Rabatte, Rabatte, Rabatte: Am Black Friday wird ordentlich geshoppt, erwartet werden Rekordumsätze. Wieder einmal. Konsumkritiker hingegen rufen zum Verzicht auf. Bringt das was?
Es ist so einfach: Da liegt man bequem auf der Couch, scrollt durch Instagram und findet das eine Paar Schuhe. Mit zwei Klicks ist es bestellt, in wenigen Tagen da. Das Lieblingsparfum ist leer? Kein Problem, zwei Klicks, gleich da. Ach, da war ja auch noch diese Handcreme, zwanzig Prozent Rabatt. Na, die nimmt man doch noch mit, ist ja ein Schnäppchen. Und so kommt es, dass der Paketbote fast öfter kommt als Freunde und die Papiertonne ständig mit Kartons verstopft ist. Was überspitzt klingt, kennen wohl viele, zumindest in Teilen.
In Deutschland wird immer mehr bestellt - und besonders viel am Black Friday. Der Schnäppchentag ist mittlerweile auch in Deutschland ein fester Bestandteil des Herbsts und für viele (vor allem Online-)Shopper ein wahrer Festtag: so viele Rabatte, so viele Schnäppchen. Immer mehr konsumieren, mehr besitzen - dazu gibt es mehr und mehr Kritik. Seit Jahren mehren sich Stimmen und Studien, dass vor allem die Bürger in westlichen, gut situierten Ländern über ihre Verhältnisse leben.
24 Stunden Konsumverzicht
Um dem etwas entgegenzusetzen, wurde der Kauf-nix-Tag (Buy nothing day) ins Leben gerufen. Am letzten Freitag bzw. Samstag im November (es gibt regionale Unterschiede) wird zu 24-stündigem Konsumverzicht aufgerufen. Er soll zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten und die weltweiten Auswirkungen anregen.
"Gute Idee, kaufe aber ausgewählt"
30 Jahre alt, Projektmanagerin: "Ich habe bereits einige Weihnachtsgeschenke im Kopf, bei denen ich weiß, dass es hierauf am Black Friday hohe Rabatte geben wird. Allerdings werde ich nichts Ungeplantes kaufen, nur weil Black Friday ist. Ich nutze die Rabatte vielmehr strukturiert für Anschaffungen, die ich sowieso gebraucht hätte. Die Idee eines Kauf-nix-Tags finde ich sehr gut. Gerade in Zeiten des Online-Handels und der stetigen Verfügbarkeit materieller Güter ist es sinnvoll, das eigene Kaufverhalten zu reflektieren. Ob hierfür jedoch ein einziger Tag ausreicht, weiß ich nicht. Vielleicht sollte man eher über einen längeren Zeitraum hierauf achten."
"Black Friday nicht mehr zeitgemäß"
27 Jahre alt, Studentin: "Ich werde garantiert nichts kaufen, um mich nicht an den ausbeuterischen Umständen zu beteiligen, unter denen die vermeintlichen Schnäppchen produziert werden. Der Black Friday ist in einer Welt, in der Nachhaltigkeit und Konsumkritik immer wichtiger werden, meiner Meinung nach absolut nicht mehr zeitgemäß. Ich selbst kaufe am liebsten Secondhand, über Apps wie Kleiderkreisel zum Beispiel. Wenn es unbedingt neu sein muss, überlege ich zweimal, ob ich das wirklich brauche."
Bereits seit 1992 gibt es den Anti-Konsum-Tag, ins Leben gerufen damals vom kanadischen Künstler Ted Dave. Seit 1997 gibt es ihn auch in Deutschland, sozusagen als vom Handel ungeliebter Stiefbruder des Black Friday. Aber wohl die wenigsten kennen ihn.
Was sind Black Friday und Cyber Monday?
Der Schnäppchen-Tag Black Friday kommt aus den Vereinigten Staaten. Dort werben Einzelhändler am Freitag nach Thanksgiving mit Rabattaktionen. Der Black Friday markiert für sie den Start des Weihnachtsgeschäfts. Am darauffolgenden Montag, dem Cyber Monday, läuten auch die Online-Händler ihr Weihnachtsgeschäft mit Rabattaktionen ein. Auseinanderzuhalten sind die Tage kaum noch - die meisten Händler nutzen beide Tage.
