Dabei handelt es sich um grazile Gebäude aus Pappe, die von innen beleuchtet sind. Die Lichterhäuser haben zwar auch eine lange Tradition, sind aber im Vergleich zu Pyramiden, Räuchermännern oder Nussknackern kaum bekannt. Iris Milde nimmt sie mit in die Werkstatt von Birgit Uhlig in Olbernhau.
Birgit Uhlig
„So sind die Fassaden als erstes und dann muss man sämtliche Öffnungen ausbrechen so wie bei einem Bastelbogen.“
Autorin
Birgit Uhlig hält einen hellgelben Bogen Pappe in der Hand und drückt die vorgestanzten Öffnungen für die Fenster heraus.
Birgit Uhlig
„Dann kann als nächstes die Fenster eingeleimt werden, die wir bei der Firma Mäckel aus Burgstädt gekauft haben.“
Autorin
Birgit Uhlig nimmt ein kleines weißes Gitterchen aus Papier, das an die runden Spitzendeckchen für Torten erinnert, und leimt es hinter die Fensteröffnung. Danach klebt sie gelbesTransparentpapier dahinter. Fertig ist das erste Fenster der Seiffener Kirche.
Uhlig
„Die Häuser, die am meisten gemacht werden, sind die Seiffener Kirchen. Für viele, die ein bisschen weiter weg wohnen, ist Seiffen ja gleich Erzgebirge.“
Autorin
Neben dem vierzig Zentimeter hohen Gotteshaus umfasst das Sortiment von Birgit Uhlig noch 30 weitere Lichterhäuser. Die können Kunden im Musterzimmer bestaunen.
Birgit Uhlig
„Hier ist bei uns immer Weihnachten“
Autorin
Auf einem Weihnachtsberg stehen unzählige kleine Erzgebirgshäuschen und Kirchennachbauten. Alle stimmungsvoll von innen beleuchtet und dick verschneit. Vor den Häuschen stehen kleine Tannenbäume, winzige Holzstapel und Figürchen. In den Fenstern sieht man Gardinchen und Schwibbbögen.
Birgit Uhlig
„Viele Leute dekorieren sich zu Hause das Erzgebirge.“
Autorin
Der überwiegende Teil der Kunden kommt aus Deutschland. Meist handelt es sich um Sammler oder Menschen, die die Lichterhäuser noch aus ihrer Kindheit kennen. Denn die Lichterhäuser sind heute über das Erzgebirge hinaus nur wenigen ein Begriff. Früher dagegen, waren sie in der Region um Olbernhau weit verbreitet.
Birgit Uhlig
„Da wiederum hatte, glaube ich, fast jede Familie ein Lichterhaus.“
Autorin
Die ersten Lichterhäuser entstanden im ausgehenden 19. Jahrhundert. Sie wurden in aufwändiger Handarbeit unter Mithilfe der ganzen Familie gefertigt. Mit der zunehmenden Industrialisierung des Erzgebirges fanden sich aussichtsreichere Verdienstmöglichkeiten und so gab es immer weniger Papphäuselbauer.
Birgit Uhlig
„Die letzte Firma war die Firma Frieda Seifert. Die Familie hatte keine Kinder. Als sie halt im Rentenalter waren, ist das noch zwei Jahre in der VERO, also in dem Spielwarenbetrieb, naja, als lästiges Anhängsel mehr oder weniger weiterproduziert worden. Dann ist die Produktion eingestellt worden. Ungefähr 20 Jahre gab es keine Lichterhäuser zu kaufen.“
Autorin
Kurz vor der Wende nahm das Kombinat Holzspielwaren VERO Olbernhau die Produktion der Lichterhäuser wieder auf. Birgit Uhlig arbeitete damals in der Entwicklungsabteilung.
Birgit Uhlig
„Es war der Bedarf da, es war der Absatz da und es wurde trotzdem geschlossen. Da hatte ich spontan gesagt, ich würde das weitermachen. Aber ich habe das nicht gekriegt. Ich war auch nochmal in Berlin bei der Treuhand. Und da haben wir zu Hause eben, unsere Tochter, mein Mann, wir haben neue Häuser entwickelt, damit bin ich erst einmal in eine Seiffener Firma gegangen, habe ein paar Jahre dort gearbeitet und dann haben wir gesagt, wir fangen doch selber damit an.“
Autorin
1998 gründeten Birgit Uhlig und ihr Mann Uwe die Firma Erzgebirgische Lichterhäuser Birgit Uhlig in Olbernhau. Anfangs sind die beiden auf viele Fachmessen gefahren, seit fünf Jahren ist das nicht mehr nötig, berichtet die Chefin.
Birgit Uhlig
„Nussknacker, Räuchermänner, Pyramiden machen ganz viele Firmen. Hier sind wir bissl Exot im Weihnachtsgeschäft. Das merken wir dieses Jahr auch ganz besonders. Es ist Advent und in unserem Lager steht nicht ein einziges Lichterhaus.“
Autorin
Der Preis für ein Lichterhaus bewegt sich zwischen 85 und 400 Euro. Birgit Uhlig hat indes den achteckigen Baukörper der Seiffener Kirche gefaltet und zusammengeklebt. Nun muss es nur noch schneien.
Birgit Uhlig
„Das wird erstmal mit Farbe eingestrichen, wo man denkt, da hat's geschneit. Dann nimmt man das Sieb, füllt das mit Glasglimmer, streut wie Frau Holle, wenn sie die Betten ausschüttelt, den Schnee über die Dächer. Dann ist das alles winterlich verschneit.“
Autorin
Die winzigen Glasstückchen lassen den Schnee funkeln und glitzern. Auf die Wände setzt sie nun Dach und Glockenturm. Früher wurden alle Kirchtürme aus Holz oder Pappe gefertigt, inzwischen habe auch bei ihnen der 3-D-Drucker Einzug gehalten, sagt Uwe Uhlig.
Uwe Uhlig
„Die Zwiebeln und das, was früher als Drechselteil war, können wir jetzt auch achteckig machen, wie eine normale Kirchenzwiebel eben aussieht und das ist optisch schöner. Also wenn man sich gegen jeden Fortschritt verweigert, braucht man nicht weiterzumachen.“
Birgit Uhlig
„Der letzte Arbeitsschritt ist dann, dass bei der Seiffener Kirche Kurrendefiguren mit dem Leim daufgeleimt werden. Dann kommt immer erst Leben in die Häuser, wenn Figuren dazukommen.“
Autorin
Schließlich verschwindet die fertige Kirche zusammen mit der passenden elektrischen Beleuchtung im Karton. Früher wurden die Lichterhäuser mit Kerzen erhellt. Vermutlich haben deshalb nur wenige der frühen Häuser die Zeiten überdauert.
Birgit Uhlig
„Zu uns kommen ganz oft Leute, die ihr altes Lichterhaus zur Reparatur bringen. Man könnte zum Teil das gleiche Haus neu kaufen, aber die Leute lassen lieber ihr älteres Haus reparieren, weil ihre Erinnerungen ganz speziell an diesem Haus hängen. Irgendwie hat so ein Lichterhaus was Magisches.“
Autorin
Man merkt es der quirligen Frau mit dem dunklen Kurzhaarschnitt nicht an, aber Birgit Uhlig ist in diesem Jahr 70 geworden.
Birgit Uhlig
„Ich kann jetzt mit ganz ruhigem Gewissen an Rente denken, weil im kommenden Jahr unsere Tochter die Werkstatt weiterführen wird und unsere langjährige Mitarbeiterin auch dableibt und die zwei jungen Weiber werden das schon gut machen.“
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