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Unbeliebte Städte: Zu Hause

Hanna Lehmann in Chemnitz. Text: Janina Martens Fotografie: Michael Hudler, Alina Simmelbauer, Sebastian Wolf

Die meisten Leute leben nicht in vermeintlich hippen Metropolen, sondern in Städten, die keinen, einen mittelmäßigen oder gar schlechten Ruf haben. Fünf Menschen erzählen, was sie nach Chemnitz, Aschaffenburg, Gelsenkirchen und Ludwigshafen verschlagen hat - und was ihnen dort gefällt.

Text: Janina Martens Fotografie: Michael Hudler, Alina Simmelbauer, Sebastian Wolf


„Es ist mehr los, als man denkt "

Als eine der besten Nachwuchsköchinnen des Landes könnte Hanna Lehmann, 28, überall auf der Welt arbeiten. Doch sie hat sich für ein Leben in Chemnitz entschieden. Ein Protokoll.

„Gelbe Bete mit eingelegten Zwiebeln, fermentiertem Bärlauch und Ziegenkäse. Und als Hauptgang geschmorter Wasserbüffel. Das stand letzte Woche auf meiner Menükarte. Alles frisch hier aus der Region. Viele Menschen wissen gar nicht, dass man diese tollen Produkte praktisch direkt vor unserer Tür bekommen kann.

Die Gegend gilt als blinder Fleck, was gehobene Kulinarik angeht. Ich habe mal eine Landkarte gesehen, auf der die spannendsten Restaurants Deutschlands eingezeichnet waren. In Sachsen war da fast nichts, in Chemnitz gar nichts. Ich möchte dazu beitragen, dass sich das ändert, und Genuss in unserer Region fördern.

Gerade habe ich mich selbstständig gemacht - mit ,Mycel', einem Gastronomiekonzept in Ottendorf bei Chemnitz: Seit Mai koche ich hier in einem restaurierten Bauerngehöft. Gehobene Küche mit regionalen Produkten. Vom Garten auf den Teller.

Ich bekomme viel Zuspruch. Das ist etwas, das ich sehr schätze. In Chemnitz habe ich in meiner Branche nie Ellenbogenmentalität erlebt. Im Gegenteil: Wenn ein neues Restaurant aufmacht, freut und unterstützt man sich. Denn wir wollen ja alle eine bunte Stadt mit vielfältigen Angeboten.

Vor zehn Jahren kam ich zum Germanistikstudium her, aufgewachsen bin ich im Erzgebirge. Das Studium habe ich nach vier Semestern abgebrochen, aber in Chemnitz bin ich geblieben. Denn die Umgebung ist grün und die Grundstimmung entspannt. Man findet leicht eine Wohnung, die Mieten sind niedrig. Nach meiner Ausbildung zur Köchin und der Auszeichnung mit dem Rudolf Achenbach Preis als beste Nachwuchsköchin habe ich auf Sylt gekocht und in Schweden. Aber in Chemnitz fühle ich mich zu Hause.

Von außen wird die Stadt oft mit Fremdenfeindlichkeit in Verbindung gebracht, doch ich selbst habe ein Umfeld, das dem keinen Raum lässt.

Nicht selten höre ich Sätze wie „Chemnitz ist überaltert und langweilig". Selbst die Bewohner sagen das. Und ja, vielleicht ist da was dran; gerade im Vergleich zu Leipzig oder Dresden fühlt sich das Leben bei uns entschleunigt an. Aber in Chemnitz ist mehr los, als man denkt. Der Sommer ist voll mit kleinen Stadtteilfesten, Kunstaktionen, Festivals. Und jetzt, da Chemnitz Kulturhauptstadt Europas 2025 wird, entsteht noch mehr.

Es besteht sicher kein Überangebot bei uns. Dadurch haben wir aber die Möglichkeit, neue Dinge auszuprobieren und aufzubauen. Es gibt noch viele Leerräume - sowohl konkreten Leerstand als auch im übertragenden Sinne. Und ich kenne so viele großartige Menschen hier, die das nicht als Defizit sehen, sondern als Chance, etwas zu gestalten. Diese Menschen machen die Stadt lebenswert."


