Jeroen Breforth

Fachjournalist · Publizist, Hannover

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Die große Lüge der Steuerhinterziehung - Steuern, die niemals gezahlt werden

JBM - An illegalen Geschäften rechnet sich „Vater Staat“ offensichtlich kräftig reich - zumindest auf dem Papier. Warum? Steuerhinterziehung! Weshalb? Umsätze aus kriminellen Handlungen sind steuerpflichtig.

JBM - An illegalen Geschäften rechnet sich „Vater Staat" offensichtlich kräftig reich - zumindest auf dem Papier. Warum? Steuerhinterziehung! Weshalb? Umsätze aus kriminellen Handlungen sind steuerpflichtig. Abkassieren um jeden Preis


So manche Straftäter haben es gleich mit zwei Gegnern zu tun: Mit der Staatsanwaltschaft und dem Finanzamt - besser gesagt: der Steuerfahndung.

Denn Umsätze aus kriminellen Handlungen, wie Drogenhandel, Prostitution oder illegalem Handel mit Zigaretten sowie Tabaken und beispielsweise Medikamente unterliegen einer Besteuerung in Deutschland. Klingt irgendwie schizophren, ist jedoch Realität.


„Vater Staat" bekämpft einerseits die Kriminalität, will aber andererseits von der „Beute" der Kriminellen profitieren. Frei nach dem Motto: „Geld stinkt nicht".


Trotz harscher Kritik aus den Lägern der Gegner solcher Methoden: Die Arten der Einkünfte sind in den Steuergesetzen klar definiert.


Während beispielsweise dem Drogenhändler seine Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet werden, erzielen Betreiber von illegalen Hanfplantagen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.


Und neben der Umsatz- und Einkommensteuer werden oft auch noch Gewerbesteuern fällig. Und bei diesen handelt es sich insbesondere bei den Gemeinden um eines der wichtigsten Einnahmequellen.


Wird beispielsweise ein Drogendealer „gekascht", wie der Volksmund sagt, schätzt die zuständige Finanzbehörde in der Regel die Umsätze aus dessen Drogenhandel. Und da es - verständlicherweise - keine Aufzeichnungen über diese Geschäfte gibt, werden die Umsätze in der Regel geschätzt.


Auf diese Schätzungen hin erlassen die Finanzbehörden Steuerbescheide und senden diese den Tatbeteiligten ins Haus - notfalls auch bis in die Haftzelle. Auch die Gemeinden erlassen daraufhin, sofern es sich um eine gewerbliche Tätigkeit handelte - einen Gewerbesteuerbescheid.


Aber werden solche Steuerforderungen überhaupt je realisiert? Wie sollen oft immens hohe Steuerforderungen von verurteilten Straftätern bezahlt werden, wenn sie entweder im Knast sitzen, oder wegen HARTZ-IV erst gar keine Einkünfte erzielen - ihre Steuerschulden bezahlen können?


Kameralistische Buchhaltung bei Steuerhinterziehung

Straftäter nachträglich mit Steuern zu belasten, ist grundsätzlich nichts Neues, und wird seit Jahrzehnten - je nach Bundesland mehr oder weniger fleißig - betrieben.


Und dann? Was viele nicht wissen: Steuerforderungen werden - vereinfacht dargestellt - nach dem Prinzip der „kameralistischen Buchhaltung" als Vermögenswerte in die Haushaltsbilanz eingestellt - und „parken" dort in den Büchern der Kämmerer unter „Fällige Steuerforderungen".


Wenn beispielsweise Finanzminister Wolfgang Schäuble von „Steuereinnahmen" spricht, hat er dieses Geld noch gar nicht auf dem Girokonto, sondern nur in den Büchern als - vermeintliche - „Forderungen" stehen.


Solche und noch viele andere Bilanztricks können dann sogar dazu führen, einen Haushalt mit einer „Schwarzen Null" vorweisen zu können.


Aber wie sieht es bei den Gewerbesteuern aus - insbesondere bei denen, die aufgrund straffälliger Handlungen ergangen sind?


JBM.News ging offen der Frage nach, ob diese überhaupt jemals beglichen werden, denn in den Haushaltsbüchern des Bundes, der Länder bzw. Gemeinden „lungern" scheinbar - über Jahrzehnte sich aufgehäufte - Steuerforderungen als Vermögenswerte rum, von denen offensichtlich klar sein müsste: „Abschreiben".


