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Immobilien: Bürokratiemonster vor der Tür

Ab 2015 gilt die Mietpreisbremse. Eigentlich soll sie Wohnen in Ballungsräumen bezahlbar machen. Doch Ausnahmen und Unklarheiten machen das Gesetz kompliziert. Ein Überblick.

Bezahlbarer Wohnraum für alle, so lautete eines der wichtigsten Versprechen vor der Bundestagswahl vergangenen September. Ein Jahr später ist die Bundesregierung diesem Ziel einen Schritt näher gekommen: Am Mittwoch verabschiedete das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf zur Mietpreisbremse. “Mietpreissteigerungen um 20, 30 oder 40 Prozent wird es so nicht mehr geben bei Wiedervermietungen. Und in Zukunft wird derjenige den Makler bezahlen, der ihn auch bestellt”, erklärte Justiz- und Verbraucherminister Heiko Maas die beiden Neuregelungen.

Auf angespannten Wohnungsmärkten sollen die Mieten für privaten Wohnraum in Bestandsgebäuden ab 2015 nach oben gedeckelt werden. Sie dürfen dann maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Neubauten sind von der Mietpreisbremse ausgenommen.

Was auf den ersten Blick nach einer guten Initiative für leidgeplagte Wohnungsssuchende klingt, birgt bei näherem Hinsehen Nachteile sowohl für Mieter als auch für Vermieter und Bauherren.

Die Länder entscheiden selbst

Grundsätzlich soll die Mietpreisbremse Wohnungsknappheit begrenzen und Menschen mit geringerem Einkommen entlasten. “Durch die Deckelung der Mieten entsteht keine einzige neue Wohnung”, kritisiert Hans-Joachim Beck, ehemaliger Richter am Finanzgericht Berlin-Brandenburg und Rechtsexperte des Immobilienverbands IVD. Eine allgemeine Wohnungsknappheit gebe es in Deutschland gar nicht. Tatsächlich ist die Lage in Metropolen wie Hamburg, Berlin oder München vor allem in den Szenevierteln angespannt. Besserverdienende sind bereit, für das Szenegefühl höhere Mieten zu zahlen – sie erzeugen damit zwar einen Nachfrageüberhang, aber der treibt die Mieten nicht überall. Wenige Straßenzüge weiter sind Wohnungen meist einfacher und günstiger zu haben.

Auch ob die Neuregelung Einkommensschwachen hilft, ist fraglich. Lars Leuschner, Professor für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht an der Universität Osnabrück ist überzeugt, dass Vermieter, die Geld verdienen wollen, immer auf die Bonität ihrer Mieter achten werden. “Hier bleiben jedoch einkommensstärkere Interessenten weiterhin im Vorteil”, schreibt Leuschner in einem Aufsatz.

Die Bundesregierung überlässt es den Ländern, den lokalen Markt zu regulieren. Immerhin müssen die zunächst ihre Hausaufgaben machen und analysieren, ob die Lage wirklich kritisch ist: Als angespannt gilt ein Wohnungsmarkt laut Gesetzentwurf dann, wenn die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt, die Mietbelastung der Haushalte im Vergleich zum Rest der Republik höher ist, die Bevölkerung stärker wächst als Neubauten entstehen oder niedrige Leerstandsquoten vorherrschen.

Die Bundesländer müssen diese Kriterien zunächst prüfen und darüber hinaus Wohnungsbaukonzepte erarbeiten, bevor sie eine Mietpreisbremse verabschieden können. Weil das einige Zeit in Anspruch nehmen kann, ist die Mietpreisbremse bis maximal 2020 angesetzt. “Wir wollen, dass die Regelung bis dahin jährlich evaluiert wird, um sicherzugehen, dass sie wirklich notwendig ist”, sagt IVD-Bundesgeschäftsführerin Sun Jensch.

Rechtliche Unsicherheiten

Auch die Ausgestaltung der Mietpreisbremse ruft Kritiker auf den Plan. Mietverträge, die vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden, sind von der Neuregelung ausgenommen. Das gilt auch für vorher vereinbare Staffel- und Indexmietverträge. Als Vergleichsgrundlage für Bestandsmieten sollen ortsübliche Vergleichsmieten und Mietspiegel herangezogen werden.

“Viele private Vermieter wissen gar nicht, wie eine ortsübliche Vergleichsmiete überhaupt ermittelt wird”, so Jensch. Auch Mieter kennen sich bei dem Thema oft nicht aus. Die IVD-Geschäftsführerin kritisiert den Aufwand, die Kosten für mindestens drei Objekte gleicher Größe in einer vergleichbaren Lage zu ermitteln und dann mit der Miete für die angebotene Wohnung zu vergleichen. Der Vermieter muss diese Daten ebenso wie alte Mietverträge aufheben, um sie späteren Mietern zugänglich machen zu können. Rechtsexperten sind hier bereits um den Datenschutz besorgt.

Stark kritisiert wird vor allem die Ausnahmeregelung für Neubauten, bei denen die Mietpreisbremse bei der ersten Vermietung nicht greift. Die Regierung will so dafür sorgen, dass weiter gebaut wird. Für Lars Leuschner greift das zu kurz: “Die Attraktivität der Investitionen in Neubauten wird auch dadurch bestimmt, in welchem Umfang es langfristig möglich ist, die Miete zu erhöhen.” Die Mietpreisbremse beschneide die Renditechancen der Investition, während die Risiken wie Mietausfall oder steigende Instandhaltungskosten unverändert blieben.

Renovieren lohnt sich kaum mehr

Verschont werden auch umfassend modernisierte Wohnungen. Dazu müssen die elektrischen Leitungen erneuert, das Haus gedämmt oder die Heizanlage ausgetauscht werden. Als umfassend modernisiert gelten Wohnungen, in denen die Baumaßnahmen mindestens ein Drittel der Neubaukosten betragen haben. IVD-Geschäftsführerin Jensch befürchtet, dass als Folge bald kaum mehr renoviert wird: “Kleinteilige Maßnahmen lohnen sich dann nicht mehr. Der Bestand wird veralten”, kritisiert sie.

Größere Sanierungsmaßnahmen können unabhängig von der Mietpreisbremse zwar weiterhin bis zu elf Prozent auf die Mieter umgelegt werden. Justizminister Maas hat aber schon ein Projekt für das nächste Frühjahr: Er will die Grenze bei 10 Prozent ziehen und die Mietpreisbremse greifen lassen, sobald sich die Sanierungskosten amortisiert haben. Die Kritiker laufen sich schon warm.


Maklerkosten – wer bestellt, bezahlt

Neben der Mietpreisbremse führt die Regierung das Bestellerprinzip für Maklerverträge ein: Ab 2015 zahlt derjenige, der den Makler beauftragt hat. Bisher erteilte meist der Vermieter den Maklerauftrag, während der Mieter die Rechnung zahlen muss. Die Branche befürchtet durch die Neuregelung Umsatzeinbrüche, weil Vermieter jetzt lieber selbst einen Mieter suchen statt Courtage zu zahlen. Der Branchenverband will eventuell vor dem Bundesverfassungsgericht klagen: “Wenn das Gesetz so kommt, prüfen wir den Weg nach Karlsruhe”, sagt IVD-Bundesgeschäftsführerin Sun Jensch.

 

erschienen in €uro am Sonntag 40/14

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