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Borderline-Störung - gefangen zwischen Schwarz und Weiß

Wer unter einer Borderline-Störung leidet, lebt sein Leben vor allem in Schwarz und Weiß. Er wechselt zwischen zu Tode betrübt und himmelhochjauchzend. Foto: Joachim Kleine-Büning/WAZ FotoPool

Bochum. Bei einer Borderline-Störung fehlen den Betroffenen die Graustufen. Sie wechseln zwischen extremen Stimmungen, zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Das kann gefährlich werden, weil diese Menschen auch viel riskieren. Erste Symptome zeigen sich oft schon in der Jugend, doch eine Diagnose ist nicht immer einfach. Hilfe gibt es unter anderem im LWL-Klinikum Bochum.

Borderline-Störung ist ein Begriff, den der Neurologe und Psychiater Professor Martin Brüne nicht gerne hört. „Er stammt aus einer Zeit, als man noch davon ausging, dass diese Persönlichkeitsstörung ein Zwischending von psychotischem und neurotischem Verhalten ist." Grenzgänger also zwischen zwei Extremen. Der Mann vom LWL-Universitätsklinikum Bochum bevorzugt die Bezeichnung „Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung". Von himmelhoch jauzend - und dann zu Tode betrübt.

Die Störung zeigt sich in den unterschiedlichsten Facetten, eines ist jedoch klar zu erkennen: Die Emotionen und das nach außen ersichtliche Verhalten schwanken enorm. „In einem Moment ist zum Beispiel der eigene Partner ganz toll, er wird idealisiert, im nächsten Moment wird er wieder entwertet", so Brüne. Genauso kann es sich mit der Wahrnehmung des eigenen Selbst verhalten. Die Patienten mögen sich selber nicht mehr, manche verletzen sich, manche gehen soweit, dass sie versuchen, sich das Leben zu nehmen.

Die Symptome

Die Abgrenzung gegen andere psychische Störungen ist nicht immer leicht. Die Übergänge seien oft fließend. So erinnert das Gefühl der inneren Leere an Depressionen, die starken emotionalen Schwankungen an eine manisch-depressive Erkrankung. Was die Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung aber ausmacht, ist das ausgeprägte Schwarz-Weiß-Denken.

„Es fehlen die Grautöne - und das macht das Leben der Betroffenen so schwer", sagt Martin Brüne. Menschen mit dieser Störung gehen oft hohe Risiken ein. Sei es finanzieller Art, sexueller, oder waghalsige Autofahrten, die auch schiefgehen können. Das Leben gleicht einer anstrengenden Achterbahnfahrt, die nie so richtig enden will.

Beziehungen scheitern, weil der Partner oder die Partnerin den Wechsel zwischen Wutausbrüchen und dem hohen Bedürfnis nach inniger Nähe nicht mehr aushält. „Es gibt Patienten, die ertragen es nicht, wenn die Bezugsperson nicht körperlich anwesend ist", sagt Psychiater Brüne. Viele Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung haben panische Angst davor verlassen zu werden, provozieren aber - unabsichtlich - eine Trennung. So entsteht ein Teufelskreis, der sich immer weiter verselbstständigen kann.

Der Krankheitsverlauf

Erste Symptome entwickeln sich schon oft in der Jugend. Besonders ausgeprägt zeigt sich das Krankheitsbild im frühen Erwachsenenalter. Die Stärke der Symptome nimmt mit zunehmendem Alter eher ab. Jugendpsychiater und Psychologen warnen jedoch davor, die Diagnose schon während der Pubertät zu stellen. Zu hoch sei das Risiko einer Fehldiagnose, wenn einfach nur die pubertären Hormone auffälliges Verhalten hervorbringen.

Die Ursache für die Entwicklung einer Emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung liegt in sehr vielen Fällen in so genannten frühkindlich negativen Erfahrungen. „Studien zeigen, dass etwa zwei Drittel der Patienten in der Kindheit vernachlässigt wurden oder Missbrauch erlebten", sagt Martin Brüne. Bezugspersonen, die sich emotional abwenden, legen den Grundstein für eine Erwartungshaltung der Kinder, dass sie niemandem trauen können.

Die Therapie

Die Therapie stützt sich in den allermeisten Fällen auf einen verhaltenstherapeutischen Ansatz. „Großen Erfolg haben wir mit der dialektisch-behavioralen Therapie, kurz DBT", sagt Brüne. Diese Standardtherapie soll eingefahrene Verhaltensmuster aufweichen. Nach einem ambulanten Erstgespräch wird je nach Schweregrad der Störung entschieden, ob eine ambulante Therapie ausreicht, oder der Betroffene stationär aufgenommen wird.

„Das hängt auch davon ab, ob die Patienten noch unter weiteren psychischen Erkrankungen wie Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen leiden, und inwieweit Alkohol- und Drogenmissbrauch vorliegt", sagt Martin Brüne. Gerade dann sei eine stationäre Aufnahme oftmals notwendig.

Hier gibt es Hilfe

Das LWL-Universitätsklinikum Bochum bietet eine Spezialsprechstunde. Vor dem Erstgespräch bekommen Patienten einen Fragebogen, damit einiges vorab geklärt werden kann. Mit bis zu sechs Wochen Wartezeit muss man rechnen. Mehr Infos hier.

Janna Cornelißen

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