Fabio, was war die größte Herausforderung, als du 2019 deine XO Seafoodbar eröffnet hast?
Fabio Haebel: Schon in den ersten drei Tagen der Recherche wurde klar:
Fisch und Meeresfrüchte aus nachhaltigen Quellen anzubieten, ist richtig
harter Tobak. Anfangs waren wir da ganz schön blauäugig. Wir haben uns
dann aber schnell Experten an die Seite geholt, etwa Sebastian Baier von
Fischfeinkost Baier und Lars von Frisch Gefischt, der uns den Fisch direkt von den Kuttern liefert.
Wissen deine Gäste den Aufwand zu schätzen? Auch in finanzieller Hinsicht?
Wer Nachhaltigkeit will, muss das mitfinanzieren. Es bringt zum Beispiel
nichts, wenn ich die Makrele für 60 Euro einkaufe, damit es dem Kutter
gut geht, meinen Mitarbeitern aber nur Mindestlohn zahle. Unsere
Personalkosten liegen mittlerweile bei 40 Prozent des Umsatzes, 30
Prozent gehen für Lebensmittel drauf und 20 für die Miete, für Fixkosten
und kleinere Reparaturen. Die Gewinnspanne ist also minimal.
Ärgert es dich, wenn sich Gäste über deine Preise beschweren?
Ich würde gerne die Getränkepreise senken und stattdessen die Preise
beim Essen erhöhen. Man zahlt für einen Gin Tonic 15 Euro – zubereitet
von einer ungelernten Kraft, die zwei fertige Zutaten mit Eiswürfeln im
Glas zusammenmischt. Aber für einen Waller aus der Elbe, der fünf Wochen
Dry Aging hinter sich hat und dann von einem vierköpfigen Küchenteam
und zwei Auszubildenden perfekt zubereitet und gegrillt wird, will man
keine 35 Euro hinblättern. Da verliere ich manchmal die Geduld.
Zero Waste ist ein wichtiges Thema bei euch. Zum Beispiel werden
bei jeder Lieferung vom Gut Haidehof auch gleich ein paar Küchenabfälle
für den Kompost mitgenommen.
Das ist gar nicht so leicht, wie man sich das vorstellt. Solche Kreisläufe bedeuten viel Orga. Der Gut Haidehof
bekommt unseren Kaffeesatz, aber Lebensmittelreste wie Karkassen und
ausgekochtes Gemüse kann man nicht einfach so auf den Kompost werfen.
Die landen bei Re-Food, einem Unternehmen aus Hamburg. Für die Hühner
auf dem Gut Haidehof wären unsere Muschelschalen eigentlich perfekt,
weil die voller Kalk sind. Wir kriegen die aber nicht kaputt, da müsste
man mit einem Vorschlaghammer ran.
Wie wichtig ist der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen zum Thema Nachhaltigkeit? Funktioniert das gut in Hamburg?
Könnte gerne mehr sein. Ich habe das Gefühl, dass der eine oder andere
sein Wissen nicht teilt. Das finde ich schade. Zum Thema Fisch und
Nachhaltigkeit tausche ich mich viel mit Jo und Cozy vom Salt & Silver aus. Die waren die ersten in Hamburg, die mit Sebastian Baier zusammengearbeitet haben. Auch mit der Kitchen Guerilla
stehe ich im engen Kontakt. Über die habe ich zum Beispiel Grün
kennengelernt, ein nachhaltiges Geschirrspülmittel für die Gastronomie.
Das haebel und die XO Seafoodbar wurden dieses Jahr beide mit dem
Grünen Michelin-Stern geehrt. Was bedeutet dir die Auszeichnung?
Ich habe mich im ersten Moment wahnsinnig gefreut, auch für mein Team
und die Produzenten, weil wir einen extrem langen und steinigen Weg
hinter uns haben. Dann kam ich aber ins Grübeln, als ich eine Flasche
San Pellegrino im Hintergrund stehen sah: Hat jetzt wirklich Nestlé
diesen Award präsentiert? Ist das ein Marketing-Ding? Nehmen die uns
wirklich ernst? Wir hatten dann aber noch ein langes Feedback-Gespräch
im Anschluss und da ist mir aufgefallen, dass die Interviewer sehr gut
Bescheid wussten über unsere Arbeit.
Dass ich trotzdem stolz auf die Auszeichnung bin, weil das unsere Arbeit nicht schmälert. Das war das erste Mal, dass die Öffentlichkeit von unserer klimafreundlichen Herangehensweise erfahren hat. Manchmal muss man Gutes tun und darüber reden, weil es andere anspornt, sich ein Vorbild daran zu nehmen.
Interview: Jasmin Shamsi trägt Berlin auf der Zunge und Hamburg im Herzen. Als Food- und Kulturjournalistin spürt sie Geschichten aus der bunten Gastrowelt auf oder testet sich durch die kulinarische Vielfalt dieser Stadt.
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