Jeroen Breforth

Fachjournalist · Publizist, Hannover

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Schwarzarbeit legalisieren - eine Alternative zur erfolglosen Bekämpfung?

Schwarzarbeit legalisieren – eine Alternative zur erfolglosen Bekämpfung?

JBM - Der jahrzehntelange „Kampf" der Politik gegen die Schwarzarbeit in Deutschland hat sein Ziel offenbar verfehlt. Eigenen Angaben der Bundesregierung zufolge betragen die Umsätze durch Schwarzarbeit rund 330 Milliarden Euro - pro Jahr.

Trotz einzelner - politisch notwendiger und eher symbolischer - Erfolgsmeldungen bleibt Schwarzarbeit damit weiterhin ein großer und wichtiger Wirtschaftsmotor in Deutschland.



Cash in the Täsch

Sie sind arbeitslos, Geringverdiener, Flüchtlinge, Angestellte oder Beamte und jobben nebenbei in der Gastronomie, im Taxengewerbe, auf der Baustelle, in Privathaushalten oder gar in Altersheimen. Millionen von Mitmenschen schuften nebenbei - überall in Deutschland.


Aus allen Teilen Deutschlands und Europas und sogar aus fernen Ländern, wie beispielsweise Afrika, der Türkei und Griechenland gehen sie ihrer Tätigkeit hier nach - von Flensburg bis Sonthofen.


Allerdings nennt man sie abwertend „Schwarzarbeiter", weil sie nämlich ihr Geld ohne Kenntnis von Steuer- und Sozialbehörden, also „Cash in the Täsch" verdienen, wie der Volksmund sagt.


Obwohl aber niemand wirklich genau weiß, wie umfangreich die sogenannte Schwarzarbeit in Deutschland wirklich ausgeübt wird, orakeln Experten dennoch seit Jahren eine Zunahme, während die Bundesregierung mit sinkenden Zahlen kontert.

Rund 340 Milliarden Euro soll angeblich der jährliche Umsatz durch Schwarzarbeit in Deutschland betragen - dadurch folglich Milliarden an Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen dem Staat vorenthalten werden.


Dennoch: Keiner weiß es wirklich genau, aber jeder redet es sich nach seinem Credo schön. Ängste werden geschürt - populistische Äußerungen aus allen Lägern füllen die Medien.


Krieg gegen das eigene Volk?

Erschreckend: Neue Gesetze beginnen schon seit einigen Jahren mit den Worten „Bekämpfung ... ", als wenn in Deutschland Krieg herrschen würde. Also eine offene Kampfansage der Gesetzgebung an seine eigenen Bürger? Wieso sind im Zeitalter emotionsloser Kommunikation derartige Kampfansagen überhaupt salonfähig?

Politiker machen mobil gegen Schwarzarbeiter und sonstige Steuerhinterzieher, als wären diese die wahren und verabscheuungswürdigen „Schmarotzer" in der Gesellschaft, wenn es um fehlende Steuermittel geht.


Nicht die massive Geldverschwendung bei der Rüstung - wie beim Militär-Airbus M400 - oder fragwürdiger Entwicklungshilfen in die ganze Welt werden dort als Ursache für fehlende Steuermittel im Ausbau von Straßen, der Universitäten und Kitaplätzen infrage gestellt, nein, es sind nach Darstellung in Regierungserklärungen und Gesetzesentwürfen mit Kampfansage die Schwarzarbeiter und sonstigen Steuerhinterzieher.


Wenn es das Zeitalter des Internets nicht geben würde, könnten sicherlich die wahren Stimmungen der Gesellschaft von verantwortlichen Politikern als nicht existent bezeichnet werden, aber wochenlange Recherchen von JBM.News zeigen Bedrohliches: Die Stimmung im Lande scheint zu kippen - und zwar massiv und bedrohlich.


Die Resignation ist groß

Bedarf es zur Klärung der Frage, ob Mitmenschen das Steuersystem in Deutschland als gerecht empfinden, überhaupt noch irgendwelcher wissenschaftlicher Gutachten, Studien oder Meinungen von Experten? Kann man parteinahen Meinungsforschungsinstituten überhaupt noch Glauben schenken?


In großen Teilen der Bevölkerung rumort es heftig. Da wird in sozialen Medien unverhohlen von „unbändiger Raffgier" des Finanzministers Wolfgang Schäuble gepostet, den manche lieber - milde ausgedrückt - „im Kreise seiner Familie bei Kaffee und Kuchen" sehen würden.


Angst vor offener Meinungsäußerung? Von wegen. Recherchen im Internet und in sozialen Medien zeigen, wie wenig Angst noch vor einer Verfolgung durch Verfassungsschutz und Justiz in der Bevölkerung inzwischen herrscht. Insbesondere die sozialen Medien platzen vor verbalen Ausbrüchen - der Eindruck von Hilflosigkeit macht sich breit.


Immer mehr Bürger in der Gesellschaft scheinen sich von dem einst solidarischen Steuer- und Sozialsystem verabschiedet zu haben - die Resignation ist groß.


