Der 13. August ist Weltlinkshändertag. Ein Grund für uns darauf zu schauen, wie Linkshändigkeit im Berufsleben berücksichtigt wird. Seit den 1990er Jahren werden Linkshänder in der Schule nicht mehr systematisch auf die rechte Hand umerzogen. Das heißt, sie lernen schreiben, malen, ein Instrument spielen mit der linken Hand. Immer mehr selbstbewusste Linkshänder drängen also in die Berufswelt. Doch die ist darauf kaum vorbereitet. Iris Milde hat sich umgehört.
Dörfler
"Die Beatmungsgeräte, das Monitoring ist an vielen Stellen so aufgebaut, dass das alles von rechts funktioniert."
Autorin
Peter Dörfler ist Krankenpfleger und spezialisiert auf Anästhesie und Intensivpflege. Und er ist Linkshänder.
Dörfler
"Die Schwierigkeit geht halt schon los beim Laringoskop, also wenn der Kehlkopf gespiegelt wird, dass die Spatelblätter halt alle für Rechtshänder geeignet sind. Ich bekomme das schon hin mit der rechten Hand, aber links wäre wesentlich einfacher."
Autorin
Jeder Mensch hat eine dominante Hand, mit der er geschickter und schneller arbeiten kann. Bei den meisten ist es die rechte. Auf Linkshändigkeit bei Kindern geht die Schule inzwischen ein. In der Berufswelt dagegen ist das Thema Händigkeit noch nicht angekommen, sagt Peggy Hammerschmidt, Linkshänderberaterin in Dresden.
Hammerschmidt
"Also es gibt keinen Beruf, den ich kenne, wo explizit in den Lehrplänen etwas drinsteht zum Thema Händigkeit."
Autorin
Erhebungen zur Zahl der Linkshänder in Deutschland gibt es nicht. Schätzungen gehen von 10 bis 20 Prozent aus. Manche Experten halten weit höhere Werte für möglich. Doch Arbeitsplätze und auch die Arbeitsgeräte sind in der Regel für Rechtshänder konzipiert.
Hammerschmidt
"Wir werden keine idealen Arbeitsplätze schaffen können für Linkshänder. Aber wichtig ist uns überhaupt erstmal, dass im Berufsleben die Menschen sensibilisiert werden, dass es eben nicht so einfach ist, eine Kettensäge in die linke Hand zu nehmen."
Hünting
"Das fängt schon bei so einfachen Dingen, wie einem Cuttermesser an. In der Regel haben sie die Klingenauslösung mit dem Daumen. Nehmen sie es in die linke Hand, können sie das gar nicht auslösen."
Autorin
Sagt Ralf Hünting von der Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse. Werkzeuge werden mitterweile auch vermehrt für Linkshänder angeboten: Sägen, Hobel, Messschieber, Fräsen. Doch nicht jedem Arbeitgeber sei das bewusst, stellt Hünting in seinen Seminaren zur Arbeitsergonomie fest.
Hünting
"Dann gebe ich dem Rechtshänder, der offensichtlich alles mit rechts macht, dem gebe ich einfach einen Linkshänderkorkenzieher und bitte den einen Korkenzieher in einen Korkblock zu drehen. Komisch, der geht ja gar nicht rein. Und dann sage ich: Ach Mensch, habe ich ihnen ein Linkshänderwerkzeug gegeben. Und dann dämmert's ganz vielen."
Autorin
Für Großbetriebe sei es in der Regel kein Problem auch Werkzeugkoffer für Linkshänder bereitzuhalten. Für kleine Betriebe ist das oft eine Kostenfrage. Dabei ist klar, dass schwere oder präzise Arbeiten mit der schwächeren Hand nicht so gut ausgeführt werden können. Neben schlechteren Ergebnissen kann es dabei auch zu Unfällen kommen. Wie häufig, das weiß keiner.
Hünting
"Es gibt vom Gesetzgeber vorgegebene Unfallanzeigebögen. Da ist aber keine Abfrage, ob Links- oder Rechtshändigkeit."
Autorin
Für bestimmte Berufsgruppen haben Berufsgenossenschaften und Linkshänderberater inzwischen Handreichungen erstellt, wie Arbeitsplätze für Linkshänder eingerichtet werden können.
Hünting
"Meine Zielrichtung geht eher dahin, dass man sagt, man möge bitte die Arbeitsmittel als auch die Arbeitsplätze so auslegen, dass sie für beide benutzbar sind."
Autorin
Das hieße dann etwa Notfallabschaltknöpfe für Maschinen in der Mitte statt auf der rechten Seite anzubringen oder Maschinen zu bauen, deren Griff oder Schneideblätter sich leicht von einer Seite auf die andere ummontieren lassen. Da seien auch die Hersteller gefragt. Peggy Hammerschmidt plädiert dafür, Linkshändigkeit nicht als Problem, sondern als Möglichkeit zu verstehen, Arbeitsprozesse zu optimieren.
Hammerschmidt
"Zum Beispiel der Zimmerer wurde als Linkshänder früher viel besser bezahlt, wo es noch nicht Maschinen gab, wo man wirklich noch mit dem Beil den Balken bearbeitet hat. Also war es schneller möglich, der eine von der einen Seite, der andere von der anderen Seite."
Autorin
Mit der Industrialisierung kam die Einheitlichkeit. Schrauben erhielten ein rechtsdrehendes Gewinde. Arbeitsprozesse wurden auf rechts standardisiert. Viele Linkshänder haben gelernt, sich an die Rechtshänderwelt anzupassen. Sie wollen keine Umstände machen. Doch Arbeitnehmer mit ihrer starken Hand arbeiten zu lassen, mit der sie bessere Ergebnisse erzielen, sei nicht nur eine Frage der Chancengleichheit, sagt Peggy Hammerschmidt.
Hammerschmidt
"Wir können es uns heute überhaupt nicht mehr erlauben, auf solche Fachkräfte zu verzichten. Das weiß, glaube ich, jeder."
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