
Der Saunaruhebreich der ersten Klasse im Alten Stadtbad Leipzig erinnert an einen orientalischen Palast
Von außen schlicht, von innen ein orientalischer Palast. Bis 2004 war das Alte Stadtbad Leipzig regulär geöffnet. Viele Leipziger haben noch sehr lebendige Erinnerungen daran. Die Förderstiftung Altes Stadtbad Leipzig bemüht sich darum, dass das die Schwimmbecken zukünftig wieder mit Wasser befüllt werden können. Bis dahin erfüllen Klänge die Räume, etwa beim Benefizkonzert der Reihe "Grundton D - Konzerte und Denkmaschutz" des Deutschlandfunks und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Im Rahmen der Reihe stellt Iris Milde das Alte Stadtbad vor.
Zum Nachhören (ab Minute 36)
Thärichen
"Mein Name ist Dirk Thärichen. Ich bin Vorstandsvorsitzender der Förderstiftung Leipziger Stadtbad seit 2006. Ich habe das Stadtbad noch selbst erlebt, wie es in Betrieb gewesen ist. Ein sehr schönes Bad auch in Leipzig sehr beliebt. Und mein persönliches Erlebnis hier mit dem Stadtbad ist, dass ich hier meine Rettungsschwimmerausbildung gemacht habe."
Artmann
"Mein Name ist Maria Artmann. Ich bin seit Ende 2019 bei der Förderstiftung. Habe dort angefangen als Leiterin Stiftungsmanagement, das mache ich auch immer noch und jetzt seit einem knappen Jahr bin ich auch Vorstandsmitglied. Ich kann mich noch sehr lebhaft daran erinnern, wie ich mit meinem Papa hier in dem Wellenbad unterwegs war und diese großen ein Meter hohen Wellen erleben konnte."
Fieberg
"Mein Name ist Thomas Fieberg, bin seit 2006 dabei, sozusagen ein Stadtbadtler der ersten Stunde, habe wie wir alle und wie wahrscheinlich 95 Prozent der Leipziger, hier drinne schwimmen gelernt. Habe auch ein besonderes Erlebnis, als ich ganz klein war. Mein Vater war Trainer hier im Kanu-Slalom damals und die haben hier im Winter im Wellenbad trainiert und ich habe am Rand gesessen mit solchen großen Augen und habe zugeschaut."
Flinth
"Mein Name ist Thomas Flinth. Ich bin auch einer der Mitarbeiter, die bei den Leipziger Wasserwerken damals diese Gründungsidee hatten. Und seit 2010 bin ich auch direkt im Vorstand tätig. Ganz viele kommen wirklich so mit gläsrigen Augen, sagen: Mensch, hier habe ich schwimmen gelernt, verbinden das mit wesentichen Abschnitten in ihrem Leben."
Autorin
Dirk Thärichen, Maria Artmann, Thomas Fieberg und Thomas Flinth sind die vier Vorstandsmitglieder der Förderstiftung "Altes Stadtbad Leipzig" und damit die treibenden Kräfte für dessen Erhalt.
Das Stadtbad befindet sich im Norden des Stadtzentrums, unweit vom Leipziger Hauptbahnhof. 1916 eröffnet war es fast einhundert Jahre ununterbrochen in Betrieb. 2004 musste das Bad wegen gravierender Deckenschäden schließen. Doch weil das noch nicht allzu lange her ist, kann sich ein Großteil der Leipziger ehr lebhaft an das Hallenbad und seine spektakuläre Ausstattung erinnern. Die drei Flügel des dreistöckigen Gebäudeensembles umrahmen einen kleinen Vorplatz. Das mittlere, zurückgesetzte Haus besitzt einen halbrunden Vorbau. Links daneben führen ein paar Stufen zum Haupteingang.
Maria Artmann führt durch das Treppenhaus mit opulenter floraler Deckenbemalung in die große Eingangshalle im Hochparterre.