Schwarz arbeiten, bis der Arzt kommt

Diplomatisch könnte man die Ablehnung des Steuersystems auch als eine - mit dem Unwort des Jahres gekrönten - „Herausforderung" bezeichnen. Doch dies hört sich für manche Wutbürger zu „weichgespült" an - verhindert offensichtlich deren wahre Emotion. Insbesondere bei Mitbürgern, die es gewohnt sind, „Tacheles" zu reden.

Und dazu gehören nicht etwa nur die von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gerne populistisch als „Pack" bezeichneten Personengruppierungen, sondern auch hochgebildete Professoren und Richter sowie Staatsanwälte, denen „ ... der Lehrer Gabriel nicht einmal ansatzweise geistig folgen könnte", wie Kritiker im Internet verbreiten.


Ein Leser schrieb anlässlich des Artikels „Nach eins ist meins - wie sozial ist Schwarzarbeit" auf der Facebook-Seite der JBM.News: „Ich bin Erzieher, da ist Schwarzarbeit nicht möglich. Wenn sich mir allerdings die Möglichkeit ergeben würde, schwarz zu arbeiten ( ... ) würde ich schwarzarbeiten, bis der Arzt kommt."


Korruption, Vetternwirtschaft, Skandale

Täglich in den Medien neu aufgedeckte Fälle von Korruption, Vetternwirtschaft oder bestehende Skandale, wie nicht zuletzt das Milliardengrab Flughafen Berlin-Brandenburg, die Milliardensause bei der Elbphilharmonie in Hamburg oder der Milliardenpoker Stuttgart21, gelten für Bürger in ganz Deutschland als Armutszeugnis einer seit Jahren fehlgeleiteten Politik.


Hasstiraden auf die als „asozialste" Steuergesetzgebung in ihrer „je da gewesenen Form". Da wird von „Ausbeuterei", „legalisiertem Raubzug" und nicht zuletzt „Betrug am Volk", gepostet.


Selbst der „Bund der Steuerzahler" könnte mit seinen annähernd 400.000 Mitgliedern von sich scherzhaft behaupten, mehr Fälle von Steuerverschwendung aufdecken zu können, als dieser Verein Mitglieder hat.


Chaos in Deutschland


Massivstes Ungerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung, wiederholt erfahrene Verschwendung und Missbrauch von Steuergeldern, erlebte Armut und andere soziale Schieflagen, Bildungsmisere, Flüchtlingsdesaster, kurzum: Es scheint ein totales Chaos in Deutschland zu herrschen.


Und was macht die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vom 28.07.2016? Ein ´Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes´. Aha, wieder eine „Bekämpfung". Also doch eine wiederholte Kampfansage?


„Es kracht mächtig im Gebälk", wie der Tischler zu sagen pflegt. Und wann die Solidarität mit dem Steuersystem endgültig zusammenkracht, scheint offenbar nur noch durch die derzeit politische sowie ausufernde Hilflosigkeit wegen der Terrorgefahr gedämpft.


Drogenpolitik als Vorbild


Immer mehr Bundesstaaten in den USA (Colorado und Washington gelten als Vorreiter) haben ihre Anti-Drogen-Politik gewandelt: Der Anbau, Verkauf, Besitz und Konsum von Cannabisprodukten wurde legalisiert. Damit hat die vorherige Drogenpolitik in Amerika offensichtlich kapituliert - der Kampf gegen eine millionenschwere Kiffergesellschaft war auf Dauer eben nicht zu gewinnen.


Auch die Niederlande hat vor Jahren den Kampf gegen illegalen Drogenkonsum aufgegeben und eine liberale Form des Haschischkonsums eingeführt, nachdem den Politikern klar wurde, wie gering die Chancen im Kampf gegen den Konsum von Haschisch sind.


Wenn vergleichsweise auf dem Markt der Schwarzarbeit - jährlich - rund 330 Milliarden, wie Experten unken, jährlich umgesetzt werden, warum ist ein solcher Markt dann eigentlich immer noch „schwarz", also negativ besetzt? Der Bundeshaushalt hingegen verfügt gerade mal über 317 Milliarden Euro (2016).


Handelt es sich nicht viel eher um einen „funktionierenden" - durch die Gesellschaft akzeptierten und bei dieser Größenordnung offensichtlich etablierten - Markt? Kann auch hier der Kampf gegen Schwarzarbeit auf Dauer - wie beim Drogenkonsum - ebenfalls nur von Erfolglosigkeit gekrönt sein?


Wäre es folglich nicht an der Zeit, sich auch - wie beim Drogenkonsum - offen mit diesem „Marktgeschehen" zu arrangieren?


Warum wird hingegen jedwede offene Kritik am Steuersystem als populistische Hetze abgetan? Wäre da eine soziale Auseinandersetzung mit dem Schwarzmarkt in Deutschland nicht sinnvoller, als deren dauerhafte und erfolglose - kostenintensive - Bekämpfung? Und wenn ja, wie könnte diese aussehen?


Wie interessant wäre es beispielsweise, wenn jeder Bundesbürger im Monat 200 Euro legal nebenbei dazu verdienen dürfte - so ganz ohne Besteuerung und Sozialabgaben? Ganz ohne Verstecken - eben nicht schwarz. Absurd oder vorstellbar?


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