1 Abo und 3 Abonnenten
Artikel

Krankenversicherung: Heilung fern der Heimat

Quelle: Flickr

Wer beruflich oder privat für längere Zeit ins Ausland will, muss sich in der Regel zusätzlich absichern und sollte das Kleingedruckte seiner Police lesen. Ein Überblick.

Auslandsjahr, Sabbatical, Entsendung: Mehrere Hunderttausend Deutsche verbringen mehr als nur ein paar Urlaubswochen pro Jahr im Ausland. Während sich die Ferien mit einer Auslandsreisekrankenversicherung schnell und günstig versichern lassen, tun sich bei einem monate- oder jahrelangen Aufenthalt mehr Fragen auf.
Welcher Krankenschutz nötig ist, hängt von der Dauer des Auslandsaufenthalts ab und davon, ob Deutschland mit dem Zielland ein Sozialversicherungs­abkommen hat. €uro am Sonntag gibt einen Überblick, worauf angehende Expats je nach Beschäftigungsverhältnis und Versicherung achten sollten.

Festangestellte(r)/gesetzlich versichert

Im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), also in der EU, in Island, Norwegen, Liechtenstein und in der Schweiz können gesetzlich Versicherte ihre Europäische Krankenversicherungskarte EHIC nutzen, die sie auf der Rückseite der Versichertenkarte finden. Sie sichert eine Basisversorgung. Aber: "Auch bei ­ Vorlage der EHIC muss sich der Versicherte in vielen Fällen ­zunächst auf eine Kostenübernahme vor Ort einstellen", sagt Franz-Peter Kampmann von der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA). Die Kosten kann er sich von seinem Arbeitgeber erstatten lassen. Denn der hat seinem Angestellten gegenüber eine Fürsorgepflicht, wenn er ihn ins Ausland entsendet - egal wohin, so steht es im Sozial­gesetzbuch (SGB V, Paragraf 17).
Der Arbeitgeber muss sich die Kosten bei der Krankenkasse des Versicherten zurückholen. "Die Krankenkasse hat dem Arbeitgeber die Kosten bis zu der Höhe zu erstatten, in der sie ihr im Inland ­ entstanden wären", heißt es im Sozialgesetzbuch. Alles darüber hinaus muss der Arbeitgeber selbst tragen, wenn er nicht vorgesorgt hat.
"Es ist im Gesetz ausdrücklich so geregelt, dass der ­Arbeitgeber die Kostenerstattung durch die Kasse nicht auf den Versicherten abwälzen kann", sagt Kampmann. Diese Regelung gilt auch für Ehepartner und Kinder, die den Mitarbeiter begleiten oder besuchen, sofern sie bei ihm familienversichert sind.
Außerhalb Europas bietet die deutsche gesetzliche Krankenversicherung keinen Schutz. Es muss also eine eigene Police von einem privaten Anbieter her.
Hier lohnt sich der Blick ins Kleingedruckte: Leistungen für Vorerkrankungen werden meist ausgeschlossen oder es gibt Wartezeiten. Damit vermeiden Versicherte, dass etwa Schwangere oder Patienten mit Zahn­leiden sich schnell noch versichern, um Leistungen in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus gibt es bei vielen Versicherern ein Höchstaufnahme­alter oder eine Summenbegrenzung für Behandlungen.
Heimatbesuche sind in der Regel versichert. Wie lang Versicherte dann zu Hause bleiben dürfen, ist von Police zu Police verschieden. Der Vertrag sollte noch in Deutschland abgeschlossen werden. Einige Ver­sicherer verweigern die Aufnahme, wenn man den Antrag erst nach Abreise stellt.
"Versicherte sollten prüfen, ob es sich um eine Gruppenversicherung handelt", sagt Thomas Adolph, Chef der Finanz- und Wirtschaftsberatung AFW in Frankfurt. In diesem Fall schließt der Versicherer einen Vertrag mit dem Versicherungsnehmer und handelt mit ihm die Bedingungen aus. Prüfen sollte man, ob die Versicherung die Bedingungen nachträglich ändern oder sich weigern darf, den Vertrag nach Ende des Versicherungsjahres fortzuführen.