Artmann
"Wir sind jetzt gerade in der repräsentativen Empfangshalle. Das ist quasi der erste Raum des Stadtbades, den alle Gäste betreten haben, wenn sie hier baden wollten oder wenn sie in die Sauna gehen wollten oder wenn sie eines der anderen Angebote nutzen wollten. Also es gab tatsächlich schon von Anfang an, seit 1916 hier immer auch Zusatzangebote. Also das fing an bei einer Wäscherei, bei Schlammpackungen, die man hier bekommen konnte, bei irgendwelchen therapeutischen, medizinischen Anwendungen."
Autorin
Damals löste man nicht einfach eine Tageskarte für alles. Die Besucher mussten wählen, ob sie etwa schwimmen oder saunieren wollten, ob sie ein galvanisches Bad nehmen, inhalieren oder ihren Hund baden lassen wollten.
Artmann
"Und es war damals ja so, das da noch eine strikte Geschlechtertrennung herrschte, deswegen Damenhalle, Herrenhalle. Und das, was wir jetzt sehen in dieser Empfangshalle, das ist eigentlich ein typisches Zeichen des Historismus. Man wird hier schon in eine andere Welt entführt. Das sieht man an den wunderschönen Säulen mit den ionischen Kapitellen. Dann hat man an der Decke oben ein Zahnschnittfries. Der Stadtbaurat Otto Wilhelm Scharenberg, der das Gebäude damals entworfen hat, er hat sich hier wirklich ausgetobt, hat sich so bisschen an den römischen Thermen bedient, oben im Saunabereich sieht man dann, dass er bisschen in den Orient gewandert ist, dass man ein bisschen wegkam vom Alltag auch und das beginnt hier gleich in dem ersten Raum, den man betreten hat."
Autorin
700 Tausend Einwohner zählte Leipzig in der Gründerzeit. Wohnraum war begrenzt. Kaum jemand verfügte über ein eigenes Badezimmer. So war eine Badeanstalt in der damaligen Zeit keine bloße Vergnügungseinrichtung, sondern eine hygienische Notwendigkeit, betont Thomas Fieberg.
Fieberg
"Die Leipziger mussten zum Waschen an den Fluss. Und eines der Probleme war, dass die wenigsten Menschen damals schwimmen konnten. Es gab da im Jahr vierstellige Anzahl an Ertrunkenen. Zuständig waren die Fischer, die einzigen, die schwimmen konnten. Die sollten sozusagen aufpassen, haben das aber nicht gelöst. Und da hat man sich entschlossen, wie in vielen deutschen Städten, so ein Stadtbad zu errichten. Man kam also her und hat sich eine Badewanne gemietet. Und das war der eigentliche Grund. Die Hygiene. Für Leipziger."
Autorin
1912 erfolgte der erste Spatenstich, vier Jahre später konnten die Leipziger eintauchen, ins wohlig warme Nass, aber vor allem in ferne Welten. Die Stadt hatte wahrlich nicht an Ausstattung und Ausgestaltung gegeizt. Ein Ausdruck des damaligen Selbstverständnisses der Bürger- und Messestadt.
Fieberg
"Zu der Zeit war Leipzig die drittgrößte Stadt Deutschlands mit Tendenz nach oben und stand in direkter Konkurrenz mit der Residenzstadt Dresden."
Autorin
Um dem barocken Prunk Dresdens mit Schloss und Zwinger etwas entgegenzusetzen, wurde ein monumentales Gebäude nach dem anderen geschaffen.
Fieberg
"Ein großer Hauptbahnhof, ein großes Stadtbad, ein großes Reichsgericht. Damals wurde geklotzt. Deshalb ist dieses Stadtbad auch so groß und mondän."
Atmo
Über einen Fußabtreter aus dünnen Holzleisten gelangt man in die Frauenschwimmhalle. Maria Artmann öffnet eine blau gestrichene Metallschranke, damit wir an den Beckenrand herantreten können.
