Jelena Pantić-Panić

Journalistin & Mentorin für Medienfrauen, Wien

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Artikel

Coverstory: Novak, der Große

Von Jelena Pantic

Nach jahrelangen Negativschlagzeilen, in denen Kriegsverbrecher und Kriminelle die Hauptrolle spielten, kann Serbien einen Helden gut gebrauchen. Und da kommt er wie gerufen: Novak „Nole“ Djoković, der beste Tennisspieler der Welt, das Symbol für die Wiedergeburt einer Nation.

Er ist der beste Tennisspieler der Welt. Er ist Weltsportler des Jahres. Er ist Serbe. Er ist einzigartig. 2013 will Novak Djoković das schaffen, was die Tennis-Legende Rod Laver zuletzt 1969 gelang - alle vier Grand Slams gewinnen. Mit seinem Sieg vor Kurzem in Australien hat er dafür den Grundstein gelegt. Das serbische Volk ist unfassbar stolz auf seinen Nole – aus gutem Grund, denn Novak Djoković schafft etwas, was keinem Serben in den letzten 20 Jahren gelungen ist – dem serbischen Volk ein freundliches Image verleihen. Sonst waren die Serben immer die Bösen: schuld an der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, schuld an der Unterdrückung der Kosovo-Albaner, schuld am Balkankrieg und dessen grausamen Kriegsverbrechen.Die Vorurteile nehmen mit den Erfolgen des 25-Jährigen zwar kein sofortiges Ende, aber „Nole“ sorgt mit seinen sportlichen Erfolgen für einen Stimmungswechsel auf dem Serbenbarometer. Zu seinem zwölften Geburtstag regnete es damals Bomben der NATO über Belgrad. Seitdem sieht er nichts im Leben als selbstverständlich an und hat sich eines geschworen: der Welt zeigen, dass es auch gute Serben gibt.

Djoković, der Messias

Der „Djoker“, wie er im Ausland genannt wird, ist weit mehr als nur ein Tennisspieler. Der serbische Tourismusverband bestätigte, dass Djoković als Vermittler zwischen Serbien und der Welt wahrgenommen wird und der ideale Promoter für das Land ist. Für die Menschen unten ist er ein „echter Serbe“, denn er verbirgt seine Herkunft nie. In zahlreichen Interviews erzählte Nole, wie unterstützend das serbische Volk sei, und wie wichtig seine Erfolge nicht nur für ihn selbst, sondern auch für sein Land seien. Nemanja, ein Nole-Fan aus Kragujevac dazu: „Es ist unseren Landsleuten sehr wichtig, dass Djoković ein gesunder Patriot ist.“ Er tanzt den Volkstanz Kolo in Talkshows und sieht es als Aufgabe, seine Nation in gutem Licht darzustellen. „Nole ist so populär, dass sogar sein Name beliebt ist. Ich bekomme regelmäßig ‹Du hast so ein Glück mit diesem Nachnamen!› zu hören“, sagt Nemanja, der ebenfalls Djoković heißt. „Schade, dass du nicht auch noch mit ihm verwandt bist.“

Nole unser
Noles Herz schlägt schon von klein auf für Tennis. 2004 tauchte er auf der ATPTour auf und beendete das erste Jahr auf dem 184 Platz. Sieben Jahre später war er erstmals die Nummer eins der Welt. Spätestens seit dem Sieg mit Serbien im
Davis-Cup 2010, vergleichbar mit einem WM-Titel im Fußball, ist er zum Nationalhelden aufgestiegen. Das Highlight: Nach seinem Triumph in Wimbledon 2011 wurde er von rund 100.000 Fans in seiner Heimatstadt Belgrad empfangen - Freudentränen und Gekreische inklusive. „Ich werde nie vergessen, dass ihr den heutigen Tag zum schönsten meines Lebens gemacht habt. Diese Trophäe widme ich euch, ich widme sie Serbien.“ Mit diesen Worten hat sich Djoković eindeutig zum beliebtesten Serben der Gegenwart gemacht. Man kann zwar nicht behaupten, dass sich vor Djoković kein Serbe für Tennis interessiert hat, die Begeisterung für den Sport ist seit seinen Erfolgen aber in ungeahnte Höhen hochgeschnellt. Das Pensionistenpaar Radisav und Olga Pantović verpasst kein Match. Manchmal wird sogar bis drei Uhr früh angefeuert und mitgefiebert. Nole ist der Grund, warum die 62-jährige Olga nun alle Spielregeln des Tennis kennt. Es wird geflucht und ausgezuckt, aber zum Schluss platzen alle vor Stolz, wenn der Liebling gewonnen hat. Und darauf kann man sich verlassen.

Jugo-Nostalgie
Obwohl er sehr hart trainiert, sich an eine strenge Diät hält und unter hohem Druck steht, merkt man Djoković die Anspannung abseits des Platzes nicht an. Im Gegenteil, der Djoker ist für seinen Schmäh berühmt, gibt stets gut gelaunt charmante Antworten und sorgt mit seinen Blödeleien für Lachkrämpfe, zum Beispiel, wenn er Maria Sharapovas Stöhnen nachäfft. Dank dieser Parodien, wirkt er neben anderen Tennis-Kollegen wie eine willkommene Erfrischung. Und er ist zwar patriotisch aber keinesfalls ultra-nationalistisch, ja selbst dem nostalgischen Traum eines Tito-Jugoslawiens kann Djoković viel abgewinnen. Im Vorfeld der Australian Open twitterte er in Anlehnung an den ehemaligen Staat ein Foto mit anderen Tennisspielern aus Ex-Jugoslawien mit dem Kommentar „Jugoslavija, Jugoslavija, tako je momci!“ (dt.: „Jugoslawien, Jugoslawien, so ist es, Jungs.“) In kroatischen und bosnischen Medien wird er nicht als Ausländer betrachtet. Der Fußballtrainer Miroslav Blažević, bekannt für seinen ausgeprägten Heimatstolz, zeigte sich ebenfalls beeindruck von den Tenniskünsten des sympathischen Serben. Was die Politik nicht schafft, schafft „Djoker“! Der 25-Jährige will Serbien nicht nur würdig repräsentieren, er möchte auch Missstände im Land beheben. Besonders Kinder liegen ihm am Herzen. Djoković ist seit 2011 UNICEF-Botschafter für Serbien und hat auch seine eigene Stiftung ins Leben gerufen, die „Novak Djoković Foundation“. Diese kümmert sich darum, dass ausreichend Kindergärten vorhanden sind und Kinder mit Behinderungen gefördert werden. An der Spitze der wohltätigen Arbeit steht seine Freundin Jelena Ristić, mit der er seit der Schulzeit zusammen ist. Dort wo Lob steckt, ist Kritik nicht weit. Manch einer wirft ihm vor, Serbien nicht finanziell zu unterstützen, sondern steuergünstig in Monaco zu leben. Die Einnahmen aus seinen Prämien würden Serbien wahrlich nicht schaden – doch sobald das nächste Turnier ansteht, sitzt die ganze Nation wieder vor dem Fernseher und jubelt ihrem Novak zu.