Der Absturz des Rubels, ausgelöst durch den Preisverfall des Rohöls und die Wirtschaftssanktionen, reißen Russland tief in die Krise. Aber auch Russen, die in Deutschland leben, sind betroffen. Jennifer Lange hat zwei in Hamburg lebende Russinnen getroffen.
Hier geht es zum Audio: http://www.ndr.de/info/sendungen/reportagen/Auch-Russen-in-Deutschland-spueren-Waehrungskrise,audio2...
„Heute habe ich mit meinen Eltern gesprochen, die Eltern sagen, das ist ein wirtschaftlicher Krieg gegen uns,“ erzählt Angelina Makarenko. Die 32-Jährige sitzt in ihrer Küche im Norden von Hamburg. Russische Süßigkeiten stehen auf dem Tisch. In dieser Woche hat der Rubel die 100er-Marke geknackt. Für 100 Rubel bekommt man also einen Euro. So wenig wie zur letzten russischen Währungskrise im Jahr 1998. Über die Feiertage will Angelina nach Hause fahren. „Wenn ich jetzt nach Russland fliege, dann bin ich wirklich reich. Und meine Eltern haben einen Witz gemacht, weil 10 Euro kannst du uns zuschicken und dann sind wir reich.“
Eigentlich wollte ihre Mutter zu ihr nach Deutschland kommen, und danach noch Europa bereisen. So wie es viele Russen jedes Jahr über die Feiertage machen. Für den Urlaub haben ihre Eltern viel Geld gespart. „Und jetzt haben sie alles verloren, weil sie haben in Rubel gespart. Nicht in Euro oder Dollar.“
Margarita Kolesnikova geht es ähnlich. Die 23-Jährige hat den Master Europastudien an der Universität Hamburg belegt. Das Leben hier finanzieren ihre Eltern. Doch das wird immer schwieriger. "Für mich wird es immer teurer hier zu leben", sagt Margarita. Und deshalb hat sie auch Zweifel, wie lange sie noch in Deutschland bleiben kann.
"Wenn die Situation noch schlimmer wird, kann ich nicht mehr bleiben und weiter studieren", sagt sie. Die Wirtschaftssanktionen hält sie für falsch. Der Druck von außen bewirke genau das Gegenteil. "Umso mehr die EU versucht, uns zu ändern, umso mehr versuchen wir alles beim Alten zu lassen. Ein Wandel kann nur von innen kommen."
Der massive Druck aus dem Ausland habe dazu geführt, dass die Bevölkerung enger zusammen stehe und auch Putin bei vielen wieder populär sei. Margarita ist gerade von einem Praktikum aus Russland zurück. In den russischen Zeitungen hat sie gelesen, dass die europäischen Sanktionen kein Problem für ihr Heimatland sind. Sogar von einer Chance für die lokalen Hersteller war die Rede.
"Das ist die offizielle Position. Aber wir brauchen dafür Zeit, um unsere Industrie zu modernisieren. Das kann nicht von heute auf morgen passieren, so in einer Minute."
Die Folgen der Sanktionen seien daher gravierender als von vielen Russen erwartet, sagt auch Angelina. Der Vater einer guten Freundin müsse ab Januar Zwangsurlaub nehmen. „Wegen dieser Sanktionen müssen alle Mitarbeiter, in einer Fabrik wo ihr Vater arbeitet, ab Januar Urlaub nehmen für die nächsten drei Monate und der Urlaub wird nicht bezahlt und sie bekommen keinen Lohn, einfach nichts.“ Das sei für viele ihrer Bekannten in Russland ein großes Problem. „Viele Menschen haben Krediten und wenn sie keinen Lohn, kein Einkommen haben, das ist eine Katastrophe.“
Angelina selbst will in Deutschland bleiben. Sie hat gerade ihr Studium abgeschlossen und ihr Visum verlängert. 18 Monate darf sie erst mal bleiben. Sie hatte schon eine Stelle in einer Hamburg Firma, die Pumpen und Getriebe nach Russland exportiert. „Aber mir wurde abgesagt, wegen dieser Krise und dieser Situation mit Währung und Sanktionen.“ Doch sie will es weiter versuchen. "Das ist eine richtige Zeit, das Geld jetzt in Europa zu verdienen.“ Mit dem Geld aus ihrem ersten Job in Deutschland könnte sie auch ihren Eltern in Russland helfen. Zum Original