Kinder
mit einer Behinderung sind oft noch als Erwachsene auf die Fürsorge
ihrer Eltern angewiesen. Aber auch nach dem Tod der Eltern sollen die
Kinder möglichst gut versorgt sein. Doch viele Behinderte beziehen
Sozialleistungen. Und wenn sie eine größere Erbschaft antreten,
kann das bedeuten, dass Sozialleistungen gekürzt werden oder ganz
wegfallen. Dies soll das sogenannte Behindertentestament vermeiden.
Iris Milde erklärt, was dahinter steckt.
Atmo
Jan singt zur Gitarre
Autorin
Jan ist 31 Jahre alt und lebt bei seinen Eltern. Er ist geistig und körperlich behindert. Da Jan sein Leben lang auf Hilfe angewiesen sein wird, haben seine Mutter Ilona Faust und ihr Mann mit einem Behindertentestament für ihn vorgesorgt.
Ilona Faust
„Wenn wir mal nicht mehr da sind, dass das für den Jan alles geregelt ist und er auch von seinem Erbe etwas hat. Dass er seine Freizeit ordentlich gestalten kann, dass er an Sachen teilnehmen kann, seine Ferienreisen, dass er gut leben kann.“
Autorin
Ein Behindertentestament aufzusetzen empfiehlt sich immer dann, so der Geschäftsführer der Notarkammer Sachsen Tim Hofmann, wenn der Mensch mit Behinderung, der später einmal erben soll, staatliche Sozialleistungen bezieht.
Tim Hofmann
„Wenn er jetzt erbt, dann müsste er diese Erbschaft zunächst aufbrauchen. Das heißt, im schlimmsten Fall aufgrund einer Erbschaft könnte es dazu kommen, dass die Sozialleistungen wegfallen und die Erbschaft aufgebraucht wird und erst dann wieder Sozialleistungen bezogen werden können, was natürlich nicht im Interesse der Eltern ist. Die wollen ja vielleicht auch von dem Vermögen noch etwas in die nächste Generation übergeben.“
Autorin
Dabei bedient man sich eines erbrechtlichen Winkelzugs: Das behinderte Kind wird als „Vorerbe“ eingesetzt. Ein Beispiel: Eine Mutter vererbt ihr Haus und eine Geldsumme an ihre Tochter und ihren behinderten Sohn zu gleichen Teilen. Das behinderte Kind erhält seinen Anteil als Vorerbe. Wenn das behinderte Kind stirbt, fällt sein Anteil an die Nacherbin, in diesem Fall seine Schwester. Der Besitz bleibt so in der Familie. Der Vorerbe kann auf das Erbe nicht zugreifen, aber die Mutter kann im Testament bestimmen, dass dem behinderten Kind gewisse Dinge aus dem Erbe finanziert werden.
Tim Hofmann
„Die Eltern möchten die Lebensstellung und die Lebensqualität des behinderten Kindes natürlich verbessern, möchten also, dass die Grundleistungen der Sozialhilfe erhalten bleiben, dass man aber aus der Erbschaft noch etwas obendrauf geben kann. Dass man zum Beispiel eine besondere Therapie, dass man die dem Kind zugute kommen lassen kann.“
Atmo
Jan macht Geräusche
Autorin
Auch die Eltern von Jan haben im Testament genau aufgezählt, was ihrem Sohn aus der späteren Erbschaft bezahlt werden soll:
Ilona Faust
„Einrichtungsgegenstände, Finanzierung von Hobbys und Freizeitaktivitäten, Zuzahlung für medizinische Behandlungen, Kuren, ähnliches, Zahnersatz, Ausstattung seiner eigenen Geburtstagsfeier, zusätzlich modische Kleidung.“
Autorin
Das Erbe selbst verwaltet stellvertretend für das behinderte Kind ein Testamentsvollstrecker.
Tim Hofmann
„Der Testamentsvollstrecker setzt praktisch den Willen des Erblassers aus dem Grabe heraus noch weiter um, damit das behinderte Kind nicht selbst Zugriff auf den Nachlass hat, denn dann hätte ja auch der Sozialträger potentiell Zugriff, sondern dass das abgeschirmt ist.“
Autorin
Obwohl das Behindertentestament Sozialleistungsträger benachteiligt, ist es inzwischen von Gerichten als nicht sittenwidrig anerkannt. Denn für den jeweiligen Menschen mit Behinderung ist es von Vorteil. Damit dieser tatsächlich von einer Erbschaft profitieren kann, muss das Behindertentestament nicht nur individuell abgestimmt sein, sondern ganz spezielle juristische Formulierungen enthalten. Deshalb sollte man unbedingt einen Notar oder Rechtsanwalt konsultieren, rät Tim Hofmann von der Notarkammer Sachsen.
Tim Hofmann
„Beim Notar die Beratung, egal jetzt wie viele Termine stattfinden müssen aufgrund der Komplexität jetzt gerade auch bei Behindertentestamenten, die ist immer inklusive. Das Testament kostet, was es kostet aufgrund der Beurkundungsgebühr, die sich nach dem Vermögen bemisst des Erblassers. Beratung, Entwurf und das wäre dann alles enthalten.“
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