Auch in Deutschland sind die Rabatt-Tage mittlerweile bekannt. Nur sechs Prozent der Online-Shopper kennen die Aktionstage laut Deutschem Handelsverband (HDE) nicht. Der Verband rechnet für den Black Friday und Cyber Monday mit einem Umsatz von 3,1 Milliarden Euro in Deutschland - eine Steigerung zum Vorjahr von 22 Prozent.
Diese Frage hat sich die WISO-Redaktion gestellt. Wirklich große Rabatte sind an diesem Tag oft nur schwer zu finden, haben sie herausgefunden. Dafür haben sie eine Preisanalyse gemacht mit mehr als 3.000 Produkten und fast zwölf Millionen gesammelter Einzelpreise (Black Friday 2017). Den ganzen Artikel finden Sie hier.
Wirtschaftlicher Effekt spürbar?
Doch was bringt es, wenn Verbraucher sich dazu entscheiden, einen Tag lang nicht zu konsumieren - an einem Tag, an dem der Rest der Welt auf groß angelegter Schnäppchenjagd ist? Nicht viel, sagt Ulf Schrader, Professor an der TU Berlin.
Wenn der Tag bekannter wäre, wäre das anders: "Dann könnte ein solcher Tag schon eine breitere Auseinandersetzung mit dem Sinn und Unsinn von Produktneukäufen anregen", sagt Schrader, der das Fachgebiet Arbeitslehre/Ökonomie und Nachhaltiger Konsum an der TU leitet.
Doch momentan entfaltet der Tag kaum Wirkung. Auch beim Verband des Deutschen Einzelhandels klingt das ähnlich. Schon 2007 hieß es: "Wir haben noch nie irgendwelche Auswirkungen gespürt". Und heute? Erhebe man keine Daten darüber.
Einige Unternehmen gegen Black Friday
Über alledem steht die Frage, wie viel wirklich nötig ist: Wie viel müssen wir kaufen und besitzen? Vereinzelt finden sich Blogger oder Unternehmen, die beim Aktionstag mitmachen. Zu Konsumverzicht rufen die Unternehmen allerdings nur selten auf. Es liegt wohl in der Natur der Sache, dass Unternehmen, die auf Gewinne zielen, sich nicht die Umsätze eines Tages entgehen lassen. Doch es gibt Ausnahmen: Das nachhaltige Modelabel Armedangels beispielsweise hatte sich zwar nicht am Kauf-nix-Tag beteiligt, sich am Black Friday im vergangenen Jahr aber dazu entschieden, einen Teil der Umsätze zu spenden. Der Shop des österreichischen fairen Modelabels Dariadeh ging 2017 für einen Tag offline, als Zeichen gegen den Black Friday. Und der Outdoorkleidung-Hersteller Patagonia schaltete 2011 eine Anzeige in der New York Times mit der Überschrift "Don't buy this jacket" (Deutsch: Kaufen Sie nicht diese Jacke), mit der es zu weniger Konsum aufrief.
Aufruf zum Konsumverzicht für grünes Image?
Allerdings sind das alles Unternehmen, die ohnehin bereits mehr im Sinne der Nachhaltigkeit agieren als der Durchschnitt. Konsequentes Handeln lässt sich bei den großen Unternehmen nicht unbedingt beobachten. Aldi beispielsweise wirbt mit vermeintlich nachhaltigen Schlafanzügen aus Bio-Baumwolle - und gleichzeitig dem "Black Thursday". Für Ulf Schrader eine Möglichkeit, das Ansehen bei den Kunden zu erhöhen und eventuell auch den eigenen Anteil auf Märkten zu erhöhen, die eigentlich schrumpfen - Konsumverzicht und Nachhaltigkeit liegen eben gerade im Trend. Er wolle den Unternehmen aber nicht absprechen, dass es ihnen auch um die Sache gehen könnte.
Für Konsumkritiker soll es am Kauf-nix-Tag um anderes gehen: darum, den Wert der Dinge zu schätzen, Dinge zu reparieren, Dinge zu tun. Und wohl auch, sich bewusst zu machen, dass sie eben nur das sind - Dinge. Gänzlich auf Schnäppchen zu verzichten, muss deshalb aber nicht unbedingt sein. Wer mit nachhaltigem Bewusstsein gezielt Neues anschaffen will, dem ist es nicht verboten, auf aktuelle Preise zu achten.