Jeroen Breforth

Fachjournalist · Publizist, Hannover

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Illegaler Zigaretten-Handel - Das fiese Geschäft mit Flüchtlingen

Flüchtling in Unterkunft

Zigaretten-Schmuggler haben Hochkonjunktur, denn Deutschland hat auf einen Schlag Hunderttausende Flüchtlinge. 


Unter ihnen auch eine hohe Anzahl von Männern, die Raucher sind - und die benötigen zur Deckung ihres Rauchbedarfs Zigaretten. Frauen hingegen rauchen nur sehr selten.


Sie lungern vor Flüchtlingsunterkünften oder sprechen - insbesondere junge - Flüchtlinge in Supermärkten während ihres Einkaufs an. Ist der Kontakt erst einmal hergestellt, spricht sich dies in den Unterkünften recht schnell rum.


Denn mit Hartz-IV-Sätzen lassen sich die in Deutschland recht teuren Zigaretten nicht dauerhaft finanzieren. Billige Zigaretten von Schmugglern bleiben da für viele der Raucher die einzige Alternative.


JBM | News erfuhr im Rahmen durch Recherchen von dem 25-jährigen Flüchtling Aydin P. aus Aleppo (Syrien). Vor knapp drei Monaten ist er in eine Flüchtlingsunterkunft in Niedersachsen untergekommen. Aus Angst vor Repressalien und Verfolgung wird sein genauer Aufenthaltsort sowie Name hier anonymisiert.


Aydin spricht sehr gut englisch, obwohl er keine richtige Schulausbildung und keinen Beruf erlernt hat. „Ich treffe mich alle drei bis vier Tage mit einem Zigaretten-Dealer", berichtet er. „Zwischen zehn bis 15 Stangen besorge ich für unsere Unterkunft. Dafür bekomme ich in der Unterkunft fünf Schachteln umsonst." Er lächelt dabei leicht verschmitzt.


Immerhin leben in der Flüchtlingsunterkunft rund 150 Bewohner. Davon, so rechnet Aydin vor, sind über 100 Männer - unter ihnen etwa 70 Raucher. Genau habe er es aber noch nicht gezählt.


Arbeiten dürfen sie nicht - ihre Zeit schlagen sie mit Smart-Phones, Brettspielen, Teetrinken und Rauchen tot. „Manche", so Aydin „rauchen den ganzen Tag, eine nach der anderen".


Sie empfinden es ungebraucht und eingesperrt zu sein, so Aydin. Zwar fühlt er sich hier in Deutschland sicher, aber er hat Angst, wieder in sein Land zurück zu müssen. „Was soll ich dort noch - es ist doch alles zerstört."


Für eine Stange Zigaretten zahlt er 20 Euro. Mal sind es Zigaretten aus Litauen, Russland oder Polen,weiß er. Manche haben sogar Steuerzeichen auf der Verpackung - welche genau, weiß er nicht. „Ich nehme, was ich kriegen kann."


„Wir vereinbaren immer einen genauen Zeitpunkt, wann wir uns treffen", so der junge Mann. Jetzt im Herbst, wo es früher dunkel wird, fühlt er sich sicherer. Den genauen Treffpunkt will er jedoch nicht verraten.


Denn Aydin hat Angst davor, bei einem Kauf erwischt zu werden. Ihm ist bewusst, mit dem Zigaretten-Schmuggel etwas illegales in Deutschland zu begehen.


Dennoch muss er das Risiko eingehen: „Wir wollen doch keine Zigaretten klauen, aber sind auf diese billigen Zigaretten eben angewiesen." Und das wissen die Zigaretten-Dealer ganz genau.


Ob er in seiner Flüchtlingsunterkunft schon einmal kontrolliert wurde, wollen wir wissen: „Man muss genau aufpassen, wer am Eingang sitzt. Die Taschen werden manchmal schon kontrolliert. Da haben wir uns auch beschwert. Aber als Antwort gab man uns, man prüfe nur wegen Waffen aus Sicherheitsgründen."


Erwischt worden sei er bisher noch nicht - davor hat er große Angst.


Auf die Frage hin, ob er wisse, dass viele der illegalen Zigaretten auch mit Rattenkot und anderen giftigen Substanzen vermischt sind, meinte er: „Wir kommen aus einem Kriegsgebiet, in dem es schon lange keine richtigen Zigaretten mehr gibt. Da ist der Tabak noch viel extremer."


Betroffen macht ihn hingegen der Hinweis, wie durch den Konsum illegaler Zigaretten der Krieg des selbsternannten ´Islamischen Staates´ mit finanziert wird. Doch auch hier hat Aydin eine schützende Antwort: „Der Krieg in Syrien wäre auch nicht weniger grausam, wenn wir diese Zigaretten nicht rauchen würden."


Sein größter Wunsch: „Wenn ich hier raus komme, möchte ich einen Beruf erlernen, eine Familie gründen und nicht mehr an diese schrecklichen Jahre denken. Ich hatte keine Jugend, nun will ich wenigstens als Erwachsener ruhig leben."


Bei unserer Verabschiedung von Aydin kaufen wir als Zeichen der Solidarität ihm gegenüber eine Stange Zigaretten - von einem Kiosk.


Vor lauter Dankbarkeit liefen ihm Tränen über das Gesicht: „Danke, Danke. Das werde ich euch nicht vergessen", wischt sich über das Gesicht und verschwindet im Trubel der Stadt - Ziel: seine Flüchtlingsunterkunft.


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