Artmann
"Jetzt sind wir in der wunderbaren Frauenschwimmhalle, die wirklich fast komplett noch bauzeitlich erhalten ist. Hier sind also rund um das Becken wunderschöne Arkaden angeordnet mit sehr schönen dunkelroten Fliesen, die tatsächlich noch bauzeitlich sind wie fast alle Fliesen in dem Schwimmbecken noch bauzeitlich sind. In diesen Arkadengängen finden wir Umkleidekabinen, die man jeweils von hinten betreten hat."
Artmann
"Darin gibt es ein kleines Klappbrett, was man dann umgeklappt hat. Das war dann zugleich der Verschluss der Tür, hat sich dort umgekleidet und ist dort quasi in seiner Badekleidung in die Halle getreten, musste zunächst natürlich die Dusche nutzen, so wie das heute auch nach wie vor der Fall ist, damals hatte es aber den ganz besonderen Grund, dass es hier noch nicht die Schwimmbadtechnik gab, die heute Stand der Technik ist. Wir haben zwar im Keller große Sandfilteranlagen, wo das Wasser auch gefiltert wurde, aber damals kam natürlich noch keine Chemie zum Einsatz, sodass man spätestens im Hochsommer nach zwei Wochen das Wasser komplett wechseln musste, weil es grün geworden ist."
Autorin
Einer Welle gleich fällt das blau geflieste Becken bis auf zwei Meter fünfzig Wassertiefe ab. Über den Arkaden gibt es im ersten Stock eine umlaufende Galerie, wo sich weitere Umkleidekabinen befinden und man über das Geländer lehnend auf die Badenden hinabsehen konnte. Durch drei große Fenster auf der Giebelseite fällt gleißendes Licht in die Halle. Ein lost place par excellence, ein vergessenes Refugium. Seit 100 Jahren wurde die Frauenschwimmhalle weder modernisiert noch umgebaut. Die gelbe Farbe blättert in einem gleichmäßigen Muster von den Wänden.
Fieberg
"2003 ist in der Damenhalle, in der kleinen Schwimmhalle, ein Zehn-Kilo-Brocken von der Decke gefallen. Gott sei Dank außerhalb der Öffnungszeiten, nix passiert. Und es wurde daraufhin eine Untersuchung der beiden Hallendecken durchgeführt und es kam raus, dass beide Decken einsturzgefährdet sind und das war quasi das Ende für das gesamte Gebäude. Alles, was noch drinnen war – es war ein Restaurant drinnen, es war ein Friseur drinnen, es war die Sauna oben drinnen – ist mit in den Schließungsstrudel gezogen worden."
Autorin
Sagt Thomas Fieberg von der Förderstiftung Altes Stadtbad Leipzig. Dass das Bad nun wieder betreten werden darf, zu Führungen oder Veranstaltungen, ist einer umfänglichen Dach- und Deckensanierung zu verdanken.
Fieberg
"2010 gab es ja das bundesweite Konjunkturpaket 2, in der damaligen Krise, und zu dieser Zeit ist das Stadtbad damals mitbedacht worden. Und damit haben wir dann von 2010 bis 2013 die beiden Hallendecken saniert und das komplette Dach. Wenn das nicht gekommen wäre, würden wir heute hier nicht mehr stehen."
Autorin
Im gegenüberliegenden Flügel, vis-à-vis der Damenhalle, befindet sich die Herrenschwimmhalle.
Artmann
"Die Männerschwimmhalle war auch tatsächlich besonders."
Autorin
Erinnert sich Maria Artmann.
