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Bei Angststörungen kann eine Verhaltenstherapie helfen

Es gibt unterschiedliche Arten von Angststörungen. Betroffene können aber häufig selbst etwas dagegen tun. Foto: imago

Essen. Rund 15 Prozent der Deutschen leiden unter starken Ängsten. Aber es gibt verschiedene Phobien, einige können sogar einen chronischen Verlauf nehmen.

Angst gehört zu uns. Sie beschützt uns. Sie lähmt uns. Wir brauchen sie, um zu flüchten, zu kämpfen oder eben um zu vermeiden. Doch es gibt Ängste, die viele Menschen nicht vor Unheil bewahren, sondern sie gerade ins Unheil stürzen. Angststörung ist der Oberbegriff für ganz unterschiedliche Erkrankungen.

Rund 15 Prozent der Deutschen leiden laut einer Studie „zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland" (DEGS) unter krankhaften Ängsten, davon die meisten unter einer spezifischen Phobie. „Das sind aber in der Praxis nicht die meisten Betroffenen, die Hilfe suchen", sagt die Diplompsychologin und Psychologische Psychotherapeutin Heike Junge von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL Uniklinikums Bochum. Phobien, wie eine Spinnenphobie, treten punktuell auf, wenn die Betroffenen dem Subjekt ausgesetzt sind. „Das schränkt die Menschen in ihrem Leben meist nicht so sehr ein, dass sie meinen, es therapieren zu müssen", sagt Heike Junge.

Zwischen fünf Arten der Angststörung kann grob unterschieden werden: spezifische Phobie, Agoraphobie, soziale Phobie, Panikstörungen und generalisierte Angststörung.

Spezifische Phobie

Bei der spezifischen Phobie steht die Angst vor zum Beispiel Dunkelheit oder Spritzen im Vordergrund. Die Betroffenen versuchen, die Situation zu umgehen.

Agoraphobie und Panikstörung

Die Agoraphobie zeigt ein sehr hohes Vermeidungsverhalten. „Sie tritt oft zusammen mit der Panikstörung auf", sagt Heike Junge. Die Menschen fühlen sich extrem unwohl an Orten, von denen sie bei Panik nicht schnell genug flüchten oder in peinliche Situationen geraten könnten. Die Angstgefühle werden immer stärker mit der Situation gekoppelt, so dass immer mehr Orte und Situationen gemieden werden - aus Angst vor der Angst.

Der Fokus bei den Menschen ist dann nicht mehr: „Wo gehe ich hin, weil ich dort hin will?" Der Fokus lautet vielmehr: „Welcher Ort ist ein sicherer Ort für mich, welcher ein vermeintlich nicht sicherer?" Die große Befürchtung sei die Angst vor dem Kontrollverlust, sagt die Psychologin. Gerade weil die körperlichen Symptome durch die Angst auch fehlgedeutet werden und man sich zudem in der Öffentlichkeit nicht die Blöße einer Panikattacke geben will. Körperliche Symptome bei einer Panikattacke, das sind unter anderem Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Zittern, Schwindel oder Übelkeit.

Soziale Phobie

Auch bei der sozialen Phobie steht das Vermeiden von angsterfüllten Situationen im Vordergrund. „Die Angst, sich vor anderen lächerlich zu machen, abgewertet zu werden", so beschreibt Heike Junge das Bild dieser Phobie. Die Betroffenen ziehen sich immer mehr zurück, vermeiden Gesellschaften und entwickeln oftmals Depressionen durch den sozialen Rückzug.

Generalisierte Angststörung

Zu einem fast ständigen Angstgefühl führt eine generalisierte Angststörung. Die Symptome sind nicht auf bestimmte Situationen begrenzt, sondern sind handfest oder auch diffus immer irgendwie da. „Die Betroffenen beschäftigen sich sehr stark mit Befürchtungen, die in der Zukunft liegen - aber auch in täglichen Dingen des Lebens", so Junge.

So entsteht Angst im Gehirn

Das große Problem: Die ganzen „Sorgenwolken" werden nicht zu Ende gedacht. An der Stelle, an der vielleicht ein lösender Gedanke dazukommt, springen die Gedanken wieder zu der nächsten Sorge. So bauscht sich eine unüberwindbare Masse an Sorgen auf, die für den Betroffenen zu purem Stress führen. „Das sind teilweise Stunden am Tag, mit denen sie mit dem Sorgenmachen beschäftigt sind." Hier setzen dann auch die körperlichen Symptome an. Eine ständige Anspannung führt zum Beispiel zu Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, aber auch zu Schwitzen und Herzrasen.

Das Fatale an Angsterkrankungen: Sie nehmen häufig einen chronischen Verlauf. „Die spontane Heilung liegt bei nur bei 20 Prozent", sagt die Psychologin. Zudem ist es wahrscheinlich, dass sich andere Störungen hinzugesellen oder dass sich weitere Ängste entwickeln.

Verhaltenstherapie

Die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie ist bei Angststörungen die Therapie der Wahl. „Vielen helfen aber auch vorab schon gute Selbsthilfebücher", so Junge. Ab wann die Hilfe von Experten nötig ist, ist schwer zu beziffern. Es gibt nicht das eine Symptom, das ausschlaggebend ist. „Wenn die Angst zu starken Einschränkungen im Alltag führt, dann sollte man sich helfen lassen", sagt Heike Junge.

Mit Hilfe einer guten Mischung aus Ablenkung und Durchleben können Betroffene sich auch selbst helfen. Ablenken sei jedoch nicht förderlich, wenn dabei die Bewältigung und das Erlebnis der Bewältigung nicht wirklich wahrgenommen werden. Die Psychologin gibt ein Beispiel: „Wenn ich Angst habe, mit dem Auto durch einen Tunnel zu fahren, dann kann es helfen, wenn ich mich der Situation stelle, aber in der Situation gewisse Ablenkungsstrategien entwickle." Es kann helfen, positive Selbstgespräche zu führen oder seine Atmung bewusst zu kontrollieren. „Wichtig ist immer, dass das Gefühl von Kontrolle zurückkehrt."

Janna Cornelißen

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