Warum bloß will Carrie aus Sex and the City unbedingt diesen Mann, den sie "Mr. Big" nennt? Die Serie aus den Neunzigern ist mittlerweile wegen ihres Frauenbilds umstritten: vier Freundinnen, die mit so vielen Männern schlafen, wie sie wollen, und sich beim Cocktailtrinken darüber austauschen. Obwohl sie unabhängige Frauen darstellen sollen, dreht sich ihr Leben ausschließlich um Männer. Und dann auch noch um einen "riesigen, emotional unzugänglichen Typen" wie Mr. Big. Was will Carrie von ihm? Das ist eines der vielen Mysterien, denen sich die Comicautorin und Feministin Liv Strömquist in ihrem neuen Buch Der Ursprung der Liebe widmet. Ihre Antwort: Weil auch Carrie unterbewusst sein will wie Mr. Big und unabhängig von Liebesbeziehungen leben möchte.
Strömquist saust in ihrem Comicband durch Diskurse, Theorien, Epochen und Alltagsphänomene, verbindet Zitate von Freud und Elisabeth und Ulrich Beck mit dem Leben von Britney Spears oder Prinz Charles und Diana. In ihren Comicstrips nutzt sie Collagen, setzt bekannte Motive und reproduzierte Fotos in ungewohnte Kontexte, mischt sie mit schreienden Typos und einfachen Zeichnungen. Beinah unbemerkt verschiebt die Autorin eingeübte Sichtweisen (Männer wollen Sex, Frauen Liebe) in ihr Gegenteil (bis ins 18. Jahrhundert hieß es, Männer suchen Liebe, Frauen dagegen nur Sex). Niklas Luhmann beschrieb Liebe nicht als Gefühl, sondern als einen Code: Es handele sich um ein Medium der Kommunikation, das funktioniert wie Geld, Wahrheit, Macht oder Kunst. Auch Strömquist demystifiziert die großen Gefühle und zeigt, wie die moderne Suche nach der wahren Liebe das Himmelreich ersetzt.
Aber ist Feminismus in Textform nicht mittlerweile verstaubt? Danach sieht es nicht aus. Als eine Zeichnung aus Strömquists älterem Comicband Der Ursprung der Welt in der Stockholmer U-Bahn hing, wurde das Bild zweimal von wütenden Passanten zerstört. Darauf zu sehen: eine Eiskunstläuferin, ein Bein streckt sie in die Luft, das andere gleitet übers Eis, zwischen ihren Beinen ein blutiger roter Fleck. So funktionieren Strömquists grafische Essays, ob es um die Geschichte des weiblichen Geschlechtsorgans oder um die Liebe geht: Sie berühren und provozieren, sie entspannen den manchmal verkrampften Geschlechterdiskurs.
Liv Strömquist: Der Ursprung der Liebe. Aus dem Schwedischen von Katharina Erben; Avant-Verlag, Berlin 2018; 136 S., 20,- €
Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt. Aus dem Schwedischen von Katharina Erben; Avant-Verlag, 2017; 140 S., 19,95 €