Jan Mohnhaupt

Journalist und Buchautor, Magdeburg / Wien

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Feature

Blühende Mannschaften

Hansa Rostock war in den 90ern der "Stolz des Ostens". Was ist davon übrig geblieben?

Ob die Geschichte eines Klubs eher zum Epos oder zur Tragödie taugt, hängt oft vom Blickwinkel und dem Zeitpunkt der Betrachtung ab. An diesem Sonntag im Mai 2021 gegen 16 Uhr wirkt es so, als füge der FC Hansa Rostock seiner wechselvollen Chronik eine weitere Episode des Scheiterns hinzu. Viele der rund 600 Fans scheinen damit zu rechnen, dass es auch dieses Mal schiefgeht. Drinnen im Ostseestadion müht sich die Mannschaft seit fast 90 Minuten, die Zwickauer Abwehr zu knacken. Draußen hängen die Anhänger am Fanradio. Noch einmal greift Hansa an, ein Pass in den freien Raum – „Und wer steht da?“, ruft der Kommentator. „Keiner!“ Dutzende Hände krallen sich in Absperrgitter, allgemeines Aufstöhnen.

„Keiner“, wiederholt „Locher“, der etwas abseits steht. „Das ist typisch Hansa. Man gewöhnt sich daran.“ „Locher“, ein untersetzter Mann mit kahl rasiertem Kopf und dem Gleichmut eines Menschen, den nichts so leicht aus der Ruhe bringt, steht schon seit den 1980ern hier. „Ich bin Hansa-Fan“, sagt er und begründet es ebenso klar wie entwaffnend: „Ich stehe nicht so auf Erfolg.“ Dabei hat er miterlebt, wie Hansa 1991 zum ersten Mal die Meisterschaft und den Cup der untergehenden DDR gewann; wie Hansa ab Mitte der 1990er zehn Jahre lang in der Bundesliga spielte und zum erfolgreichsten ostdeutschen Klub im wiedervereinten Deutschland wurde. Aber das ist alles weit weg und zählt nicht kurz vor Abpfiff an diesem 36. Spieltag der dritten Liga.

Das Spiel gegen den FSV Zwickau ist ein besonderes, denn es vereint in sich Anfang und Ende des DDR-Fußballs. Es ist das Duell des ersten Meisters gegen den letzten: 1950 gewann die ZSG Horch Zwickau den Titel, 41 Jahre später der FC Hansa Rostock. 400 Kilometer liegen zwischen den beiden Städten, die das untergegangene Land in seiner ganzen Ausdehnung durchmessen. Und im Grunde ist es doch ein Derby. Denn einst trennten die beiden Klubs nur 30 Kilometer...

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