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„Der Donnersbergkreis hat eine gute Start-Position"

Breitbandausbau, Bildungsangebot, Infrastruktur, Gesundheitsversorgung: Wie gut ist der Donnersbergkreis für die Zukunft gerüstet? DIE RHEINPFALZ hat mit Landrat Rainer Guth eine Bestandsaufnahme für den Landkreis gemacht.


Herr Guth, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland – das ist das erklärte Ziel des dritten Berichtes zur Entwicklung des ländlichen Raumes, den Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner vor kurzem vorgestellt hat. Das Thema ist in der Öffentlichkeit nicht allzu präsent. Dagegen dominieren Wohnraummangel und hohe Mieten in Städten manchmal tagelang die Nachrichten. Ärgert Sie das?"

Es gibt verschiedene Arten von ländlichen Räumen, und der Donnersbergkreis hat eine Art Pole-Position. Je nach Ort sind wir in 20 Minuten in Mannheim oder in 40 Minuten in Mainz oder am Frankfurter Flughafen. Und es gibt gerade eine Trendwende, junge Familien orientieren sich um. Während der Corona-Pandemie haben viele darüber nachgedacht, was attraktiver ist: Eine Mietwohnung im siebten Stock oder ein Haus mit Garten. Diese Vorzüge, die wir haben und gerade aufbauen, müssen stärker kommuniziert werden. Julia Klöckner kommt vom Land und proklamiert das an jeder Ecke, aber der Widerhall im Land ist zu schwach. Und das wundert mich sehr."


Die Bundesregierung kritisierte, dass viele Kommunen die Fördergelder nicht nutzen würden. Woran liegt das?
"Wir freuen uns über jeden Cent. Aber der administrative Aufwand, bis dieses Geld fließt, ist  zu hoch. Es gibt viele Kontrollstufen und die Beschlüsse dauern zu lange, alles ist sehr zäh. Deshalb können manche Gelder im Förderzeitraum auch nicht voll ausgeschöpft werden. Ein gutes Beispiel ist der Breitbandausbau im Kreis: 2017 lief der Antrag zur Förderung schon, der Förderbescheid kam aber erst 2019. Zwei Jahre? Das ist zu lang."


Bleiben wir beim Breitbandausbau: Wie wichtig zuverlässiges Internet ist, ist spätestens seit der Pandemie unumstritten. Im Donnersbergkreis läuft der Ausbau gerade an und soll bis 2022 abgeschlossen sein. Trotz Ausbauplan geht es aber in manchen Dörfern immer noch nicht voran oder sie kommen im Ausbauplan gar nicht vor. Wieso?
"Der Donnersbergkreis ist sehr kleinteilig, und das holt uns bei der Infrastruktur ein. Die privatwirtschaftlichen Firmen haben zwar auf dem Land ausgebaut, aber nur dort, wo es sich finanziell lohnt. Die Versorgung ist deshalb wie ein Flickenteppich, und es ergeben sich immer wieder neue Löcher, die gestopft werden müssen. Aber: Jedes Dorf und jeder Hof wird am Ende des Ausbaus versorgt sein."


Ähnlich ist es ja auch beim Handynetz…
"Parallel läuft der Ausbau der Funkmasten. Bis 2021 sollen 20 weitere Masten im Kreis stehen. Meine Wunschlösung wäre aber Binnenroaming, wie es in vielen EU-Ländern üblich ist. Dort kann man über verschiedene Netze telefonieren, in Deutschland ist man bislang an seinen Betreiber gebunden. Im Kreis hätten wir dadurch enorme Lückenschlüsse."


Und wie steht es um 5G?
"Auch da haben wir schon erste Fortschritte erzielt: Um die Neumühle läuft aktuell ein 5G-Projekt. Und in der Alten Welt soll exemplarisch getestet werden, wie im ländlichen Raum die medizinische Versorgung über 5G funktionieren kann. Ohne sind viele Innovationen aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft, dem Gesundheitswesen und dem Katastrophenschutz nicht möglich."