„Es herrscht das richtige Maß an sozialer Wärme "

Aschaffenburg ist ziemlich normal. Nicht groß oder klein, weder sehr arm noch extrem reich. Warum wohnt man ausgerechnet da - und nicht in der benachbarten Metropole Frankfurt am Main? Achim Greser, 62, und Heribert Lenz, 65, leben seit 2005 in Aschaffenburg. Das Karikaturisten-Duo wurde unter anderem bekannt für die Superhelden-Comicfigur „Genschman" in der Satirezeitschrift "Titanic" und zeichnet regelmäßig Cartoons für die "FAZ".

Achim Greser: Die Verbindung ist schlecht ...

brand eins: Moment, jetzt besser?

Stille

brand eins: Sagen Sie mal etwas.

Greser nuschelt etwas Unverständliches.

Wie bitte?

Greser: Nur Spaß! Der Kollege und ich sind hier noch nicht ganz in der spacekommunikativen Moderne angekommen, machen keine Video-Anrufe und so was, aber das Festnetz in Aschaffenburg funktioniert einwandfrei. Wäre ja auch noch schöner, schließlich kommt der Erfinder des Telefons, Herr Philipp Reis, aus Gelnhausen, hier in der hessischen Nachbarschaft. Unser Telefon ist sogar schnurlos; wenn Heribert was ergänzen möchte, reiche ich es ihm umstands- und problemlos rüber.

Na dann. Wenn jemand Ihnen kommt mit: „Aschaffenburg, hm, sagt mir überhaupt nichts", wie erklären Sie, wo die Stadt liegt und was sie ausmacht?

Greser: Ungefähr 51 Kilometer östlich von Frankfurt am Main, nah an der bayerisch-hessischen Grenze. Auf der bayerisch-fränkischen Seite, aber rhein-hessischer Dialekt. Stammeskulturell ambivalent, aber ausgezeichnet versorgt mit den kulinarischen Spezereien und Grundnahrungsmitteln beider Seiten: Wurst, Brot und Bier.

Wurst, Brot und Bier gibt es auch anderswo.

Greser: Mag sein, aber hier haben wir handwerklich wirklich hervorragende Bäckereien und Metzgereien. Und drei traditionelle Privatbrauereien; wir müssen also nicht die Plörre irgendeiner monopolisierten Konzernbrauerei trinken.

Das wird aber nicht Ihr Grund gewesen sein, nach Aschaffenburg zu ziehen?

Greser: Nicht der einzige. Der Kollege Heribert, ich und meine damalige Lebenspartnerin sind vor 18 Jahren aus Frankfurt hergezogen; wir haben hier ein Haus gekauft, weil das für uns ideal konstruiert war: drei Etagen und ein Anbau, in dem wir unser Atelier und Büro untergebracht haben. Und ein Garten.

Was ist das Gute am Leben in Aschaffenburg?

Greser: Ich finde, hier herrscht genau die richtige Balance zwischen sozialer Wärme und sozialer Kontrolle. Im 300- Seelen-Dorf, wo ich aufgewachsen bin, herrschte zu viel soziale Kontrolle, in Frankfurt mit seinen 750 000 Einwohnern zu wenig soziale Wärme. In Aschaffenburg mit 70 000 Einwohnern ist es genau richtig.

Wie äußert sich soziale Wärme?

Greser: Man grüßt sich auf der Straße, und ich fühle mich sozial eingebettet. Wenn ich in die Gastwirtschaft „Schlappeseppel" gehe, dann treffe ich immer jemanden an, den ich kenne; die Kneipe ist noch ganz klassisch eine Arena öffentlichen Lebens.

Ich habe gelesen, Aschaffenburg hat die höchste Kneipendichte von ganz Bayern.

Greser: Weiß ich nicht, ich bin treuer Stammgast in wenigen Wirtshäusern. Die Nummer eins ist der Schlappeseppel, den es angeblich seit 1631 gibt. Vermutlich ist das eine attraktive PR-Lüge, die aber nichts ändert an der hohen Attraktivität des Wirtshauses.

Mal abgesehen von Gaststätten, Essen und Trinken - womit kann die Stadt noch punkten?

