In Indonesien breitet sich die Delta-Variante des Coronavirus weiter aus. Die Behörden melden täglich Rekordzahlen. Die Regierung will nun das Impf-Tempo erhöhen. Für Java und Bali gilt ein Lockdown.
Auf den Hauptstraßen in Jakarta fährt fast kein Auto. Nur wenige Menschen sitzen in der U-Bahn. Die Krankenhäuser sind dafür umso voller. Die 28-jährige Ärztin Cheras Sjarfi steht in Schutzkleidung am Bett einer Patientin, die mit Sauerstoff versorgt wird.
"Ein kleines Krankenhaus wie unseres sollte keine Covid-19-Patienten behandeln. Wenn die großen Krankenhäuser keine Patienten mehr aufnehmen können und die Menschen zu uns kommen, wird mir die Schwere dieser Pandemie klar", sagt sie. "Dann befinden wir uns auf dem Höhepunkt. Auf diese Situation sind wir hier nicht vorbereitet." Sie hätten weder Beatmungsgeräte noch eine Intensivstation, erzählt sie der Nachrichtenagentur Reuters. "Im schlimmsten Fall sterben sie hier."
Erkrankte sterben, weil es keine Betten gibtIn einem der größeren Krankenhäuser in Jakarta liegen Patienten dicht an dicht auf den Fluren. Die 43-jährige Krankenschwester Nurlaela erzählt im thailändischen Fernsehen von der Situation vor Ort. "Viele waren bei ihrer Ankunft tot, weil es uns an Betten mangelt. Die Patienten mussten warten, bis es ein freies Bett gab, bevor sie eingeliefert werden konnten."
In Jakarta habe die Regierung einige Büroräume in behelfsmäßige Isolationszentren umgewandelt, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Antara.
Wer es sich leisten kann, holt sich selbst Sauerstoff, wie der 51-jährige Tafik Hidayat. "Wir haben unseren Sohn ins Krankenhaus gebracht und zwei Stunden gewartet, um auf die Intensivstation zu kommen. Aber das Krankenhaus hat uns gesagt, wir sollen ihn erst mal zu Hause behandeln."
Probleme mit Nachschub von SauerstoffDie Preise für Sauerstoff und Medikamente wie Remdesivir sind aufgrund der Nachfrage stark gestiegen. Das Gesundheitsministerium hat daher eine Preisobergrenze festgesetzt. Zudem hat Indonesien die Hersteller von Sauerstoff angewiesen, die Produktion von medizinischem Sauerstoff zu erhöhen. Zuvor waren im Sardjito-Krankenhaus auf der Insel Java mehr als 60 Menschen gestorben, weil der Vorrat des Gases fast erschöpft war.
Lockdown könnte sich ausweitenDer Epidemiologe Defriman Djafri hält den Teil-Lockdown angesichts der hohen Infektionszahlen und der Ausbreitung der Delta-Variante für unzureichend: "Ich denke, der Lockdown dürfte nicht nur auf Java und Bali beschränkt sein, sondern müsste auch andere Regionen mit einbeziehen. Die müssten alarmiert sein durch die Rekordwerte auf Java."
Für ihn ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Zahlen auch in anderen Teilen des Landes hochgehen. Menschen könnten immer noch zu einfach reisen.
Staatspräsident Joko Widodo appelliert an die Bürger. "Ich rufe Sie alle auf, ruhig und wachsam zu bleiben, die Gesundheitsprotokolle zu befolgen und sie diszipliniert durchzuhalten."
Auf Java und Bali kontrollieren 21.000 Beamte die Einhaltung der Regeln. Mehr als 400 Straßensperren wurden errichtet. Auf Bali etwa stoppen Beamte Autos und Mopeds und machen Durchsagen, dass niemand den Strand betreten darf. Bali sollte diesen Monat eigentlich wieder für Touristen öffnen. Diese Pläne wurden erst mal verschoben.
Die Regierung war mit Lockdowns bisher zurückhaltend, weil sie der Wirtschaft nicht schaden wollte. Zudem habe das Land einen großen informellen Sektor, sagt Jan Gelfand, Leiter der internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften (IFRC) in Indonesien. "Wenn die Leute nicht mehr auf der Straße arbeiten können, haben sie vielleicht am Abend nicht das Geld, um ihre Familien zu ernähren. Und wenn die Leute nicht genug essen, dann sind sie anfälliger dafür, krank zu werden. Und dann entwickelt sich ein ganz anderes Gesundheitsproblem. Dann könnten die Folgen sogar schlimmer sein.
Für ihn hat oberste Priorität, dass alle Länder an ausreichend Impfstoff kommen. "Ich denke, wir haben mittlerweile gelernt: Solange nicht jeder sicher ist, ist keiner sicher."
USA und Australien wollen Impfstoff spendenUnter anderem haben Australien und die USA Hilfe angekündigt. Die Vereinigten Staaten wollen über das internationale Impfprogramm Covax vier Millionen Dosen des Moderna-Impfstoffs liefern.
Bisher sind in Indonesien nur rund fünf Prozent der Menschen geimpft. Die Regierung hat diesen Monat das Ziel ausgegeben, täglich eine Million Menschen zu impfen. Insgesamt hat das Land mehr als 270 Millionen Einwohner. Muhammad Enggar, der sich gerade in seiner Schule impfen lässt, hofft, dass auf diese Weise das normale Leben zurückkehrt. "Es gibt einige Länder, die haben sich erholt. Ich hoffe, Indonesien schafft das auch so schnell wie möglich", sagt er.
Die Ärztin aus dem kleinen Krankenhaus, das über keine Intensivstation verfügt, macht sich trotz Impfung Sorgen: "Beim letzten Mal, als ich den Schnelltest gemacht habe, hatte ich Angst, erneut Covid-19 zu haben. Ich habe Angst, weil die aktuelle Variante sehr übertragbar ist. Ich mache mir Sorgen, dass ich andere Menschen anstecken könnte. Und ich habe gehört, dass viele medizinische Mitarbeiter kürzlich kollabiert sind, nachdem sie infiziert wurden."
In Indonesien wurden bisher die meisten Menschen mit dem chinesischen Impfstoffs Sinovac geimpft. Er steht im Verdacht, weniger wirksam zu sein als die mRNA-Impfstoffe.