Das Bildungsangebot gilt als wichtiger Standortfaktor, und der Donnersbergkreis ist hier gut aufgestellt. Doch vielen ländlichen Grundschulen droht die Schließung wegen geringer Schülerzahlen, wie es in Dannenfels der Fall war. Wie können kleine Grundschulen geschützt werden?
"Protest ist der einzige Weg. Die Landesregierung hat sich durch die geplanten Schulschließungen eine blutige Nase geholt und ist dann davon abgerückt. Wir haben im Donnersbergkreis eine Trendwende in der Bevölkerungsstruktur. Die Anzahl der Menschen, die hier leben, nahm nicht so sehr ab, wie prognostiziert wurde und steigt gerade sogar leicht. Wenn wir wollen, dass die ländlichen Räume rehabilitiert werden, wenn junge Familien aufs Land ziehen sollen, können wir keine Schulen schließen."


Kritisch steht es im Donnersbergkreis um die Gesundheitsversorgung: In den nächsten vier Jahren müssen 65 Prozent der niedergelassenen Ärzte nachbesetzt werden. Welche Lösungsansätze gibt es hierfür?
"Die Grundproblematik ist, dass zu wenige Ärzte ausgebildet werden. Darunter leidet das Land, und die Idee einer Landarztquote reicht nicht aus. Ärzte sind Mediziner, keine Betriebswirte. Sie werden aber im Moment gewissermaßen dazu gedrängt, ökonomisch zu praktizieren. Das wollen und können viele nicht. Da eine Wende zu schaffen, ist schwer. Momentan etablieren sich Medizinische Versorgungszentren (MVZ), in denen Ärzte wie Angestellte arbeiten. Diese sollen auch die Gesundheitsversorgung in der Region stärken. Gerade war Spatenstich für das MVZ Kirchheimbolanden. In Rockenhausen soll eine ähnliche Struktur geschafft werden, um junge Mediziner zu gewinnen. Da gibt es schon Gespräche mit dem Westpfalzklinikum und einem MVZ-Träger, der sich regional stark engagiert."


Auch der öffentliche Personennahverkehr ist ein wichtiger Punkt in dem Bericht und eine Schwachstelle des Donnersbergkreises. Welche Ideen haben Sie, um den ÖPNV zu stärken?
"Die Infrastruktur auf dem Land wurde lange stiefmütterlich behandelt. Wir müssen einige Dinge neu denken, ganzheitlicher. Dafür hat der Kreistag ein Mobilitätskonzept für 2021 erarbeitet – mit vielen Ideen, angefangen beim Radverkehr. Es werden fast nur noch E-Bikes verkauft, mit denen sich auch ältere Menschen gut im Kreis fortbewegen können. Die Alsenztalbahn und die Zellertalbahn könnten eine sehr gute Verbindung nach Mainz und ein Anschluss zum Fernverkehr sein. Beim Busverkehr sind wir gut in den VRN eingebunden. Künftig sollen aber auch die Kreisgrenzen überbrückt werden, gerade für Schüler (Anm. d. Red.: kurz nach dem Interview hat der Kreis den Zuschuss zum Maxx-Ticket gestrichen). Die Ruf- und Freizeittaxis sind leider nicht besonders frequentiert und könnten besser genutzt werden. Der Bekanntheitsgrad ist gering, die Buchung über die Kreisverwaltung umständlich. Das soll über eine App laufen."


Was muss passieren, damit der Kreis in der Zukunft nicht ausgebremst wird?
"Wir im Donnersbergkreis können hier naturnah, friedlich und gut versorgt leben. Das ist unsere Chance, und das müssen wir ausspielen. Unser Problem ist: Wir lassen uns schlecht reden. Dass wir abgehängt wären und das Leben auf dem Land unattraktiv sei. Jeder kann dazu beitragen, dass der Donnersbergkreis attraktiver wird. Die Nordpfälzer müssen sich nicht klein machen. Unsere Heimat ist eine tolle Region mit tollen Leuten und großen Potenzialen – und das dürfen wir uns nicht mies machen lassen."

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