolle man zusammen für die Verstorbenen und deren Familien beten. Allein steht der Pfarrer im Altarraum, ohne Mundschutz und ohne Ministranten. In der engen Seestaller Kirche könne man die nötigen Abstände nicht einhalten. Aus Solidarität wird auf die Messdiener auch in den größeren Kirchen der Pfarreiengemeinschaft verzichtet. Nach einer halben Stunde ist die Messe vorbei. Abschließend wird nicht zum Schutz vor Corona gebetet, sondern der Wettersegen erteilt. Denn die Sonnenstrahlen blitzen nur spärlich durch die hagelgeschädigten Fenster der Seestaller Kirche.
Verzichten müssen die Gläubigen dieses Jahr auch auf alle Bittgänge und Wallfahrten, etwa auf den Heiligen Berg nach Andechs. So findet auch der traditionelle Bittgang der Pfarrgemeinde Dießen am Pfingstmontag nicht statt. Um 5 Uhr starten die Dießener normalerweise, drei Stunden dauert es zu Fuß dorthin. Um 8 Uhr begann in der Andechser Wallfahrtskirche der Festgottesdienst und anschließend stärkten sich alle im Bräustüberl oder auf der sonnigen Terrasse, bevor sie über das Kiental nach Herrsching gingen, um mit dem Dampfer nach Dießen zurückzufahren – heuer jedoch nicht, berichtet Volker Bippus vom Pfarrgemeinderat.