Welche Kleinstaaten noch eine Chance auf die EM-Teilnahme haben Ab heute startet die Nations League in ihre entscheidende Phase. Was für die großen Fußballnationen wie eine lästige Pflichtaufgabe wirkt, ist für die Teams aus Gibraltar oder Luxemburg vor allem eines: eine Jahrhundertchance.
Es ist wieder soweit: Länderspielpause. Während in England und Deutschland die Fans und Trainer über die nervige Unterbrechung des Spielrhythmus fluchen, beginnt in den kleinsten Ländern Europas eine ganz heiße Phase. Denn die Regeln der Nations League sehen es vor, dass sich eine Mannschaft aus jeder der vier Ligen für die Europameisterschaft 2020 qualifiziert. Auch wenn die Play-Offs der Gruppensieger der ersten Liga Duelle zwischen Schwergewichten wie Spanien, Frankreich und Belgien versprechen, warten die ganz großen Emotionen in Liga Vier.
Hier haben zum ersten Mal auch die kleinsten UEFA-Mitglieder die Chance auf eine EM-Teilnahme. So auch Gibraltar. Der Fußballverband des 34.000-Einwohner großen Landes wurde 1895 gegründet und ist damit älter als der DFB. Trotzdem gelang dem winzigen Staat bis Mitte Oktober 2018 kein einziger Punktgewinn in einem Pflichtspiel. Das hat sich jetzt geändert. Innerhalb von vier Tagen gewann die bunte Gruppe aus Lehrern, Polizisten und Büroangestellten zwei Spiele in Folge und macht sich jetzt berechtigte Hoffnungen auf die Play-Offs der Nations League.
Auch wenn der erste Sieg gegen Armeniens Nationalmannschaft um Henrikh Mkhitaryan aus sportlicher Sicht sehr viel eindrucksvoller war, löste erst der Heimsieg gegen Lichtenstein die vollkommene Ekstase aus. Spieler und Fans lagen sich im ausverkauften Victoria Stadium teils tränenüberströmt in den Armen und konnten nicht fassen, was sich vor ihren Augen gerade noch zugetragen hatte.
Nationalheld Chipolina
Mittendrin: Joseph Chipolina. Der bisher völlig unbekannte und wahrscheinlich auch jetzt noch nicht prominente Abwehrspieler erzielte sowohl beim 1:0 gegen Armenien als auch beim 2:1 gegen Lichtenstein die Siegtore und führt nun mit zwei Toren die ewige Torschützenliste seines Landes an. „Dieser Sieg ist unglaublich für uns. Wir sind alle keine Profis und haben ganz normale Jobs“, sagt der vor Glück völlig aufgelöste Chipolina nach dem Spiel gegen Lichtenstein. Er selber, zum Beispiel, ist neben seinem Leben als Nationalheld hauptberuflicher Verwaltungsfachangestellter.
Im Rückspiel gegen Armenien geht es für ihn und seine Mannschaft um den größten Erfolg ihrer Länderspielgeschichte. Das Victoria Stadium unterhalb des Affenfelsens ist restlos ausverkauft. Die kleine Nation will das nächste historische Ereignis auf keinen Fall verpassen.
Georgien schon sicher weiter
Bereits für die Play-Offs qualifiziert ist Georgien. Der kleine Staat vom Schwarzen Meer konnte bisher jedes Spiel der Nations League gewinnen und ist von allen Fußballzwergen dem Traum von der ersten Teilnahme an einem großen Turnier am nächsten.
In der Gruppe D3 ist es noch spannend. Hier haben Aserbaidschan und Kosovo berechtigte Hoffnungen auf eine Play-Off-Teilnahme. Beide treffen am letzten Spieltag im wohl entscheidenden Spiel aufeinander. Dem Fußballverband des Kosovo, der erst 2016 der UEFA beigetreten ist, könnte ein Unentschieden zum Weiterkommen reichen.
Wie in Kosovo, träumt man auch in Luxemburg von der großen Sensation. Mit einem Torverhältnis von 10:1 und neun Punkten aus vier Spielen steht die kleine Fußballnation an der Tabellenspitze ihrer Gruppe. Der Erfolg ist eine ganz neue Erfahrung für die Mannschaft, die in Qualifikationsturnieren normalerweise zum Kanonenfutter der großen Nationen geworden war. In den letzten beiden Spielen gegen Weißrussland und Moldawien braucht Luxemburg vier Punkte. Gegen Moldawien rechnet der kleine Verband mit einem Sieg – schließlich gewann man das Hinspiel verdient mit 4:0. Im Spitzenspiel um Gruppe D2 könnte den Luxemburgern gegen Weißrussland also schon ein Unentschieden reichen.
Luxemburg ist aus dem Häuschen
Die Tragweite der Situation ist im Land zu spüren. In fast allen Kneipen und Restaurants soll es Public Viewing geben. Und auch die Mannschaft überlässt vor der großen Chance nichts dem Zufall. Zum ersten Mal in ihrer Länderspielgeschichte trainieren die Luxemburger unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Beim großen Showdown bauen die Fans auf ihren Toptorjäger Danel Sinani. Der stürmt normalerweise für den luxemburgischen Erstligisten F91 Düdelingen, der sich im Sommer als erstes luxemburgisches Team aller Zeiten für die Europa League qualifizierte. Im entscheidenden Spiel schoss Sinani zwei Tore. Der 21-jährige kennt sich also bestens mit dem Druck aus, den ein bevorstehendes Fußballwunder in Luxemburg auslösen kann.