Wer auf die Wende zurückblickt, sieht vor allem einen Westdeutschen: Helmut Kohl. Aber was ist mit den anderen Westdeutschen im Jahr 1989? Wie tickten sie? Was bewegte sie? Wofür wären sie auf die Straße gegangen?
In der Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte liegen die Ostdeutschen regelmäßig unter dem gesellschaftswissenschaftlichen Mikroskop. Wie unzufrieden die DDR-Bürger mit den politischen Verhältnissen waren, was sie sich wünschten und was sie im Sinn hatten als sie "Wir sind das Volk" riefen - wurde erforscht und wird erzählt. Die Frage nach den "Westdeutschen" im Jahr 1989 hingegen gerät ins Hintertreffen.
Wie dachten und fühlten die Menschen in den Altbundesländern, als sie noch unter sich waren? Welche Einstellungen hatten sie zu Europa, wie wichtig war ihnen Solidarität, was waren ihre Ängste und Sorgen? Welches Weltbild vertraten sie?
Kaum erinnert wird, wie groß die Kohl-Müdigkeit in der BRD war: Die Bundestagswahl 1990 hatte Helmut Kohl eigentlich schon verloren. Während er am Tag des Mauerfalls in West-Berlin ausgebuht wird, skandieren sie in der DDR "Helmut, rette uns!". Am 19. Dezember hält er eine seiner wichtigsten Reden vor der Frauenkirche in Dresden. Danach macht sich eine Kohl-Euphorie in der DDR breit. Was folgt sind erste gesamtdeutsche Wahlen und die Wiedervereinigung. Und bei manchen das fahle Gefühl, Helmut Kohl habe ihre Revolution kaputt gemacht
Autorin: Jennifer Stange
Redaktion: Valentina Dobrosavljevic