Welthöchster Solarturm mit 150 Megawatt Leistung entsteht zwischen Atlasgebirge und Sahara.
Kommende Woche beginnt in Marrakesch der Weltklimagipfel COP22, von dem mit der Ratifizierung des Paris-Abkommens konkrete Maßnahmen zur Begrenzung der Erderwärmung erwartet werden. Auch Gastgeber Marokko zeigt mit einem starken Ausbau von Wind- und Solarkraftwerken, dass auch in weniger entwickelten Länder eine umfassende Energiewende möglich ist. Zwischen Sahara und Atlasgebirge entsteht dazu einer der größten Solarparks der Welt. Im Mittelpunkt wird ein etwa 242 Meter hoher Solarturm stehen, der über konzentriertes Sonnenlicht Strom mit 150 Megawatt Leistung produzieren soll. 2017 soll die Rekordanlage in Betrieb gehen.
„Der Solarpark in Ouarzazate spielt eine wichtige Rolle für die Energieversorgung Marokkos“, sagt Mamoun Bedraoui Drissi, Projektmanager von Masen, der marokkanischen Agentur für erneuerbare Energien. Mit allen Anlagen, die derzeit gebaut und geplant werden, will Marokko bis 2020 mehr als 40 Prozent seines Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen decken. Je ein Drittel soll aus Wasser-, Wind- und Solaranlagen fließen. Seit knapp einem Jahr steuert die erste Solaranlage im Ouarzazate-Komplex, das solarthermische Parabolrinnenkraftwerk Noor I mit 160 Megawatt Leistung, seinen Teil bei. 200 Megawatt wird Noor II ebenfalls mit Parabolspiegeln ab 2017 erreichen. Parallel entsteht die Solarturmanlage Noor III, deren knapp 200 Meter hohe Basisturm kürzlich fertig gestellt wurde. Auf diesen riesigen Betonstumpf wird eine mehr als 40 Meter hohe Stahlkontruktion aufgesetzt, in die wichtige Kraftwerkskomponenten integriert werden.
Um aus der Wärme der Sonnenstrahlung elektrischen Strom erzeugen zu können, entsteht rund um den Solarturm auf einem 650 Hektar großen, ovalförmigen Areal ein Spiegelfeld. Insgesamt 7400 Spiegel, die Heliostaten mit je 180 Quadratmeter Fläche, werden das Sonnenlicht auf die Spitze des Turms fokussieren. Über eine Motorsteuerung können sie dem Lauf der Sonne im Sekundentakt folgen. Das konzentrierte Sonnenlicht wird auf ein Bündel aus hunderten, rund 20 Meter langen Stahlröhren, den Receiver, treffen. Diese Röhren erhalten einen schwarzen, hitzebeständigen Anstrich, um möglichst viel Sonnenlicht absorbieren zu können. Damit erwarten die Ingenieure Temperaturen von etwa 540 Grad Celsius.

Abb.: Parabolspiegel des Kraftwerks Noor I bündeln Sonnenlicht auf eine zentrale Röhre, durch die heiße Thermoöle bei etwa 350 Grad Celsius zirkulieren. (Bild: J. O. Löfken)
Diese Hitze heizt im Betrieb flüssige Salze – eine eutektische Mischung aus Natrium- und Kaliumnitrat – auf, die durch die Stahlröhren zirkulieren. Insgesamt 40.000 Tonnen Salz werden dazu mit Pumpen permanent in Bewegung gehalten. Während der gesamten Betriebsdauer dürfen sie nicht auf unter 220 Grad abkühlen, da sie sonst erstarren und den Pumpkreislauf verstopfen würden. Am Boden neben dem Turm übertragen die heißen, flüssigen Salze einen Teil der Hitze in einem Wärmetauscher auf Wasserdampf, der schließlich wie in einem konventionellen Kohlekraftwerk die Turbine eines Stromgenerators antreiben wird. Da die Salze die Hitze gut speichern können, soll dieser Prozess selbst nach Sonnenuntergang bis zu sieben Stunden weiterlaufen und auch in den dunklen Abendstunden zuverlässig Strom erzeugen.
Genau diese Speicherfähigkeit ist der zentrale Vorteil solarthermischer Kraftwerke vor deutlich günstigeren Photovoltaik-Anlagen. „Im Unterschied zur Photovoltaik können solarthermische Kraftwerke Strom produzieren, wenn er gebraucht wird“, sagt Alexander Stryk, Solarthermie-Experte vom Ingenieurbüro Lahmeyer International in Bad Vilbel. So habe Marokko darauf Wert gelegt, erneuerbaren Strom während der Spitzenlast in den Abendstunden produzieren zu können. Ein direkter Preisvergleich der Solarstromkosten aus Photovoltaik mit bis zu drei Cent pro Kilowattstunde und aus Solarthermie mit gut zwölf Cent sei daher nicht unbedingt sinnvoll.
Der Solarpark in Ouarzazate mit drei Solarthermie- und einem Photovoltaik-Kraftwerk (70 Megawatt) soll nach Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 2018 insgesamt 580 Megawatt Leistung erbringen. Das reicht dann für die Versorgung von etwa 1,3 Millionen Menschen aus. Die Kosten summieren sich auf 2,2 Milliarden Euro, von denen die Bundesregierung und die Kreditanstalt für Wiederaufbau 864 Millionen Euro größtenteils als zinsvergünstigten Kredit besteuern. Derzeit befinden sich in Marokko noch weitere vier Solarparks ähnlicher Größe in der Planungsphase. Die Erfahrungen aus der Anlage in Ouarzazate werden mit darüber entscheiden, welche Technologien – Solarthermie mit Parabolspiegeln oder Solarturm oder doch mehr Photovoltaik – in Zukunft für die Stromgewinnung in sonnenreichen Regionen genutzt werden.