Anfang Juni fand in Bad Pyrmont der 5. Bundeskongress der Kämmerer statt. Eine Hoffnung, hier vielleicht Antworten zu finden.

Doch im ersten Anlauf wollte niemand offen mit JBM.News über dieses Thema reden.

Antworten, wie: „Kein Kommentar", „Kann sein", „Weiß ich nicht" oder „Nicht öffentlich" und natürlich auch „Steuergeheimnis" - eine Mauer des Schweigens. Warum?

Niemand wollte sich zunächst zu diesem Thema äußern - gibt es da vielleicht was zu verheimlichen?


Drängeln, und immer wieder drängeln

Nur ein Kämmerer traf sich schließlich nach langen Bitten und Zusage absoluter Vertrautheit mit JBM.News, und bat - und daher wohl die Abneigung zu öffentlichen Aussagen - um Verständnis, nicht Opfer von EDEKA werden zu wollen.


EDEKA steht hier allerdings nicht für den Lebensmittelkonzern, sondern für „Ende der Karriere". Stets das gleiche Dilemma: „Beamte, die reden, werden kaltgestellt."

Klaus W., nennen wir ihn daher so, gab für seine Kämmerei zu erkennen „ ... uneinbringliche Gewerbesteuerforderungen in nicht unerheblichem Maße seit Jahrzehnten mitzuschleppen, die laut Aktenlage auf die Besteuerung von illegalen Geschäften herrühren."


Obwohl klar ist: „ ... dass das Geld niemals reinkommen wird, verschönern sie seit Jahrzehnten den Haushaltsplan in unserer Gemeinde", so Klaus weiter.


„Da diese Steuerforderungen jedoch niemals reinkommen, haben wir diese Haushaltslöcher in den letzten Jahren stets durch Kredite refinanzieren müssen."

Auf unsere Frage hin, ob bezüglich dieser seit Jahrzehnten in dem Haushaltsplan schlummernden Altfälle ein gesonderter Hinweis gemacht wird, zuckt er die Schultern: „Wir sind angehalten Steuerforderungen, also zum Beispiel die Gewerbesteuern, nicht nach einbringlich oder uneinbringlich aufzuteilen."

Ob es sich hierbei um mögliche - illegale - Bilanzmanipulationen oder Betrug handeln könne, wollte der Mitarbeiter des Landratsamtes dann doch nicht kommentieren: „Wir machen das hier schon immer so - das ist halt Realität."


Fragwürdiges Bruttoinlandsprodukt

Nach wie vor stellt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) den wichtigsten Gradmesser für die Wirtschaftsleistung eines Landes dar.

Neuerdings sollen sogar auch Drogenhandel und 

Zigarettenschmuggel in das BIP mit einfließen. Begründung: eine EU-Vorgabe, die es umzusetzen gilt.

Völlig überraschend ist die Berücksichtigung des Zigarettenschmuggels und des Drogenhandels im BIP allerdings nicht mehr: So finden etwa Schätzungen zu den Einnahmen aus Prostitution und zu Schwarzarbeit schon seit über zehn Jahren Eingang in das BIP.

Reich rechnen - legal oder illegal

Fakt ist: Genaue Zahlen über unbeglichene bzw. uneinbringliche Steuerforderungen aus illegalen Geschäften gibt es nicht.


Dennoch: Schätzungen von JBM.News zufolge könnten es bundesweit mehrere zig Millionen Euro sein.


Haushaltsbücher des Bundes, der Länder und Gemeinden werden mit fälligen Steuerforderungen aus kriminellen Handlungen schön gerechnet, in der - wohl naiven - Hoffnung, diese jemals eintreiben zu können.


Fatal: Jeder Unternehmer bzw. jedes Unternehmen ist gezwungen, zweifelhafte Forderungen gesondert in den Bilanzen auszuweisen und nach einer gesetzlichen Frist sogar als uneinbringlich auszubuchen.


„Vater Staat" hingegen gaukelt Steuereinnahmen vor, obwohl mit deren Begleichung - offensichtlich - niemals zu rechnen ist.


Wundert es da den Bürger, dass Haushaltspläne aufgrund derartiger Methoden auch mit einer „Schwarzen Null" abschließen können?

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