Seit mehr als 35 Jahren reist der Satellit "Ice" durch unser Sonnensystem. Und "Ice" funkt munter weiter - nur Antworten bekommt er keine. Die Nasa hat die passende Funktechnik längst entsorgt.
Die Nasa hat die Sprache ihrer alten Satelliten vergessen. Im August nähert sich der "International Cometary Explorer" (Ice) der Erde. Er ist seit 1978 im Weltall unterwegs, erst zwischen Erde und Sonne, später auf einer Bahn um die Sonne. Und trotz seines hohen Alters sendet er weiter seine Signale.
In den vergangenen Monaten durchwühlten Ingenieure der Nasa alte Unterlagen. Sie wollten herausfinden, wie sie den Satelliten steuern können. Nun verkündeten sie auf Facebook: Es wird nicht funktionieren. Zuhören können die Ingenieure noch, aber ansprechen und steuern lässt sich "Ice" nicht mehr. 1999 hat die Nasa die alten Transmitter entsorgt, die Steuerbefehle sind verschollen.
Daniel N. Baker, Astrophysiker an der Universität Colorado, schlug im vergangenen Jahr vor, dass sich ein studentisches Projekt des Problems annimmt. Bis Juni ist noch Zeit, schreibt die Bloggerin Emily Lakdawalla. Wenn der Kurs bis dahin nicht korrigiert wurde, wird "Ice" den Rückweg in die Erdumlaufbahn nicht schaffen.
Bei Facebook regen nun Hobbyfunker dazu an, nach der alten Technik zu suchen. In irgendeiner Garage könnte das alte Nasa-Equipment schließlich noch stehen.
Aus dem Erdorbit um die Sonne geschleudert
Nasa-Ingenieure hatten daran gedacht, "Ice" zurück in eine Erdumlaufbahn zu holen - und ihn 2017 oder 2018 eventuell sogar auf eine neue Kometenmission zu schicken, schreibt Lakdawalla. Doch der Nasa fehlt das Geld, die vergessene Sprache wieder zu lernen.
Gerhard Schwehm von der Europäischen Weltraumorganisation Esa hält es für unwahrscheinlich, dass das Kommunikationsproblem gelöst wird. "Das ist ein ziemlicher Aufwand - und eigentlich technische Spielerei."
Für wirklich nützlich hält er "Ice" nicht mehr, zu sehr habe sich die Technik weiterentwickelt, auch wisse wohl niemand, welche Kommandos der Satellit noch versteht. Schwehm war damals gerade neu bei der Esa, den Missionsstatus verfolgte er noch am Telefon. Später betreute der Planetenwissenschaftler die Missionen "Giotto" und "Rosetta".
Am Anfang zwischen Sonne und Erde
Satellit "Ice" hat eine bewegte Geschichte - und sich als echte Quasselstrippe erwiesen: Das Goddard Space Flight Center der Nasa und die Esa schickten "Ice" vor mehr als 35 Jahren ins Weltall. "Isee-3" hieß er damals noch, "International Sun-Earth Explorer 3". Wo Erdanziehung und die Gravitation der Sonne im Gleichgewicht sind, sammelte "Isee-3" Daten über Fluktuationen im Magnetfeld.
1982 beschlossen die Goddard-Ingenieure, "Isee-3" weiter hinaus in den Weltraum zu schicken. Der Komet Giacobini-Zinner würde im Jahr 1985 der Erde nahe kommen, diese Chance wollten die Wissenschaftler um Goddard-Ingenieur Robert Farquhar nutzen. Sie nutzten das Kraftfeld der Erde, um den Satelliten erst zum Mond zu schleudern und von dort aus in eine Sonnen-Umlaufbahn.
Das Manöver glückte: 1985 war "Isee-3" nah genug an Giacobini-Zinner, um Daten zu sammeln. So erhielt er seinen neuen Namen "International Cometary Explorer", kurz "Ice". 1986 beobachtete er den Halleyschen Kometen. Von Solarzellen befeuert, reist er seither auf seiner Bahn um die Sonne, ein klein wenig schneller, als es die Erde tut. Im Herbst überrundet er seinen Heimatplaneten.
Zuletzt von "Ice" gehört hat im Jahr 2008 das Deep Space Network, schreibt Lakdawalla. Von den 13 Messinstrumenten waren beim damaligen Kontakt noch zwölf aktiv. Doch "Ice" hat Lakdawalla zufolge keinen Speicher an Bord, Daten können nur live empfangen werden. Und Schwehm gibt zu bedenken, dass es schwierig wird, den Satelliten zu verstehen: "Wenn der Transmitter eingeschaltet ist, können wir das Signal empfangen." Doch die übermittelten Daten können heute wohl nicht mehr übersetzt werden.
"Ice" bleibt einsam im All.
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