Es ist kaum ein Jahr her, da musste Deutschland lernen, was Mangel ist. Täglich stiegen die Infektionszahlen, und Schutzmasken - eigentlich Cent-Artikel -, die vor der Ansteckung mit dem Sars-CoV-2-Virus schützen sollten, waren nicht aufzutreiben. Dringend benötigte Ware fehlte, um wenigstens Pfleger und Ärztinnen zu schützen.
Schlagartig wurde den Deutschen die Abhängigkeit von China bewusst, wo die meisten Masken produziert werden. Zu Beginn der Pandemie lieferten die dortigen Fabriken nur noch gegen Vorkasse. Geschichten machten die Runde, wonach Geheimagenten ganze Flugzeugladungen auf dem Vorfeld gegen Koffer voller Dollar umlenkten. Die Not war groß und die Bundesregierung heillos überfordert.
Eine solche Situation darf sich nicht wiederholen, beschloss Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Am 1. April vergangenen Jahres twitterte er: "Wir müssen unabhängiger werden vom Weltmarkt, für die Sicherheit unserer Bürger. Das ist die Lehre dieser Wochen. Wir wollen Unternehmen mit einer Abnahmegarantie bis Ende 2021 anreizen, eine Produktion von Schutzmasken in Deutschland aufzubauen."
Schutzmasken made in Germany statt in . Es ist eine gute Idee, aber sie hat Tücken. Denn das deutsche Klein-Klein und die fehlende Risikobereitschaft gefährden die Umsetzung.
Timo Fischer kann davon einiges erzählen. Er hat sich auf das Wagnis der Maskenproduktion eingelassen. Eigentlich stellt Fischer im vogtländischen Reichenbach Textil- und Vliesstoffe für die Automobilindustrie her. Bremsluftfilter, Komponenten für Airbags, Autotürverkleidungen. Doch seit April 2020 gibt es in seiner Produktionshalle zwei abgetrennte Bereiche. Darin sind nun Reinräume untergebracht. Wer einen solchen betreten will, der öffnet zuerst eine schwere Metalltür und schiebt die dahinterliegenden Plastiklamellen zur Seite, schlüpft in einen weißen Kittel, tritt durch einen zweiten Vorhang, stülpt sich Überzieher über die Schuhe und ein Haarnetz über den Kopf, geht durch einen weiteren Vorhang und steht schließlich vor ihr: der Maschine, die FFP2-Masken herstellt, 13 Meter lang, knapp zwei Meter breit.
Würde die Maschine laufen, würde von sechs Spulen der Vliesstoff rollen; die Stofflagen würden auf einem Laufband aufeinandergelegt, und ein Muster würde darauf eingeschweißt werden, die Maske würde ausgeschnitten, gefaltet und mit Ohrschlaufen versehen werden.
Maskenproduktion in Deutschland? "Das ist ein Wahnsinn"Es gibt da nur ein Problem. Die Maschine steht zurzeit still. "Wir könnten jede Woche 300.000 FFP2-Masken produzieren", sagt Fischer. Doch weil seine Masken bisher nicht zertifiziert wurden, kann er keine davon verkaufen. Im Dezember hat Fischer seine Produkte zum TÜV Rheinland geschickt. 20.000 Euro kostet der Prüfprozess, sagt er, 30.000 Euro habe er noch mal obendrauf gelegt, damit es schneller geht: 10 bis 12 statt 15 bis 20 Arbeitstage. Doch nun wartet er seit Dezember auf die Zertifizierung, die den Kunden garantiert, dass die Masken vor Viren schützen. Man wolle ja niemandem etwas unterstellen, sagt Fischer, aber wie könne es sein, dass Ware aus China nach zwei Wochen geprüft sei und er seit Weihnachten auf seine Zertifizierung warte?
Mehrfach seien seine Masken vom TÜV an ihn zurückgeschickt worden. Er sollte zum Beispiel seine Firmenadresse auf die Maske drucken, was ihn überrascht hat. "Haben Sie jemals eine FFP2-Maske gesehen, auf der die Firmenadresse steht?", fragt er. "Mit solchen Details halten wir uns hier in Deutschland auf. Dabei haben wir eine Pandemie!" Fischer ist sich sicher: Der Prozess könnte von der Politik beschleunigt werden. "Die Vorschriften werden ja von den Behörden gemacht."
Zum konkreten Sachverhalt will man sich beim TÜV Rheinland nicht äußern. Wenn Produzenten die umfangreichen und hohen Auflagen der Norm für FFP2-Masken nicht vollständig erfüllten, dann müsse man nachprüfen, und der Prozess der Zertifizierung verzögere sich. Der Wunsch nach schnellen, pragmatischen Lösungen sei nachvollziehbar, man müsse sich aber an das gesetzliche Regelwerk halten.