Artmann
"Zum einen ist die Halle viel, viel größer, also fast dopelt so groß wie die Frauenschwimmhalle. Und hier gab es schon 1916 die Besonderheit, dass hier eine Undosa-Wellenanlage im Gebäude war. Diese hat ein Meter hohe Wellen erzeugt. Das war die erste Wellenanlage in einem Hallenbad in Europa zur damaligen Zeit. Hier gab es einen Drei-Meter-Sprungturm für die Herren und auch eine Rutsche natürlich. Und das Schöne hier an diesem Becken, es läuft nach hinten flach aus, sodass man, besonders wenn die Wellen kamen, das Strandgefühl hatte. Gerade in diesem flachen Bereich. Man konnte sich da hinlegen, von den Wellen umspielen lassen."
Autorin
Die Männerschwimmhalle ist heute Veranstaltungssaal. Über dem Schwimmbecken liegt ein Fußboden. Die hohen Decken sind mit breiten Stoffbahnen abgehängt für eine bessere Akustik. Die rot gefliesten Säulen sind mit goldenem Glitzerstoff umhüllt. Vorn befindet sich die Bühne, hinten eine Bar. Thomas Flinth kümmert sich im Vorstandsteam der Förderstiftung Stadtbad Leipzig um die Vermarktung des riesigen Gebäudes.
Flinth
"Für die aktuelle Vermietung ist der Raum ganz bedeutend. Wir haben hier einen sehr, sehr großen, besonderen Raum, der wirkt einfach durch die großen Säulen und durch die Architektur. Man hat Platz für bis zu 400 Gäste und das wird auch rege genutzt, das Ganze fürs Leipziger Stadtbad, dass die Einnahmen auch verwendet werden für Stiftungsaktivitäten, für Öffentlichkeitsarbeit und auch für die Ausgestaltung von Eigenveranstaltungen, wie so einem Tag der offenen Tür."
Autorin
Die Förderstiftung Leipziger Stadtbad wurde 2006 auf Initiative der Leipziger Wasserwerke ins Leben gerufen. Dirk Thärichen ist seitdem Vorstandsvorsitzender. Die Immobilie selbst gehört der Stadt.
Thärichen
"Die Stadtgesellschaft damals mit dem Oberbürgermeister an der Spitze war sehr froh, dass die Förderstiftung das übernommen hat, die Kommunikationsarbeit, auch hier Führungen durchzuführen und natürlich auch – das muss ich ganz klar sagen – das Stadtbad vor dem Verfall zu retten."
Autorin
Die Ehrenamtlichen begannen, für die Sanierung des Bads zu trommeln und Spenden zu sammeln – auch mit außergewöhnlichen Aktionen, wie dem Plätzchenbacktag für Prominente im Saunabereich. Das erklärte Ziel der Förderstiftung war es von Anfang an, das Stadtbad irgendwann wieder mit Wasser zu füllen. Doch die Stadt Leipzig wollte sich des riesigen, sanierungsbedürftigen Gebäudes lieber entledigen und bot es 2013 zum Verkauf an.
Thärichen
"Auf der größten Immobilienmesse in Deutschland wurde das angeboten, auf der Expo Real, damals für einen Spottpreis von 500 Tausend Euro. Und dann ist natürlich immer die Schwierigkeit: Dann kommt hier irgendein Glücksritter und reißt sich so ein Gebäude unter den Nagel und dann weiß man auch nicht so richtig, was damit passiert, ist das nur ein Spekulationsobjekt?"
Autorin
Immerhin waren bis 2016 bereits drei Millionen Euro an Fördergeldern und Spenden in das Gebäude geflossen, weshalb auch Spender irrirtiert waren über den möglichen Verkauf. Thomas Dienberg, Bürgermeister und Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau erklärt die damaligen Verkaufsabsichten der Stadt Leipzig so:
Dienberg
"Diese Stadt war mal für 700 Tausend Einwohner konzipiert. Und wir waren dann in den Nullerjahren, nachdem der Exodus der jungen Leute in die alten Länder auch an Leipzig nicht vorbeiging, in einer Situation, wo wir unter 500 Tausend Einwohner waren. Das waren Zeiten, wo die Stadt sparen musste an allen Ecken und Enden. Dass es schließlich und endlich nicht veräußert worden ist, das finde ich einen wahnsinnigen Glücksfall. Und ich glaube, das sehen mittlerweile auch alle so."
