Fachleute bezweifeln, dass polizeiliche Überwachung mit Hilfe von Technologie nützlich ist, um Kriminalität zu bekämpfen. Auch an der Verhältnismäßigkeit gibt es Zweifel.
Das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit ist im Grundgesetz nicht eindeutig festgelegt. Wann immer der Gesetzgeber das eine zugunsten des anderen einschränken will, muss er jede Entscheidung im Einzelfall begründen. Besonders häufig spielt diese Abwägung bei der Polizeiarbeit eine Rolle. Um Straftaten aufzuklären oder gar im Vorfeld zu verhindern, müssen die Ermittler:innen Informationen sammeln. Heutzutage geschieht das häufig mit technischen Hilfsmitteln. Die greifen aber in die Freiheit der verdächtigen Personen ein, weil deren Privatsphäre verletzt wird.
Ein aktueller Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beleuchtet für den Bundestag dieses Spannungsfeld der Sicherheitspolitik. Das Büro ist ein unabhängiges Gremium aus wissenschaftlichen Fachleuten, das die Politik zu den Auswirkungen neuer Technologien auf die Gesellschaft berät.
Überwachung muss immer beweisen, dass sie wirkungsvoll und verhältnismäßig istIm Bericht widmen die Wissenschaftler:innen sich sogenannten Beobachtungstechnologien. Damit sind die technologischen Überwachungsinstrumente gemeint, mit denen vor allem Ermittlungsbehörden im Zeitalter von Internet, hochauflösenden Kameras und automatisierter Datenauswertung die Bevölkerung überwachen können.
„Überwachung" ist in diesem Fall nicht unbedingt negativ gemeint. Wenn schwere Straftaten verhindert werden können, sind Abstriche bei der Privatsphäre unter Umständen vertretbar. Wichtig ist aber, dass diese Eingriffe auch die gewünschte Wirkung für die Strafverfolgung zeigen und verhältnismäßig sind. Und da haben die Fachleute bei manchen Ermittlungsinstrumenten der deutschen Polizei Zweifel.
Zweifel an der Wirksamkeit von Videoüberwachung im öffentlichen RaumBeispiel Videoüberwachung: Die Polizei kann Orte oder Veranstaltungen mit hoher Kriminalitätsrate filmen. Damit erhofft sie sich, Menschen von Straftaten abzuhalten, weil sie wissen, dass sie gefilmt werden. Die Überwachung soll aber auch helfen, Straftaten, die trotzdem begangen werden, aufzuklären. Dafür, dass diese Ziele mithilfe von Videoüberwachung tatsächlich erreicht werden, gibt es den Autor:innen zufolge aber keinen eindeutigen Nachweis. Unter Umständen ist der Eingriff in die Privatsphäre also nicht verhältnismäßig, weil der Nutzen nicht so groß ist, wie erhofft.
Problematisch sei auch, dass immer größere Teile der Datenauswertung von Software übernommen wird. So werden beispielsweise bei Grenzkontrollen Computerprogramme eingesetzt, die die Gesichter der Einreisenden automatisch in Datenbanken der Polizei sucht. Neben der noch größeren Gefahr für die Privatsphäre sieht der Bericht hier großes Potenzial für Diskriminierung. Automatisierte Systeme zur Gesichtserkennung haben in der Vergangenheit immer wieder Schwächen beim Erkennen von nicht-weißen Menschen gezeigt. Weil die Fehlerquoten der Systeme bei ihnen höher lagen, wurden nicht-weiße Menschen häufiger falsch verdächtigt. Es gebe außerdem noch keine ausreichenden rechtlichen Grundlagen für derartige Technologie, da die Gesetze häufig noch nicht an die neuen technischen Möglichkeiten angepasst wurden.
Nutzen von Überwachung mittels Staatstrojaner nicht erwiesenUngelöste rechtliche Probleme und fehlende Nachweise über den Nutzen sieht der Bericht auch bei anderen Instrumenten, wie zum Beispiel der Überwachung von Endgeräten wie Handys oder Computer mithilfe von Staatstrojanern, also Software, die unbemerkt auf den Geräten von Verdächtigen installiert wird und sämtliche Daten an die Polizei weiterleiten kann. Staatstrojaner gelten als besonders tiefer Eingriff in die Grundrechte, da sie die Verschlüsselung von Inhalten umgehen können.
Helfen kann demzufolge vor allem Forschung, ob die Instrumente die gewünschte Wirkung erzielen und welche Auswirkungen es auf die Gesellschaft hat, wenn sie sich etwa nicht darauf verlassen kann, dass vertrauliche Kommunikation wirklich vertraulich ist. Dem Gesetzgeber legen die Autor:innen nahe, Kriterien für Verhältnismäßigkeit klarer festzulegen und kontinuierlich zu prüfen.