Greser: Die Menschen sind Frohnaturen, offenherzig und gesellig. Und es gibt einen hübschen, 250 Jahre alten Landschaftspark mit Schlösschen. Wenn ich Lust auf Chrystal Meth hätte, würde ich dort vergeblich auf einen Dealer warten, dafür gibt es dort zwei wunderbare Biergärten. Sie merken schon, Aschaffenburg ist fraglos ein bundesdeutsches Zentrum des Schweralkoholismus. An den meisten Orten in Aschaffenburg merkt man: Die Stadt und viele ihrer Bewohner haben Geld und stehen ganz gut im Futter. Eine Aschaffenburger Bronx gibt es nicht.

Hat Aschaffenburg etwas, was Frankfurt nicht hat?

Greser: Die Atmosphäre ist eine andere, deutlich weniger aufgeregt und hektisch. Man kann hier den Gemütlichkeitsbegriff nach Gerhard Polt sehr gut ausleben: in aller Ruhe an einem Biertisch sitzend jeden anfliegenden Gedanken sofort verscheuchen - am besten begleitet von Blasmusik im Hintergrund.

Blasmusik ist ein Pluspunkt?

Greser: Ja, unplugged natürlich.

Heribert Lenz: Ich muss mich mal einschalten. Nicht dass hier der Eindruck entsteht, hier seien alle Hinterwäldler.

Hallo, Herr Lenz.

Lenz: Hallo! Die aufgeregte Internet-Gemeinde gibt es auch hier, die aktuelle Nachrichtenlage wird von den Freunden am Kneipentisch besprochen. Und wenn man sich hier doch einmal langweilt und einen der Hafer sticht: Frankfurt ist in einer Stunde mit dem Zug zu erreichen.

Was schätzen Sie noch an Aschaffenburg, was Herr Greser bisher nicht erwähnt hat?

Lenz: Das Schlossmuseum mit seiner weltweit größten Sammlung von Korkmodellen. Modellbauer haben im 18. und 19. Jahrhundert Bauwerke aus dem alten Rom detailgetreu nachgebaut, zum Beispiel das Pantheon und das Kolosseum. Diese Modelle sind wirklich Weltklasse! Besser als jedes Modelleisenbahnbauwerk.


„Man kann sich nicht ins gemachte Nest setzen "

Gelsenkirchen gilt als ärmste Stadt in Deutschland. Barbara Christ, 35, leitet das Mädchenzentrum hier und kennt die Probleme allzu gut. Doch sie fühlt sich wohl.

Null Zwei Null Neun. Das steht auf dem Käppi, das Barbara Christ an diesem Nachmittag zum Schutz vor der Maisonne trägt. „Die Vorwahl von Gelsenkirchen", sagt sie. Ein bisschen Lokalpatriotismus müsse sein. Und zwar einer, der sich nicht ausschließlich auf Fußball bezieht; kein blau-weißer Schal. „Die meisten Leute denken bei Gelsenkirchen als Erstes an den FC Schalke 04. Aber es gibt hier so viel mehr."

Als Treffpunkt hat Barbara Christ das Café Ütelier ausgesucht, einen ihrer Lieblingsorte. Sonnenbeschienene Terrasse, Apfelblüte, Milchkaffee mit Strohhalm. Eine Frau kommt an den Tisch, „Barbara, magst du kurz auf das Baby aufpassen?" Sie zeigt auf ihren Kinderwagen. „Na klar." Die Frau holt sich Kuchen. „Fühlt sich hier im Quartier immer so an wie in einem Dorf", sagt Christ und lächelt.

Das Café liegt im Viertel Ückendorf, einem von 16 sogenannten Kreativ-Quartieren, die das Land Nordrhein-Westfalen in der Metropolregion Ruhr fördert. An diesem Tag findet ein Virtual-Reality-Festival statt. Aber auch sonst wirkt das Viertel fast schon hip: Es gibt einen Co-Working-Space, eine Kneipe namens Trinkhalle, einen Laden mit Accessoires aus upgecyclten Skateboards.