Autorin
Weil die potentiellen Investoren keine tragfähigen Konzepte vorlegten, wurde der Verkauf schließlich abgeblasen. Im Juli vergangenen Jahres konnten die Mitglieder der Förderstiftung um Vorstandsvorsitzenden Dirk Thärichen endlich aufatmen: Der Stadtrat beschloss, dass das Bad in städtischer Hand bleiben soll, und beauftragte ein Planungsbüro mit der Erarbeitung eines Nutzungskonzepts. Derzeit werden zwei Varianten geprüft.
Thärichen
"Eine Variante, wo hundertprozent Wasser wieder drin ist und in der anderen Variante, wo es eine Mischnutzung gibt. Beide Varianten werden jetzt noch verfeinert. Aber grundsätzlich gehe ich mal davon aus, das wir Ende 2023 dann auch belastbare Zahlen vorliegen haben, auf denen der Stadtrat dann wieder neu entscheiden kann. Ja, wir sind durch ein Tal der Tränen gegangen, aber mittlerweile doch sehr, sehr optimistisch, dass das Ganze in die richtige Richtung geht."
Dienberg
"Ich sehe durchaus eine Nutzung, auch eine künftige Nutzung des Alten Stadtbads in seiner alten Funktion, dass dieses Bad wieder als Bad genutzt wird."
Autorin
Geht Baubürgermeister Thomas Dienberg einen Schritt weiter. Eine Kostenprognose wagt derzeit niemand. Sicher ist nur, dass die Ausgaben für eine Sanierung im zweistelligen Millionenbereich liegen würden. Aber ist die groß angelegte Sanierung eines historischen Schwimmbads in Zeiten von Energieknappheit und -teuerung nicht unrealistisch?
Dienberg
"Würde ich nicht sagen. Es kann allenfalls die Geschwindigkeit der Innutzungnahme, da kann Tmepo rausgehen. Das ist auch, wenn man ehrlich ist, sicherlich so. Und da geht sozusagen Sorgfalt vor Geschwindigkeit."
Autorin
Mit den Einnahmen aus dem Grundton D-Konzert und Spenden über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz soll demnächst die Deckenmalerei in der Eingangshalle wieder freigelegt werden, die Thomas Fieberg und seine Mitstreiter noch darunter vermuten.
Fieberg
"Jetzt muss man sich erstmal die Farbe anschauen, die drauf ist, wie kriegt man die wieder runter, ohne die drunter zu beschädigen. Also auch das kostet wahrscheinlich viel Geld, aber das ist es wert."
Autorin
Im Obergeschoss gleicht das Stadtbad einem Labyrinth aus Gängen und verschiedengroßen Räumen und Kammern.
Fieberg
"Jetzt sind wir in so einem Wannenbad. Und zwar gab es auch da erste und zweite Klasse. Die zweite Klasse, also für die ärmeren Leute, das ist dann unten im Keller ohne Tageslicht und viel kleiner, aber viel günstiger. Und das ist hier schon das höherklassige. Und hier haben wir noch eine Wanne, die ist noch original. Hier stand noch ein Spind, wo man sich ausgezogen hat. Man kam dann mit seiner Familie zum Baden hierher."
Autorin
Es gab eine Bank, einen Spiegel und einen Hocker und jedes Bad war in einer anderen Farbe gefliest.
Autorin
Ein wahres Fliesenfest erleben Besucher im Saunabereich im gegenüberliegenden Flügel.
Thärichen
"Das ist die Sauna der ersten Klasse mit den verschiedenen Tauchbecken. Im hinteren Bereich sind dann die verschiedenen Saunen. Aber natürlich sehr aufwändig für eine Sauna. Das ist wirklich fatastisch und in heutigen Zeiten fast nicht mehr vorstellbar, dass man so viel Liebe im Detail in so eine Sauna steckt."
