Stephan von Bülow, seit 20 Jahren Manager der Block Gruppe, muss ein Unternehmen mit rund 2.300 Mitarbeiter durch die Krise führen. Warum er auf Entschädigung klagt, was bei der Politik nicht ankommt und wie er sich für seine Mitarbeiter während des Lockdowns einsetzt, erzählt er im Gespräch
Herr von Bülow, Ihr Unternehmen hat bisher keine Corona-Hilfen erhalten. Sie sprechen davon, dass familiengeführte mittelständische Hotel- und Gastronomiebetriebe durch das Raster fielen. Was meinen Sie damit konkret? Warum sind die Hürden für Sie höher?
Lassen Sie mich vorweg sagen: Diese Pandemie haben sich die Politiker natürlich nicht ausgesucht. Dass es für die Bekämpfung dieser Pandemie keine wirtschaftliche Blaupause gibt, ist auch klar. Und dass man in der Nachschau manche Dinge anders gemacht hätte, ist ebenfalls verständlich. Es bleibt bezüglich der Wirtschaftshilfen dennoch das Problem, dass zu viel gut gemeint ist und schlecht gemacht wurde. Und dass man zu wenig bereit ist, nachzujustieren.
Nehmen wir die Block Gruppe als Beispiel: Wir sind ein Unternehmen, das zu Beginn der Pandemie 2.500 Mitarbeiter beschäftigte. Die Grenze für die Überbrückungshilfe I und II lag bei 249 Mitarbeitern, bei einer Bilanzsumme von 43 Millionen und einem Umsatz von 50 Millionen. Mindestens zwei dieser Kriterien mussten erfüllt sein, um die Hilfen beantragen zu können. Dafür sind wir eine Nummer zu groß. Für uns greift stattdessen der Wirtschaftsstabilisierungsfonds - das ist nichts anderes als ein Beteiligungsfonds. Zu einem Familienunternehmen wie unserem passt es meiner Meinung nach nicht, dass der Staat eventuell als Gesellschafter mit am Tisch sitzt und Einfluss auf unsere Geschäfte hat.
Stattdessen haben Sie auf Entschädigung geklagt. Was versprechen Sie sich davon?
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sind durchaus sinnvoll, darüber wollen wir gar nicht diskutieren. Aber wenn man so stark in die Grundrechte eingreift und einen Betrieb von heute auf morgen schließt, muss es dafür auch eine Entschädigung geben. Oder lassen Sie es mich anders formulieren: Die Gesellschaft partizipiert daran, dass das Infektionsgeschehen eingedämmt wird, aber nur wenige kriegen dafür die Rechnung präsentiert - etwa unsere Branche, die Hotellerie und Gastronomie. Diese Pandemie ist nur gesamtgesellschaftlich zu bekämpfen. Die Kosten und Lasten müssten also auf alle Branchen gleichmäßig verteilt werden.
Wie massiv ist ihr Unternehmen betroffen?
Wir haben im Jahr 2020 eine zweistellige Millionensumme Verlust gemacht. Abgesehen vom Kurzarbeitergeld - für das wir im Übrigen auch viele Jahre eingezahlt haben - und der Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent auf Speisen in der Gastronomie, die uns tatsächlich geholfen hat, haben wir bisher nur marginale Steuerrückzahlungen erhalten. Das war's aber auch schon. Und die Novemberhilfen sind im Übrigen so komplex gestaltet, dass selbst Profis keinen Durchblick haben.
Anfang des Jahres haben Sie den Gastgeberkreis ins Leben gerufen. Warum?
Mit dem DEHOGA haben wir einen guten Verband, der hartnäckig Lobbyarbeit in Berlin betreibt. Trotzdem haben wir als Gastronomen den Eindruck, dass manche Themen nicht so richtig bei den Politikern ankommen. Auf fachlicher Ebene schon, auf emotionaler Ebene aber nicht. Wir haben beispielsweise so viele Studenten, die bei uns als Aushilfen gearbeitet haben und jetzt völlig mittellos dastehen, weil sie kein Kurzarbeitergeld bekommen. Oder alleinerziehende Mütter, die sich auf 450-Euro-Basis was dazuverdienen und von einem auf den anderen Tag ohne Einkommen dastehen, weil auch sie keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Aus diesem Grund ist die Initiative Gastgeberkreis mit über 100 Mitgliedern entstanden. Wir möchten die breite Öffentlichkeit mit Einblicken aus unserem Alltag dafür sensibilisieren, was uns bewegt und was die Schließungen für unsere Beschäftigten auch mental bedeuten.
Mit den Kampagnen „Bar war gestern" und „Du bist Koch/Köchin und suchst einen sicheren Job?" haben die Discounter Lidl und Aldi versucht, Mitarbeiter aus dem Gastgewerbe für den Einzelhandel zu gewinnen.
Ich finde es eine moralische und ethische Entgleisung, die da stattgefunden hat. Das macht man einfach nicht: einer Branche nachzutreten, die schon am Boden liegt und ihr mit markigen Werbesprüchen auch noch die Mitarbeiter abzuwerben. Das ist nicht akzeptabel und im höchsten Maße unsolidarisch. Im Zuge der Corona-Krise sind uns rund 300 Mitarbeiter verloren gegangen. Wir haben viel in sie investiert und ein gutes persönliches Verhältnis zu ihnen.
In Zeiten von Fach- und Nachwuchsmangel ist ein Verlust von Mitarbeitern sicherlich schwer verkraftbar. Lidl und Aldi werben mit sicheren Jobperspektiven. Was können Sie Ihren Mitarbeitern bieten, um sie bei der Stange zu halten?
Ich versuche, unsere Mitarbeiter in Ihrem persönlichen Lebensumfeld abzuholen und mich in sie hineinzuversetzen: Wie bringt man Struktur in den Tagesablauf, wenn nicht abzusehen ist, wann die Restaurants wieder öffnen dürfen? Das Trinkgeld fällt weg, was für viele Familien ein heftiger Einschnitt bedeutet. Vor allem in Großstädten, wo das Leben teuer ist. Von 60 Prozent des Gehalts zu leben, geht einfach nicht. Also stocken wir die Gehälter auf. Wir versuchen die Bindung zu halten wo es nur geht - auch wenn das leider nicht immer möglich ist.
Mehr Hintergrundinfos in der neuen Folge des Podcasts „ Einmal alles, bitte! ".
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