Es brodelt im Nahen und Mittleren Osten. Und zwar mächtig. Seit dem Arabischen Frühling vor sieben Jahren und nachdem die Terrormiliz Daesch ihr Kalifat ausgerufen hat, ist die Region noch instabiler geworden, als sie es ohnehin schon war. Im Jemen tobt ein Krieg, der dramatische humanitäre Folgen hat. Saudi-Arabien hat Katar mit einer ebenso lächerlichen wie wirkungslosen Blockade belegt. Der Libanon leidet unter einer konstruierten Staatskrise. Regierungschef Saad Hariri hat seinen Rücktritt in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad angekündigt, nur um wenig später seinen Abschied wieder zu verschieben - allerdings nur, wenn Bedingungen erfüllt sind.
Die Unruhen und Krisen sind Symptome des Machtkampfes zwischen den beiden Großmächten Iran und Saudi-Arabien. Die sunnitische Monarchie Saudi-Arabiens kämpft mit der schiitischen Theokratie Irans um die Vorherrschaft in der Region. Und auf Verluste nehmen dabei weder der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman noch der iranische Ajatollah Ali Chamenei Rücksicht.
Bürger müssen erstmals Steuern zahlenSeit bin Salman mehr Macht hat, inszeniert er sich als Reformer und Macher. Er versucht, die Korruption im Land zu bekämpfen. Damit verärgert er Eliten des Landes und macht sich mächtige Feinde, wird jedoch gerade von jungen Saudis als Heilsbringer gefeiert. Er hat innenpolitische Veränderungen vorgenommen, die bitter notwendig waren in dem Land mit seinen eingefahrenen Strukturen. Er hat sich einen loyalen Kreis von jungen Prinzen aufgebaut, die wie er der Generation der Enkel des Staatsgründers angehören. Er hat sie in wichtige Ämter gebracht und kann sich daher auf sie verlassen. Der Kreis steht für den überfälligen Generationswechsel in Saudi-Arabien.
Der Grund für bin Salmans Handeln ist schnell gefunden. Er muss Saudi-Arabien auf eine Zukunft ohne Öl vorbereiten. Der Einfluss und Reichtum des Landes fußen auf dem immens wichtigen Rohstoff. Seine Vorkommen sind jedoch endlich, eine Energiewende ist eingeleitet. Zwar muss sich Saudi-Arabien nicht in den nächsten paar Jahren Sorgen machen. Aber der Zeitpunkt wird kommen. Darauf bereitet bin Salman vor: Seit Beginn dieses Jahres müssen Bürger Steuern zahlen, weil die Ölquellen allein die Einnahmen nicht mehr sichern - eine Revolution in dem Golfstaat.
Es wird weitere Stellvertreterkriege gebenBin Salman hat einen Anfang geschafft: Im kommenden Jahr soll der staatliche Ölkonzern Aramco an die Börse gehen. Der Börsengang soll den Scheichs selbst für saudische Verhältnisse unglaubliche 100 Milliarden US-Dollar in die Kasse spülen. Es ist der größte Börsengang der Geschichte. Das Geld soll zu großen Teilen investiert werden, um Infrastrukturprojekte für die Zeit nach dem Öl zu finanzieren.
Eine vernünftige Entscheidung, die aber von Kriegshandlungen und dem Machtkampf mit dem Iran gefährdet werden könnte. Das wäre tragisch, denn die Investitionen sind bitter nötig. Saudi-Arabien ist eines der reichsten Länder der Welt, die Bevölkerung wächst rasend schnell. Und die junge Generation sehnt sich nach Weltoffenheit und einem schnellen Wandel des Königreiches. Schafft es bin Salman nicht, die Transformation auf den Weg zu bringen, sind seine Tage gezählt. Mehr noch: Die Tage Saudi-Arabiens als mächtiger Pol in der Region sind gezählt. Aber so weit ist es noch nicht. Einige Schritte sind gemacht, manche sind kleiner - Frauen dürfen Auto fahren -, andere sind größer: Steuern.
Als außenpolitischer Hardliner gefährdet bin Salman seine innenpolitischen Anstrengungen jedoch selbst. Er lässt Jemens Norden bombardieren, wird dafür harscher kritisiert als der Iran, der die Huthi-Rebellen unterstützt. Immerhin ist ein Flughafen mittlerweile wieder für Hilfsgüter geöffnet. Tausende Kinder und Zivilisten sind bereits gestorben. Ein Ende ist nicht absehbar. Im Gegenteil: Die Gefahr ist groß, dass bin Salman weiter den Konflikt sucht, um Iran doch noch zu schwächen.
Unterstützung hat er. US-Präsident Donald Trump hält große Stücke auf den saudischen Prinzen, sogar Israel stellt sich auf die Seite Riads. Israel und Saudi-Arabien hegen nicht gerade Zuneigung füreinander, sie sind jedoch vereint in der Furcht vor dem Erstarken des Iran. In der „New York Times" heizte der Kronprinz den Konflikt weiter an und bezeichnete Irans Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei als „neuen Hitler". Es wird weitere Stellvertreterkriege zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien geben. Die Fragen sind, wann und wo.