Jasmin Shamsi

Journalistin, freie Autorin - Hamburg

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P wie Pandemie und Plastikmüll

In Zeiten des Lockdowns heißt es: Support your local Gastro. Das geht aktuell am besten, in dem man die zahlreichen Take-away- und Lieferservices unterstützt. Diese Rechnung geht auf: So hat sich beispielsweise laut Lieferando die Zunahme des Bestellvolumens in Deutschland seit Ausbruch der Pandemie um 38 Prozent erhöht. Dass sich gleichzeitig auch die Berge an Verpackungsmüll verdoppelt haben, ist wiederum besorgniserregend.


Die Klimakrise ist zwar aktuell aus dem Fokus der Medien geraten, aber natürlich noch längst nicht gelöst. Im Hintergrund läuft der Kampf gegen die Umweltverschmutzung weiter: 2019 hat das Europäische Parlament für ein Verkaufsverbot von Einwegprodukten aus Plastik gestimmt. Ab dem 3. Juli 2021 tritt die Verordnung jetzt auch in Deutschland in Kraft. Der Verkauf von Wegwerfartikeln aus Kunststoff, für die es gute Alternativen gibt, ist ab kommendem Sommer strikt verboten. Das betrifft zum Beispiel Plastikbesteck und -teller, Strohhalme, Rührstäbchen oder auch Styroporbecher und -behälter.


Müll vermeiden durch Wiederverwendung


Was sind denn gute Alternativen? Gibt es die schon für die Gastronomie? Und: Wie kriegt man die kritische Masse überzeugt? Umweltberater bei der Verbraucherzentrale Tristan Jorde ist ein Befürworter von Mehrwegsystemen. Vor allem, wenn sie auf lokaler Ebene stattfinden. Allerdings werden von Seiten der Gastronomen wie auch Kunden immer wieder hygienische Bedenken laut. Ist Einweggeschirr aber tatsächlich die sicherere Lösung angesichts einer drohenden Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus? Tristan Jorde meint Nein. Wenn man die Theke als Grenze sehe, sei eine Hygiene-Barriere gewährleistet. Je nach Häufigkeit der Wiederverwendung seien Mehrwegverpackungen sogar ressourcenschonender und günstiger als Wegwerfgeschirr.


Könnte eine Etablierung von Mehrwegsystemen also die Zukunft sein? Tristan Jorde glaubt Ja. Er bezieht sich dabei auf die sogenannte Abfallhierarchie - Müllvermeidung, Wiederverwendung, Recycling, Verwertung, Beseitigung - als Teil des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, das für die gesamte EU gilt und gefördert werden soll. In Hamburg gibt es aktuell zwei Mehrwegsysteme, die sich durchgesetzt haben: Rebowl und Vytal. Die wiederverwendbaren Schalen von Rebowl werden gegen ein Pfand von 5 Euro befüllt. Anschließend kann man sie überall da wieder abgeben, wo Lokale mit dem Anbieter zusammenarbeiten. Vytal wiederum kommt ganz ohne Pfand aus und bietet stattdessen eine App, in der man sich als Kunde registriert und zwei Wochen Zeit hat, den ausgeliehenen Behälter zurückzubringen.


Recyclingquote in Deutschland irreführend

Was passiert aber mit wiederverwendbaren Boxen, die beschädigt sind und daher entsorgt werden müssen? Laut Rebowl und Vytal können ihre Behältnisse mindestens 200 Mal genutzt werden. In beiden Fällen bestehen sie aus recycelbarem Kunststoff beziehungsweise Polypropylen. In gereinigtem Zustand kommen die beschädigten Gefäße in den Gelben Sack, erklärt der Umweltberater. Sind sie allerdings mit Speiseresten verunreinigt, gehören sie in den Hausmüll. Was die Verwertungsdaten vom Gelben Sack betrifft, hat Jorde allerdings keine guten Neuigkeiten: In Hamburg gebe es dazu kaum Hinweise, da das Recycling von privaten Dienstleistern durchgeführt werde. Das sei auch der Grund, warum man die offiziellen Recyclingquoten von 40 bis 50 Prozent mit Vorsicht genießen solle. Diese würde nur angeben, wie viel Verbundstoffe beim Recycler landeten, nicht aber, was letzterer mit ihnen machte.


Vereinheitlichung von Mehrwegsystemen

Nichtsdestotrotz bleibt Jorde von der Mehrweglösung mit Blick auf das großen Ganze überzeugt. Seiner Meinung nach stehe und falle der Erfolg entsprechender Systeme mit ihrer Vereinheitlichung. Im Idealfall müsse der Kunde nicht darüber nachdenken, ob und wo er die Behälter abgeben kann. In erster Linie sieht Jorde den Gesetzgeber in der Pflicht - was aber nicht bedeutet, dass die Branche unterdessen nicht auch selbst aktiv werden kann. So schlägt der Umweltberater beispielsweise vor, dass Interessenverbände wie der DEHOGA, der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, und die Handelskammer freiwillige Vereinbarungen treffen und Empfehlungen aussprechen, an denen sich die Branche dann orientieren kann - idealerweise über Hamburgs Stadtgrenzen hinweg. Oder man könnte, wie in Mannheim geschehen, die Wirtschaftsförderung der Stadt Hamburg mit ins Boot holen und ein Förderprogramm auf die Beine stellen, dass Gastronomen finanziell darin unterstützt, sich an einem einheitlichen Mehrwegsystem zu beteiligen. So oder so: Ab 2023 sollen Gastronomen dazu verpflichtet werden, für ihr To-Go-Angebot auch Mehrwegbehälter anzubieten. Das hat das Bundeskabinett am 20. Januar 2021 beschlossen.


Mehr Hintergrundinfos in der neuen Folge unseres Podcasts „ Einmal alles, bitte! ".

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