Autorin
Sagt Dirk Thärichen. Das Abkühlbecken mit kaltem und das Entspannungsbecken mit warmem Wasser sind eingerahmt von orientalisch anmutenden Säulengängen. In der Sauna sind die marmornen Liegebänke mit Betonkeilen ausgestattet, auf denen man den Kopf ablegen konnte. Es gibt eine Dampf- und eine Trockensauna und einen Ruheraum, jeweils spiegelbildlich für die erste und – etwas bescheidener in der Gestaltung – für die zweite Klasse. Mal sieht man Fliesen mit Tiermotiven, mal Sterne, mal Wellenmuster.
Artmann
"Wir haben hier wahnsinnig viele bauzeitliche Fliesen. Und gerade bei diesen Fliesen hat sich der Otto Wilhelm Scharenberg ganz stark inspierieren lassen hier in diesem Saunabereich erster Klasse von der Alhambra in Granada. Also das ist wirklich wieder diese andere Welt, in die man entführt wird."
Autorin
Höhepunkt des Rundgangs im Leipziger Stadtbad und des Fliesenkults ist der Ruheraum der Sauna erster Klasse. In dem quadratischen Raum wird die profane Sanitäranlage zum Sultanspalast erhoben.
Fieberg
"Wenn die Sonne reinfällt, dann glitzert das alles und man kommt sich wirklich vor wie im Orient."
Autorin
An der dunkelblauen Decke prangen goldene Sterne. In der Mitte steht ein morgenländisch gefliester, sechseckiger Brunnen. Rechts und links führen zwei Holztreppen mit prächtig verzierten Geländern auf die Galerie im ersten Stock. Zwischen den umlaufenden Arkaden befanden sich kleine Kabinen. Die Gäste konnten den Vorhang zuziehen und dahinter beim Plätschern des Brunnens auf einer Liege entspannen.
Flinth
"Ja, es sind sehr viele Filmanfragen, die wir haben, Filmdrehs, auch Tierärztin Dr. Mertens ist hier auch gedreht worden."
Autorin
So Thomas Flinth. Und Dirk Thärichen fügt hinzu:
Thärichen
"Es gibt einen Dreiteiler in der ARD, Baron Münchhausen, Jan Josef Liefers in der Hauptrolle, und der ist hier gedreht worden, also wenn man sich vorstellt, dass man in Deutschland, einen orientalischen Palast braucht, dann muss man hier ins Leipziger Stadtbad kommen."
Autorin
Nicht nur bei Filmschaffenden und Fotografen ist das Bad beliebt, auch die Leipziger selbst kommen gern, um in Erinnerungen zu schwelgen. Führungen seien immer ausgebucht, erzählt Marketingverantwortlicher Thomas Flinth. Allein beim Tag des offenen Denkmals haben rund 1000 Interessierte das Bad besucht. Von außen schlicht, ist das Stadtbad im Innern ein schillerndes Denkmal mit vielen verblüffenden Details. Etwa dem Hundeschwimmbecken mit Trockenzwinger im Keller. Den zwei Einliegerwohnungen für die Schwimmmeister und deren Familien. Bis zu dem Fakt, dass die enormen Energiemengen, die für den Betrieb des Bads nötig waren, in den Anfangszeiten gratis geliefert wurden, erzählt Thomas Fieberg.
Fieberg
"Der Dampf war damals kostenfrei. Es gibt also einen Gang durch die Eutritzscher Straße. Gegenüber ist gleich das Kraftwerk und da wurde das Stadtbad mit Wärme, mit Dampf und mit Strom versorgt."
Autorin
Von diesen Zuständen kann man angesichts der derzeitigen Energiekrise nur träumen. Aber wer weiß, vielleicht wird das Leipziger Stadtbad zu einem Modell dafür, wie sich Denkmal- und Klimaschutz klug miteinander verbinden lassen.
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