Jeroen Breforth

Fachjournalist · Publizist, Hannover

Keine Abos und 0 Abonnenten
Artikel

Nix Kasse, in Tasche - Steigende Schwarzgeldumsätze in Gastronomie und Handel erwartet

Nix Kasse, in Tasche – Steigende Schwarzgeldumsätze in Gastronomie und Handel erwartet

JBM - Deutschland macht mobil gegen Gastronomen & Co. - Manipulationen an der Kasse in Eiscafés, Restaurants und Kneipen soll es nach Ansicht der Bundesregierung nicht mehr geben dürfen - sogar unmöglich werden. Deshalb sollen ab 2017 nur noch zertifizierte Kassensysteme eingesetzt werden, die - angeblich - manipulationssicher sein sollen.

Aber nicht nur die Gastronomen, sondern nahezu jeder Händler oder Dienstleister, der Bargeschäfte abwickelt, wird ab 2017 vom Gesetzgeber gezwungen, sich ein neues - zertifiziertes - Kassensystem zu kaufen.


Klar, einfach ein neues Gesetz verabschieden, neue Kassen auf den Markt und zack: Kein Gastronom Dienstleister oder Händler in Deutschland kann und wird mehr Einnahmen am Staat vorbeikassieren.


Symbolpolitik oder Traumtänzerei? „Die haben doch nicht mehr alle Festplatten im Computer", sagt Franko H. (Name der Red. geändert) im Interview gegenüber JBM.News. „Wer glaubt denn so was?"


Franko - Verkaufsleiter eines mittelständischen Kassensystemherstellers für die Gastronomie - muss es schließlich wissen, denn er hat bereits vor 2o Jahren begonnen, Kassensysteme an Gastronomen zu verkaufen, deren Umsätze mittels Software im Live-Modus oder nachträglich manipulierbar waren. „Das waren immer die Erfolgsrenner, die gingen ab, wie Schmidt´s Katze - bis heute", so Franko.


Seit über 20 Jahren also gibt es Kassen, deren Umsätze mittels einer Manipulationssoftware nachträglich gemindert werden können - so ähnlich, wie bei Volkswagen, Opel und Co. die Abgaswerte heute - irgendwie scheint auch da im System der Wurm drin zu stecken.


„Kassen mit Manipulationssoftware waren und sind bis heute noch Verkaufsargument Nummer eins, ob beim Döner, dem Eiscafé, oder der Discothek", merkt Franko an. „Tausende von Kassen habe ich in meinem Berufsleben bereits verkauft, die Ansprüche an nicht erkennbarer Manipulationssoftware ist dabei ebenfalls stetig gestiegen", aus Angst vor Entdeckung durch die Finanzbehörden, weiß er weiter.


Allerdings wehrt sich Franko gegen die Annahme, die Hersteller von Kassensystemen seien die wahren Initiatoren der Manipulationssoftware: „Gastronomen sprachen uns bereits in den 1990er Jahren gezielt auf Kassensysteme an, deren Umsätze man beeinflussen kann. Um Kunden nicht an die Konkurrenz zu verlieren haben auch wir uns der Nachfrage gebeugt."


De facto war es nahezu unmöglich, Kassensysteme in der Gastronomie zu verkaufen, die ohne Manipulationsmöglichkeiten waren. „Die hätten uns gar nicht ernst genommen."

Ein wahrer Umsatzboom rollt also nun auf die Branche der Kassensysteme in Deutschland zu - mithilfe des Gesetzgebers. Die Auftragsbücher „brennen" scherzt Franko.


Finanzbehörden und Steuerfahndungsstellen haben bereits seit vielen Jahren die Einführung manipulationssicherer Kassen gefordert - was auch immer damit gemeint war.


Dagegen hat sich die Politik jedoch stets gewehrt, weil der Handel und insbesondere Gastronomen schließlich nicht unter Generalverdacht der Steuerhinterziehung gestellt werden sollten. Schließlich gäbe es ja auch Ehrliche unter ihnen.


Nach nunmehr 20 Jahren, wo nach Expertenmeinungen vermeintlich bereits Milliarden Steuergelder am Fiskus vorbeigerauscht sein sollen, kommt nun ein ultimatives Gesetz und Fachleute klatschen - die Handfläche an die Stirn.


Eine klare Symbolpolitik gegenüber dem mündigen Bürger um Eindruck zu schinden? „Wie naiv muss man sein zu glauben, dass ein solches Gesetz Sinn und Verstand hat?", fragt sich Franko. Seiner Überzeugung nach sieht er eine klare und massive Abwanderung in noch mehr „Schwarzumsätze".


Damit meint Franko die Menge an Geld, die am Fiskus vorbeigeschleust wird, und macht die einfache Rechnung auf: „Wenn früher die Kassen zwischen zehn und fünfzehn Prozent (um nicht auffällig zu werden) des Tagesumsatzes mittels Software automatisch nach unten manipuliert haben, wird infolge des neuen Gesetzes immer weniger Ware offiziell eingekauft und somit auch weniger über die Kasse verkauft: Nix Kasse, in Tasche."


Denn, was nicht erst in die Kasse gebongt wird, juckt die Kasse auch nicht - muss also gar nicht manipuliert werden.

Als Profi kennt er nach über 20 Jahren alle Tricks der Branche und hat Sorge: „Bereits jetzt kontaktieren uns Gastronomen und Händler, die zwar gezielt nach zertifizierten Kassensystemen Ausschau halten, aber weiterhin nach unentdeckbarer Manipulationssoftware fragen."


Ein Mitarbeiter der Steuerfahndung in Hannover, der anonym bleiben will, bestätigt auf Anfrage gegenüber JBM.News: „Kassensysteme können noch so manipulationssicher scheinen und noch so zertifiziert sein - da draußen gibt es schon wieder Hacker, die diese Systeme geknackt haben, bevor sie überhaupt auf dem Markt sind."


Da wird also offensichtlich der Bock zum Gärtner gemacht: „Ausgerechnet die Hersteller und Vertriebe von Kassensystemen, die jahrzehntelang Kassen mit Manipulationssoftware verkauft haben, sollen nun vermeintlich ´ehrliche´ Kassen verkaufen?", fragt sich der Fahnder.


Mitarbeitern der Finanzbehörden wird es allerdings auch einfacherer gemacht: Wer zukünftig keine zertifizierte Kasse einsetzt, muss sich nicht wundern, wenn seine Kasse „verworfen" und die Umsätze geschätzt werden.


Auch Franko ist sich sicher, dass es bereits jetzt Hacker gibt, die Kassensysteme von Herstellern knacken und manipulierbar machen. „Unsere Branche hat keine andere Chance, als da mitzuziehen. Der Kunde fordert - wir liefern."


Millionen neue Kassen braucht das Land, um einer vermeintlichen Steuerunehrlichkeit zu begegnen. Milliardenumsätze für die Hersteller von Kassensystemen.


Folglich auch erhebliche Steuermehreinnahmen für den Fiskus. Wäre Dagobert Duck Finanzminister, würde er bei diesem Geldsegen in seinem Geldspeicher vom Sprungbrett in „seine geliebten Taler" springen.


Asterix hingegen würde beim Zeigen seines Fingers an seine Schläfe zu Obelix sagen: „Die spinnen, die Römer."


Hintergrund Wie wird eine Kasse nachträglich manipuliert?


Mehr lesen

Zum Original