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"Einer kommt - alle machen mit" - ein Portrait von Lars Meier

Wenn Lars Meier einmal zu erzählen begonnen hat, ist er kaum mehr zu bremsen. Dann redet er und redet - über legendäre Punkkonzerte, die Kraft des Kartoffelpürees und eine unverhoffte Begegnung mit Heidi Klum. Auch die Frage, ob es nicht anstrengend sei, Chef einer PR-Agentur zu sein, daneben jede Woche fünf Podcast-Folgen aufzunehmen und nun auch noch ein Festival zu organisieren, kann ihn nicht aus dem Konzept bringen. "Nee! Nee!", ruft der Niedersachse und wirft beinahe den Kaffeebecher um. "Das Wort ‚anstrengend' darf auf keinen Fall im Artikel vorkommen!" Reden, das würde man auch merken, wenn man es nicht ohnehin wüsste, ist Meiers Beruf. Am Herzen liegt ihm aber etwas anderes.

Vor genau einem Jahr, kurz nach Beginn der Pandemie, organisierte Meier in Hamburg das Festival "Keiner kommt, alle machen mit". Eine große Sache, mit viel Aufwand beworben. Auf den Plakaten prangten etliche große Namen: Die Beatles, Billie Eilish, die Foo Fighters, dazu zahlreiche Künstlerinnen und Künstler aus Deutschland. Der Kartenverkauf brummte, allerdings nie vorgesehen, dass nur ein einziger dieser Künstler auftritt - es handelte sich um eine Solidaritätsaktion für die darbende Hamburger Kulturszene. Mehr als 600.000 Euro kamen so zusammen, für viele Menschen aus der Branche eine unverhoffte Hilfe in harter Zeit. Nun, ein Jahr später, folgt die neue Auflage: "Einer kommt, alle machen mit 2021", der Termin: 12. Mai. In diesem Jahr ist eine zweistündige Streaming-Show geplant, Ina Müller, Heinz-Rudolf Kunze und Dota treten auf, dazu Pinar Atalay und Bjarne Mädel. Tickets sind ab 24 Euro online erhältlich, die Einnahmen werden je nach Bedarf an Hamburger Kulturschaffende in Not verteilt.

"Es geht nicht in erster Linie darum, Geld einzusammeln", sagt der 50-Jährige, im Büro seiner Agentur "Gute Leude Fabrik" im Schanzenviertel sitzend. Sondern? "Eigentlich ist es ein Kommunikations-Projekt, das auf die Vielfalt der Kultur hinweist." Ihm gehe es nicht um die Höhe der Spende, sondern um den Respekt, der sich darin ausdrückt. Seit 25 Jahren lebt Meier, eine imposante Erscheinung mit freundlichem Gesicht, inzwischen in Hamburg, gefühlt kennt er die ganze Stadt. Seine Spezialitäten: organisieren, veranstalten, Menschen verbinden. Sein Freund Tobi Schlegl nennt ihn einen "Macher in Trainingsjacke".

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Meier sei einer der wenigen, der 2020 unkompliziert und schnell Geld aufgetrieben habe, heißt es unter den Künstlern, die die Veranstaltungen unterstützen. Und natürlich auch unter denen, die von seiner Hilfe profitiert haben. Wer das ist, darüber hält sich Meiers Agentur bedeckt: Keine Namen. Über Geld redet man in Hamburg noch immer nicht gern - weder, wenn man es hat, noch, wenn es einem fehlt.

Und auch Meier selbst will bitte bloß nicht im Rampenlicht stehen, es gehe ja nicht um ihn, sagt er, er wolle ja nur helfen. Umso mehr stellt sich die Frage: Wer ist dieser Mann? Und was ist sein Antrieb, so unbedingt helfen zu wollen?

Meier wächst in Stadthagen bei Hannover auf, 20.000 Einwohner, Kreis Schaumburg - "ein sehr dickköpfiger Landstrich", sagt er. Nach dem Wehrdienst wird er beim Blatt seiner Heimatstadt Redakteur seiner eigenen Jugendseite. Er reist der Band Die Ärzte hinterher und veranstaltet ein Konzert mit Harald Juhnke. Für den Schrammelpunk der Goldenen Zitronen kann er sich genauso begeistern wie für Udo Jürgens. "In der Schule war ich Außenseiter, weil ich diese komische Mucke gehört habe", sagt er. An die Elbe zog es ihn später wegen der Plattenläden. "Musik ist einfach geil", sagt Meier mit leuchtenden Augen. "Ich bewundere es sehr, wenn Menschen alles dafür geben."

Aber die Musik ist ihm nicht nur ein Hobby, sondern auch eine Flucht. Als er 11 Jahre alt ist, stirbt sein Vater an Krebs. Der Junge wird schweigsam und flüchtet sich in die Musik. "Das war schlimm. Aber der Tod meines Vaters hat einen anderen Menschen aus mir gemacht. Vielleicht wäre ich ein richtiges Arschloch geworden."

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