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Was wird aus US-Hilfen für die Ukraine?

Bildrechte: Zumapress

Vielen Republikanern geht die US-Hilfe für die Ukraine zu weit. Steigt nach den Midterms ihr Einfluss, hätte das Folgen - nicht nur für Kiew.

Als es einst zum ersten Mal um Unterstützung der Ukraine gegen russische Aggressionen ging, sparten die US-Republikaner nicht mit Pathos. "Wir sind hier, um Ihre gerechte Sache zu unterstützen: das alleinige Recht der Ukraine, frei und unabhängig über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden", rief Senator John McCain im Dezember 2013 Tausenden Demonstrierenden auf dem zentralen Maidan in Kiew zu.

Die damalige US-Regierung unter Barack Obama schwieg sich noch Wochen später über die sich zuspitzende Lage in der Ukraine aus, bis Scharfschützen in Kiew mehr als hundert Protestteilnehmer töteten und die verdeckte russische Invasion in die Ukraine begann. Fast neun Jahre später haben sich die US-Republikaner nicht nur vom konservativ-rationalen Politikstil eines John McCain längst verabschiedet, auch die unbegrenzte Solidarität mit der Ukraine ist passé.

Seit dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine hat die US-Regierung nach Angaben des Außenministeriums etwa 18,2 Milliarden US-Dollar für "Sicherheitshilfen" an das Land ausgegeben und Waffen geliefert - darunter mehr als 1400 "Stinger"- und 8500 "Javelin"-Flugabwehrraketen, mehr als 150 Haubitzen unterschiedlichen Typs und 38 HIMARS-Artilleriesysteme. Hinzu kommen Finanzhilfen sowie humanitäre Unterstützung durch US-Organisationen. Zusammengerechnet gibt das "Kiel Institute for the World Economy" den Umfang der Hilfen mit 52,3 Milliarden Euro an. Im eigenen Land - und vor allem unter den Anhängern der Republikaner - kommt das nur bedingt gut an.


"Kein weiterer Penny" in die Ukraine?

Schon im Herbst stellte das Pew Research Center fest, dass das Betroffenheitsempfinden der US-Amerikaner über eine mögliche Niederlage der Ukraine und über einen möglichen Konflikt zwischen der NATO und Russland stark abgenommen hat: Insbesondere erklärte Anhänger der Republikaner sagten in einer Umfrage, die USA stellten "zu viel" Hilfe für Kiew bereit - 32 Prozent von ihnen sahen das so, während es im März nur neun Prozent gewesen waren.

In weiteren Umfragen vor den Midterms waren für die US-Amerikaner in erster Linie im eigenen Land spürbare Nöte wie die wirtschaftliche Lage von Bedeutung für ihre Wahlentscheidung. Die US-Außenpolitik nannten nur wenig mehr als die Hälfte der Befragten als "wichtigen" Faktor.

Etliche prominente Republikaner schlugen deshalb im Herbst beim Thema Ukraine populistische Töne an: Kevin McCarthy, der bei einem Wahlerfolg bei den Midterms vom Minderheiten- zum Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus werden könnte, kündigte an, es werde künftig keine "Blankoschecks" mehr an die Ukraine geben - das Land könne schließlich nicht das einzige sein, worum die US-Regierung sich kümmere. Andere republikanische Abgeordnete wie Jim Banks aus Indiana griffen die Rhetorik auf. Die für Verschwörungstheorien bekannte Marjorie Taylor Greene polterte: "Unter den Republikanern wird kein weiterer Penny in die Ukraine gehen" - und ging andere Konservative wie Liz Cheney an, die sie für die Äußerung kritisiert hatten.


Finanzielle Hauptlast bei Europa

Schon im Mai hatten bei der Abstimmung des Repräsentantenhauses über ein weiteres Ukraine-Hilfspaket von etwa 40 Milliarden US-Dollar ausschließlich Republikaner dagegen votiert. Die populistische Wende der Partei unter Donald Trump, Corona-Pandemie und Rezession, weltweit spürbare Folgen des Kriegs in der Ukraine wie die Inflation: All das hat die Republikaner dazu bewegt, sich rund um die Midterm-Wahlen noch stärker nach der populistischen Devise "America First" auszurichten.