Freiberufler(in)/gesetzlich versichert

Wer selbstständig ist oder sich für einen längeren privaten Auslandsaufenthalt entscheidet, muss sich selbst um eine Absicherung kümmern. Grundsätzlich gilt auch hier, dass die EHIC in der EU, im EWR und in der Schweiz Standardbehandlungen absichert. "Aber Achtung: Diese entsprechen häufig nicht den in Deutschland üblichen Leistungen", sagt Christine Göpner-Reinecke von der AOK.
Versicherte können die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland freiwillig fortführen und sich zusätzlich ­privat absichern. Manche Krankenkassen kooperieren mit ­Versicherungen, so etwa die Barmer GEK mit der Huk Coburg. Das kann sich für Aufenthalte von bis zu einem Jahr lohnen, weil diese Tarife tages­genau abgerechnet werden.
Im außereuropäischen Ausland greift die GKV nicht. "Der Betroffene muss sich entweder im jeweiligen Land entsprechend dem dortigen Sozialversicherungssystem oder über eine private deutsche Auslandsver­sicherung absichern", erklärt Michael Ihly von der Techniker Krankenkasse. Private Versicherer bieten Jahres- und Mehrjahrestarife. Die meisten gelten für bis zu fünf Jahre, wobei die Versicherung bei vorzeitigem Reiseabbruch früher beendet werden kann. In diesem Fall ist es sinnvoll, die gesetzliche Krankenversicherung zu kündigen oder ruhen zu lassen. Mit dem Tag der Heimkehr haben Versicherte nach aktueller Gesetzeslage ein Recht auf Rückkehr in die vorher genutzte Krankenkasse. Versicherte können allerdings vor ihrer Abreise bei der gesetzlichen Kasse eine Anwartschaft beantragen, dann muss sie ihn wieder aufnehmen - selbst wenn er zwischenzeitlich privat versichert war. Für die Pflegeversicherung lohnt sich das auf jeden Fall, um die Leistungsansprüche zu sichern.

Festangestellte(r)/privat versichert

Privat Versicherte, die ins Ausland entsandt werden, sollten die Krankenversicherung mit ihrem Arbeitgeber abstimmen. "Private Krankenversicherungen können mittlerweile EU-weit uneingeschränkt fortgeführt werden", sagt Thomas Adolph. Oft gilt das auch für EWR-Staaten, hier lohnt sich ein Blick in die Bedingungen der Krankenpolice.
Manche Verträge enthalten Klauseln für die weltweite Versorgung. Versicherte sollten ihren Vertrag aber genau lesen, weil die Leistungen je nach Land und Versicherung variieren können. Deckt der heimische Vertrag das Zielland nicht ab, rät der Verband der Privaten Krankenversicherer, eine separate Versicherung für die gesamte Dauer des Aufenthalts ­abzuschließen. Bleibt man überraschend doch länger, kann die Versicherung vom Ausland aus verlängert werden, solange der Vertrag noch läuft und die Höchstversicherungsdauer des Tarifs nicht überschritten ist.
Wer nach Deutschland zurück­ will, sollte seine deutsche private Versicherung nicht kündigen, sondern eine Anwartschaft beantragen. So lassen sich Gesundheitsprüfungen und eventuelle Leistungsanpassungen zum eigenen Nachteil vermeiden.

Freiberufler(in)/privat versichert

Hier gilt im Grunde das Gleiche wie für angestellte privat Versicherte: Freiberufler sollten ihren Vertrag prüfen, ob und in welchem Umfang die Versicherung längere Auslandsaufenthalte absichert. Wer zurück nach Deutschland will, sollte eine Anwartschaftsversicherung abzuschließen, um in den alten Vertrag zurückkehren zu können. Wer sich im Ausland zur Ruhe setzen will, sollte mit seinem deutschen Versicherer verhandeln und keine Auslands­police abschließen: "Die deutsche private Versicherung ist mit ihrem hohen Leistungs­niveau und den Alterungsrückstellungen meist die beste dauerhafte Lösung", so Adolph.

erschienen in €uro am Sonntag 49/2015









Zum Original