Ganz anders die Straße vom Bahnhof hierher, wo sich Friseur-, Döner- und Handyläden aneinanderreihen, Passanten nach Pfandflaschen gefragt werden und Tauben Pommes vom Boden picken. „Gelsenkirchen hat viele Probleme, das will ich gar nicht kleinreden", sagt Christ.

Die Stadt landet in Rankings immer wieder auf den hinterten Plätzen, etwa beim Pro-Kopf-Einkommen. „In einer Studie zur Lebensqualität haben wir den 401. und damit letzten Platz belegt. Da hat jemand so T-Shirts gedruckt: „#401GE" und in der Stadt wurde gewitzelt: ‚Wir sind das Allerletzte'", erzählt Barbara Christ. Witzig gemeint, aber eigentlich bitter, meint sie. Die hohe Arbeitslosenquote, die Jugendgewalt und Armut, das alles sei Realität.

Die Erziehungswissenschaftlerin hat eine Weile als Angestellte bei der Stadt an einem Projekt für Langzeitarbeitslose mitgewirkt; seit Oktober 2022 leitet sie das Mädchenzentrum, eine Anlaufstelle etwa bei Essstörungen, sexueller Gewalt und Problemen in der Familie.

„Man kann sich hier nicht ins gemachte Nest setzen", sagt Christ. Doch das sieht sie nicht als Nachteil. „Es gibt viel zu tun, klar, aber auch viel Gestaltungsfreiraum. Ich kenne so viele engagierte Leute hier, die tolle Sachen auf die Beine stellen." So hätten Bekannte einen Werkzeugverleih eröffnet, eine Nachbarin biete Yogakurse an, und im Mädchenzentrum könnten junge Frauen eigene Songs schreiben oder Instrumente erlernen.

„Alles ist unprätentiös und bodenständig. Ich liebe das. Niemand muss hier extra cool sein." Barbara Christ lebt seit ungefähr - sie muss selbst nachrechnen - sieben Jahren in Gelsenkirchen. Es komme ihr schon länger vor, sagt sie. Sie habe nirgendwo sonst so schnell so viele Leute kennengelernt und Freundschaften geschlossen.

Aufgewachsen ist sie in der Nähe von Düsseldorf. Zum Studium ging sie nach Essen, verliebte sich dort in einen Musiker aus Gelsenkirchen. Als sie zusammenziehen wollten, war die Frage: Essen oder Gelsenkirchen? Dass die Wahl auf Gelsenkirchen fiel, lag nicht zuletzt an den dort niedrigeren Mieten. „Wir haben hier eine große Altbauwohnung mit eigenem Musikstudio. Zehn Fußminuten vom Bahnhof entfernt. So was könnten wir uns wahrscheinlich in keiner anderen Stadt leisten."

Aus dem Pragmatismus, der sie hergezogen hatte, entwickelte sich mit der Zeit Begeisterung. „Ich habe alles hier, was ich brauche. Kinos, Theater, alles. Und wenn doch mal etwas fehlen sollte, dann habe ich es in den Nachbarstädten." Das sei das Tolle am Ruhrgebiet. „Wenn der nächste coole Plattenladen in Dortmund ist, sind das vielleicht 25 Minuten dahin. Das würde ich in Berlin auch von einem in den anderen Stadtteil brauchen."

Was sie noch an Gelsenkirchen mag? Das Grüne. Gelsenkirchen war einst Bergbau-Stadt, mittlerweile dienen einige der alten Halden als Naherholungsgebiete. „Und den Zoo!" Warum den? „Den muss ich unbedingt erwähnen. Nicht, weil ich da oft bin. Sondern weil er zum wiederholten Mal zum besten Zoo Deutschlands gewählt wurde." Sie grinst. Gelsenkirchen kann also auch erster Platz.


„Wir verzichten auf Hochglanzfassaden "

„Hässlichste Stadt Deutschlands" - den Titel bekam Ludwigshafen am Rhein vor fünf Jahren verliehen. Seitdem bietet Helmut van der Buchholz Führungen zu den Un-Orten an. Kennt er auch schöne Ecken?

