Sansoucci hat sie, das Dresdner Residenzschloss und das Schloss Wörlitz auch. Kostbare Wandbespannungen aus Seide. Diese sind vierlerorts, zum Beispiel im Krieg, verloren gegangen oder beschädigt worden und werden Stück für Stück restauriert. Das heißt, sie werden nach historischem Vorbild rekonstruiert und nachgewebt. Das ist eine Kunst, die in Deutschland nur die „Seidenmanufaktur Eschke“ beherrscht. Iris Milde stellt das Unternehmen in der sächsischen Textilstadt Crimmitschau vor.
Autorin
Goldener Efeu im Empfangszimmer der Königin auf der Burg Hohenzollern, üppige Blütenbouquets in Zartrosa im Schloss Sanssouci in Potsdam. Wandbespannungen aus Seide aus dem Hause Eschke sind in zahlreichen deutschen Schlössern zu finden.
Bäz
„Zu den Kunden gehören alle renommierten deutschen Schlösserverwaltungen.“
Sagt Torsten Bäz. Gemeinsam mit seiner Frau führt er seit 2020 die „Seidenmanufaktur Eschke“ im westsächsischen Crimmitschau. Die Firma sitzt in einem Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert im Zentrum der Textilstadt. Sonne scheint durch die hohen Fenster und verleiht den seidenen Stoffbahnen an der Wand des Besprechungsraums einen edlen Glanz. Gegründet wurde das Familienunternehmen 1868 in Mühltroff im Vogtland als klassische Baumwollweberei, erzählt der Geschäftsführer.
Bäz
„Und die Firma Eschke hat damals in Mühltroff schon angefangen mit Seide zu arbeiten, als Bekleidungsstoffe, aber auch als Kirchen-Paramentenstoffe.“
Autorin
In den 60er Jahren suchten die Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam eine Weberei, die historische Wandbehänge rekonstruieren könne und fanden sie in der Firma Eschke. Es folgten Aufträge für zahlreiche weitere Schlösser, Theater und Museen. In den 1990er Jahren schaffte das Familienunternehmen in vierter Generation unter Wolfgang Eschke erfolgreich den Sprung in die Marktwirtschaft. Doch Anfang der 2000er Jahre wurde die Konkurrenz aus Asien im Bekleidungsgeschäft zu groß.
Bäz
„Das hatte dazu geführt, dass die Firma in Mühltroff in Insolvenz gegangen ist und der Herr Eschke, mit seiner Frau zusammen, der Helga, sind hier nach Crimmitschau gegangen, mit einem kleinen Maschinenpark und haben angefangen, sich ausschließlich auf die Rekonstruktion historischer Stoffe zu konzentrieren.“
Autorin
Der Neuanfang glückte. Als das Ehepaar Eschke die Seidenmanufaktur aus Altersgründen abgeben wollte, fassten sich Peggy Wunderlich und Torsten Bäz ein Herz. Sie gelernte Kauffrau, er von Haus aus Instandhaltungsmechaniker. Beide hatten viele Jahre in der Textilbranche gearbeitet und bereits 2014 eine Manufaktur für historische Möbelbezugsstoffe übernommen.
Torsten Bäz schreitet durch eine lichte Halle, vorbei an großen Garnrollen.
Bäz
„Hier sind wir eingemietet in die Tuchfabrik Spengler & Fürst.“
Dann betritt er einen kleinen Raum, in dem drei Webmaschinen stehen.
Bäz
„..hier sind wir.“
Autorin
Herzstück der Produktion der Seidenmanufaktur sind die zwei Webstühle mit Jaquardsteuerung.
Bäz
„Und diese ist dafür verantwortlich in dem Webvorgang die Fäden an der Stelle hochzuheben oder unten zu lassen, sodass eben so ein wunderschönes Bild entsteht.“
Atmo
Webstube
Autorin
Torsten Bäz beugt sich über einen weißen, glänzenden Seidenstoff mit eingeweibten Eichenblättern.
Bäz
„Das ist für Ludwigsburg, fürs Schloss Ludwigsburg, Möbelstoff.“
Ist der Webstuhl einmal eingestellt, webt er automatisch. Blitzschnell entstehen kleine Zweige mit je einer Eichel und einem Blatt daran. Später, erzählt Torsten Bäz, werde das feine Gewebe in der Mitte durchgeschnitten.
Bäz
„Historisch gesehen ist die Wandbespannung, kennen wir unter dem Begriff auch Tapisserie, sind Breiten, die so zwischen 53 Zentimetern bis so 72, aber es ist traditionell an der Wand dann immer aneinandergenäht. Wenn Sie also in ein Schloss gehen, werden Sie feststellen, dass das alles zusammengenäht ist. Das nennt man klassische Breiten.“
Autorin
Denn auf klassischen Holzwebstühlen konnte man früher nur schmale Bahnen weben. Und am Ende soll die fertige Wandbespannung schließlich aussehen wie das jahrhundertealte Original. Dafür holen sich Peggy Wunderlich und Torsten Bäz Historiker und Textilrestauratoren mit ins Boot.
Bäz
„Der erste Gang ist immer, im Idealfall man hat noch ein altes Stück Gewebe, ist das sogenannte befundene, dass man eben wirklich unter der Lupe oder bis hin zum unterm Mikroskop einzelne Fäden zählt, einzelne Fäden anguckt.“
Autorin
Rekonstruktionen historischer Stoffe sind das größte Geschäftsfeld der Seidenmanufaktur Eschke. Daneben setzen die Crimmitschauer auch Entwürfe von Künstlern um, weben Seidenbilder und Paramente für Kirchen.
Im Showroom befindet sich eine Galerie der historischen Muster, die die Seidenmanufaktur in den vergangenen Jahrzehnten nachgewebt hat. Co-Geschäftsführerin Peggy Wunderlich bleibt vor einem silbrigen Gewebe stehen, das für die Königsloge im König Albert Theater in Bad Elster gefertigt wurde.
Wunderlich
„Da ist in der Mitte eine Krone, eine goldene und die wurde mit Hand broschiert. Das bedeutet, die Maschine hält an, man nimmt ein kleines Schiffchen und führt mit der Hand immer das Gold durch.“
Autorin
Das sind Kniffe, die hierzulande nur die Mitarbeiter der Seidenmanufaktur Eschke beherrschen, sagt Torsten Bäz nicht ohne Stolz.
Bäz
„Als Weberei sind wir wirklich die Einzigen in Deutschland. Es gibt aber noch ein, zwei Firmen, die organisieren das, die lassen dann hin und wieder in Frankreich fertigen, hin und wieder in Italien fertigen. Ja, ich würde mal jetzt sagen: Zu 80 Prozent landet man bei Eschke.“
Autorin
Die frischgebackenen Chefs wollen aber auch neue Akzente setzen: So arbeiten sie derzeit mit Partnern daran, die Produktion der Rohseide, die größtenteils aus Asien importiert wird, wieder nach Deutschland zu bringen.
Bäz
„Also die ersten Cocons liegen auf dem Tisch vom vorherigen Jahr. Es langt noch nicht dazu, um Garne zu sprinnen, aber wir wissen jetzt, wie es geht, und dieses Jahr wird es eine bedeutende Menge an Seide auch aus Sachsen geben.“
Autorin
Einheimische Seide werde dann nicht nur in der Textilverarbeitung gefragt sein, sondern auch im medizinischen Bereich, etwa als Nahtmaterial bei Operationen.
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