Zumal der Erfinder des Mottos bei seinen Wahlkampfauftritten die von Russland geschürten Ängste vor einem Nuklearschlag in den Vordergrund stellte: "Wir müssen Verhandlungen für ein friedliches Kriegsende in der Ukraine fordern, sonst finden wir uns im Dritten Weltkrieg wieder und von unserem Planeten wird nichts übrig bleiben - und alles nur weil, dumme Leute keinen Plan hatten", sagte Trump im Oktober vor Anhängern mit Blick auf die amtierende US-Regierung. Biden selbst hatte jedoch Anfang Oktober vor einem nuklearen "Armageddon" gewarnt.

Für die Ukraine wäre ein Ende der US-Unterstützung gegen Russlands fortgesetzte Invasion dramatisch: Schon jetzt bedankt sich die Regierung unter Präsident Wolodymyr Selenskyj stets für jede einzelne Lieferung und wird nicht müde, ihren konstanten Bedarf an Nachschub zu betonen. Denn auch nach jüngsten Erfolgen bei der Rückeroberung annektierter Gebiete ist weiterhin knapp ein Fünftel des Landes von Russland besetzt - und auf Verhandlungen will Selenskyj sich nur mit einem Nachfolger Wladimir Putins einlassen, der nicht in Sicht ist.

Ohne die USA entfiele aber die Hauptlast der Waffenlieferungen auf die europäischen Staaten, unter denen zahlungskräftige Länder wie Deutschland von Anfang an weitaus zögerlicher geholfen hatten als Washington. Und selbst wenn Großbritannien unter Premier Rishi Sunak an seiner Vorreiterrolle als Ukraine-Unterstützer festhält, ist doch unklar, wie er eine Ausweitung der Hilfen dem wirtschaftskrisengeschüttelten britischen Volk vermitteln und finanziell stemmen soll.


Republikaner für fortgesetzte Hilfen

Noch gibt es in der republikanischen Partei aber gewichtige Stimmen, die sich für eine weitere Unterstützung der Ukraine ausgesprochen haben. Mitch McConnell, der Minderheitenführer der Republikaner im Senat, hat die demokratische Regierung sogar wiederholt aufgefordert, mehr Hilfen zu schicken, um das Land durch den Winter zu bringen. Die Senatoren Tom Cotton aus Arkansas und Rick Scott aus Florida stimmten ihm zu, "alles zu tun, was wir können".

Der Texaner Michael McCaul, der als ranghöchster Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses sitzt, hatte schon vor der Invasion außenpolitischen Weitblick bewiesen: Er glaube nicht, dass die USA die nötige Abschreckung gegen Russland bereithielten - "Was ich sehe, sind Vorboten eines Krieges", sagte er im Januar auf CNN, als russische Truppen die Ukraine von drei Seiten umstellt hatten. In der jüngsten Debatte tritt er für weitere Waffenlieferungen an Kiew ein: "Wir müssen ihnen geben, was sie brauchen. Wenn wir ihnen geben, was sie brauchen, gewinnen sie", sagte er und bezog sich damit gar auf ballistische Kurzstreckenraketen, die die USA bislang nicht liefern.

McCaul gab außerdem zu bedenken: Möglicherweise habe sein Parteigenosse McCarthy gar nicht gemeint, die Hilfen sollten zurückgefahren werden. "Ich denke, wenn wir die Mehrheit erlangen, werden Sie mehr Aufsicht und Rechenschaft sehen, was die Finanzierung und die Frage, wo das Geld hingeht, betrifft", sagte er. "Ich finde, der US-Steuerzahler hat das verdient".


McCarthy schränkt Aussage ein

McCarthy selbst präzisierte seine "Blankoscheck"-Aussage später: Er verstehe zwar die Kontroverse nicht, denn es sei doch sinnvoll, wenn jemand der US-Regierung beim Ausgeben der Steuergelder auf die Finger schaue - schließlich habe man horrende Schulden. Aber: "Ich finde die Ukraine sehr wichtig. Ich bin dafür, sicherzustellen, dass wir bei diesem Programm vorankommen, um Russland zu besiegen." Nur eine Carte blanche solle es - "egal wofür" - eben nicht geben.

Wenn nun die Republikaner bei den Midterms reüssieren und die Mehrheit in beiden Parlamentskammern erlangen, könnten sie weitere Gesetzentwürfe für Ukraine-Hilfen blockieren. US-Präsident Biden bliebe dann nur, die Hilfen in unpopulären Dekreten per Handstreich anzuordnen oder seine jeweiligen Entwürfe erheblich abzurüsten. Doch schon eine resultierende Kürzung der US-Hilfen könnte ausreichen, um die Ukraine in Bedrängnis zu bringen.

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