Mitten in der Innenstadt klafft ein Loch. Eine große Baugrube, umgeben von Zäunen, am Rand wächst Gestrüpp. „Seit über sieben Jahren passiert hier nichts", sagt Helmut van der Buchholz. Einst habe hier am Berliner Platz ein Kaufhaus gestanden, nach dem Abriss sollte ein Geschäftshaus entstehen, doch der Bau begann nie. Das Loch gilt vielen als Schandfleck. Für Van der Buchholz ist es genau deshalb einer der Höhepunkte seiner Stadtführungen.

Im Sommer werden die Touren wieder losgehen. Der 63-Jährige führt dann zu dunklen Bahnunterführungen, der abgerissenen Hochbrücke, nicht plätschernden Brunnen und anderen Hässlichkeiten. Das tut er schon seit 2018. Damals kürte das Satiremagazin „Extra 3" Ludwigshafen am Rhein zur „hässlichsten Stadt Deutschlands". Das städtische Kulturbüro machte aus der Kränkung einen Marketing-Coup, jubilierte: „Hurra, gewonnen" - und beauftragte Van der Buchholz mit den „Germany's Ugliest City Tours".

Er ist der ideale Kandidat dafür: Kulturschaffender und Architekt - und er lebt seit seiner frühen Kindheit in Ludwigshafen. „Weil's nie einen Grund gab wegzuziehen", sagt er trocken. Schule, Zivildienst, Lehre und Studium absolvierte er in der Region, fand einen Job in einem Architekturbüro, gründete eine Familie - und blieb.

Als Treffpunkt hat er für diesen Mai-Nachmittag den Lutherplatz vorgeschlagen, mit seinem Stammlokal, der Pizzeria „La Torre Da Angelo" im Kirchturm. Ein guter Ort zum Essen und Draußen-Sitzen, findet er. „Du bekommst direkt einen halben Liter Wein hingestellt, wenn du dich bei uns in der Gegend mit jemandem triffst."

Viel zu bieten habe die Stadt nicht. Van der Buchholz sagt das ganz zufrieden. Ludwigshafen ist bekannt als Heimat von BASF; rund 39 000 Menschen - gut ein Fünftel der Stadtbevölkerung - arbeiten an dem Hauptstandort des Chemiekonzerns. „Abgesehen von der BASF gibt es nicht so viel. Das hat was Gutes: Alles, was man macht, bekommt Aufmerksamkeit."

Mit einer kleinen Gruppe von Aktivisten, zusammengeschlossen unter dem Namen Buero für angewandten Realismus, engagiert sich Van der Buchholz seit Mitte der Achtzigerjahre. Man organisiert Kunstausstellungen, Gartenfeste, Vorträge. 1993 gründete die Gruppe sogar eine Wählervereinigung für die Stadtratskandidatur - ihr Kandidat kam auf 0,9 Prozent der Stimmen.

Die Ugliest-City-Touren haben zur Freude von Helmut van der Buchholz Empörung hervorgerufen: Stadtratspolitiker forderten ein Ende der öffentlichen Förderung. Doch die Führungen gehen weiter. Für Van der Buchholz sind sie keineswegs Ludwigshafen-Bashing, sondern ein humorvoller, selbstironischer Weg, Menschen die Stadt näherzubringen, und auch zu zeigen, wo etwas verändert werden kann.

Und ganz nebenbei kommt man ja doch auch mal an schönen Ecken vorbei. Zum Beispiel am Wilhelm-Hack-Museum. Davor grünt und blüht es, Bienen summen; den Museumsgarten, ein Urban-Gardening-Projekt, gibt es seit mehr als zehn Jahren. Van der Buchholz hat selbst eine kleine Parzelle hier, die er betreut, seine Pflanzen hat er in Koffer gepflanzt, „irgendwo dazwischen wächst Schnittlauch".

Für ihn ist Hässlichkeit nichts Festgeschriebenes und auch nicht per se etwas Schlechtes. „Ich erkläre bei meinen Touren immer: In anderen Städten bröckelt es hinter den Hochglanzfassaden, in Ludwigshafen verzichten wir gleich auf die Fassaden. Und viele Leute finden das gut: Ist wenigstens ehrlich." ---

++Erschienen in brand eins 07/23++

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