Fisch gehört zu Hamburg wie die Weißwurst zu Bayern. Da unsere Meere nahezu leergefischt sind, sollte man die Delikatesse allerdings maßvoll genießen. Noch besser, wenn man auf entsprechende Siegel achtet und Fisch aus lokalen Quellen bezieht. Thilo Maack, seit 1999 Greenpeace-Aktivist und Meeresexperte, erklärt, wovon wird die Finger lassen sollten, welche Fischarten vom Aussterben bedroht sind und warum Aquakultur alles andere als nachhaltig ist.
Die Meere sind leergefischt, manche Fischarten sogar vom Aussterben bedroht. Was haben wir falsch gemacht?
Thilo Maack: Das größte Problem ist, dass wir mehr Fisch aus den Meeren herausholen, als sich Bestände regenerieren können und dass die Fischerei nicht angemessen kontrolliert wird. Außerdem zerstören viele der legal eingesetzten Fangmethoden die Ökosysteme und richten zum Beispiel am Meeresboden immensen Schaden an.
Die ethische Seite der Antwort muss jede Person für sich selbst beantworten. Aus meeresbiologischer Sicht und mit Blick auf die Auswirkungen der Fischerei kann man aber durchaus zu diesem Schluss kommen. Ich selbst habe mich dazu entschieden, keinen Fisch mehr zu essen. Aus dem einfachen Grund, weil ich (zu) viel über die Fischerei weiß.
Wenn Fisch, dann nur aus lokalen, nachhaltigen oder bio-zertifizierten Quellen. Wir müssen Fisch viel mehr als Delikatesse sehen - und die isst man nur zu besonderen Anlässen.
Die Verpackungen von Fischprodukten aus bio-zertifizierten, regionalen Aquakulturen tragen entsprechende Siegel. Leider kann man dem am weitesten verbreiteten Wildfischerei-Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) nicht komplett vertrauen, weil auch zerstörerische Fischereien damit zertifiziert werden. Die Verkäuferinnen und Verkäufer an den Fischtheken sollten eine gute Beratung geben können, um welche Fischart es sich handelt, wie es dem Bestand geht und welche Fangmethode eingesetzt wird.
In Deutschland betrifft das mehr als 80 Prozent des gehandelten Fischs, der oft eine komplette Weltreise hinter sich hat. Zum Überfischungsproblem kommt damit noch ein satter CO2-Fußabdruck hinzu. Zum Beispiel wird Alaska-Seelachs - zweitliebster Speisefisch auf den bundesdeutschen Tellern - mit meeresbodenzerstörenden Netzen in der See zwischen Alaska und Russland gefangen, an Bord tiefgefroren, nach China zur Weiterverarbeitung gebracht, um dann von dort nach Deutschland exportiert zu werden. Pflanzenfressende Karpfen aus Biozucht in Brandenburg haben da einen deutlich kürzeren Weg.
Das betrifft hauptsächlich fetthaltige Fischarten wie Thun-, Butter- und Schwertfisch, die beim Fang mehrjährig sind und entsprechend Zeit hatten, Blei und Quecksilber anzureichern. Von diesen Arten würde ich sowieso die Finger lassen, weil die Bestände so gnadenlos überfischt sind. Ausnahmen beim Thunfisch sind Produkte, die aus Angelfischereien im Indischen Ozean stammen.
Aktuell sind fast alle Aquakulturen keine Lösung für das Überfischungsproblem. Das Gegenteil ist der Fall, da hauptsächlich Raubfischarten wie zum Beispiel Lachs, Forellen und Doraden gezüchtet werden. Diese Arten sind auf Fischprotein als Nahrung angewiesen. Um diesen Hunger zu stillen, macht sich zum Beispiel jährlich eine riesige Fangflotte vor der Westküste Südamerikas auf, um bis zu sechs Millionen Tonnen Anchovis zu fangen, die zu Fischmehl und -öl verarbeitet werden. Hauptabnehmer sind Norwegen und asiatische Länder.
Bitte keinen Aal kaufen, die Art steht kurz vor dem Aussterben. Auch um die sogenannten Nordseekrabben würde ich einen großen Bogen machen, denn erstens macht die Fangmethode den Nationalpark Wattenmeer kaputt und zweitens haben die „fangfrischen" Krabben bereits eine Reise quer durch die EU nach Marokko und zurück hinter sich. Die Tiere werden dort zu Dumpinglöhnen gepult, zur Konservierung in Benzoesäure getränkt und dann mit LKWs zurück nach Norddeutschland gebracht. Franzbrötchen wären meine Wahl ...