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Iris Milde

Freie Journalistin, Dresden

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Radio-Beitrag

Ein Handwerk geht in Rente: Die letzten Butterformenstecher

Köhler, Posamentierer, Böttcher, das sind Berufe, die nur noch sehr wenige Menschen ausüben. Auch der Beruf des Holzformstechers oder Butterformenstechers ist vom Aussterben bedroht. Das Ehepaar Kerstin und Michael Fischer im Erzgebirge sind die letzten, die noch eine Butterformenstecherei betreiben. Doch nun gehen auch sie in Rente und mit ihnen ein ganzes Handwerk. Iris Milde hat die beiden noch einmal in ihrer Werkstatt

besucht.


Nachhören


Autorin

Das Erzgebirge ist tief verschneit. Die Gartenzäune entlang der engen Dorfstraße von Börnichen haben spitze Mützen aus Schnee. Die „Formstecherei Julius Martin“ befindet sich in einem gewöhnlichen Wohnhaus. „Handgefertigte Butterformen“ steht auf einem Schild neben dem Eingang. Julius Martin sei ihr Uropa gewesen, erzählt Kerstin Fischer, die heute den Betrieb gemeinsam mit ihrem Mann führt.


Kerstin Fischer

„Das hat 1896 angefangen mit meinem Uropa. Und dann hat nach dem Krieg, 1948, hat mein Opa angefangen. Und der hat das bis 1971 gemacht. Der ist dann ganz plötzlich an Herzinfarkt gestorben und da hat meine Mutter dann weiter gemacht.“


Atmo

Tür, Schritte, Sägen


Autorin

2005 habe ihr Mann das Geschäft übernommen. Sie sei nur angestellt, sagt sie bescheiden. Kerstin Fischer öffnet die Tür zur „kleinen Arbeitsstub“, wie sie ihre Werkstatt nennt.


Kerstin Fischer

„Die Arbeitsstub, da wird die Handarbeit gemacht, gestochen und eingepackt und so.“


Autorin

Von nebenan dringen Sägegeräusche herüber. In der großen Werkstatt sägt ihr Mann die viereckigen Butterformen vor und fräst die groben Konturen der Tiere hinein.


Atmo

Klappern, abpusten


Kerstin Fischer

„So sehen die aus, wenn die draußen reinkommen aus der großen Arbeitsstub.“


Autorin

Hahn oder Huhn, das ist noch nicht zu erkennen. Die feinen Details der einzelnen Tiere arbeitet Kerstin Fischer mit der Hand heraus.


Atmo

Klappern mit Formen


Kerstin Fischer

„Das sind Schafe, die gibt es in dreierlei Größen, und Hahn und Huhn, das ist der Hahn, und Kuh, Kuh Elsa groß und klein. Tauben und Doppeltauben für Hochzeiten, wo zwei Täubchen sich so anschauen. Und einen Schwan.“


Atmo

Werkzeuge zusammensuchen, ausschaben


Autorin

Sie nimmt einen Rohling aus dem Regal und spannt ihn auf der Werkbank ein. Mit Stechbeitel und Keule, einem zylinderförmigen Holzhammer, setzt die Formstecherin routiniert eine Furche neben die andere. Nach wenigen Schlägen hat das Huhn einen kleinen Kamm und einen Schnabel.


Kerstin Fischer

„Und jetzt kriegt es Schwanz und Federn.“


Autorin

Der Beruf des Formstechers, Formschnitzers oder auch Holzmodelstechers war einst weit verbreitet. Die einen stellten Druckmodel für den Stoffdruck her, andere Holzschnitte für Buchillustrationen, wieder andere schufen Formen für Lebkuchenbäcker und Bauern.


Kerstin Fischer

„Früher war das so, dass die jeder selber ihre Butter gemacht haben und dass die ihre eigenen Formen gehabt haben und dass die Leute erkannt haben: Ah, die Butter ist von dem und dem.“


Atmo

stechen


Autorin

„Was ist das jetzt?“


Kerstin Fischer

„Das wird Gras, wo der drinne steht. So, jetzt wird das Bein gemacht, der Schenkel.“


Atmo

Klopfen


Autorin

Schon als kleines Mädchen hat Kerstin Fischer viel Zeit in der Werkstatt verbracht.


Kerstin Fischer

„Immer aufgepasst, wie die gearbeitet haben. Und meine Kinder auch, die sind auch in der Arbeitsstub groß geworden.“


Autorin

Weder Kerstin Fischer noch ihr Mann sind ausgebildete Formstecher. Er ist gelernter KFZ-Schlosser, sie Köchin.


Kerstin Fischer

„Wir hatten einen Arbeiter gehabt, der hat 1957 bei uns angefangen mit arbeiten, 50 Jahre lang hat der bei uns gearbeitet, und der hat mir das beigebracht.“


Autorin

Kerstin Fischer denkt zurück. Vor der Wende habe sie für die schönen Butterförmchen kaum Zeit gehabt.


Kerstin Fischer

„Zu DDR-Zeiten, da haben wir ja unsere Aufträge über die Genossenschaft bekommen, da haben wir ein Haufen Melkschemel gemacht, für die LPGen. Und dann...“


Michael Fischer

„...haben wir uns etwas einfallen lassen und haben dann aus den Melkschemeln Sitzhocker gemacht.“


Autorin

Fügt Ehemann Michael Fischer hinzu. Außerdem produzierte die Firma nach 1990 vermehrt Butterformen und Stollenbretter. Typisch erzgebirgische Volkskunst eben.


Kerstin Fischer

„Früher war hier in Börnichen in jedem Haus ein Handwerksbetrieb, die haben irgendwas gemacht. Manche haben Rührlöffel gemacht, manche Pyramiden. Da war einer, der hat Nussknacker gemacht. Wir sind die, die letzten...“


Atmo

Form stechen, zusammenklappen


Autorin

Erzählt die Formstecherin wehmütig. Inzwischen ist das Hühnchen fertig ausgestochen.


Kerstin Fischer

„Muss noch geschliffen werden außenrum und hier müssen noch Dübel rein, dass man die zusammenmachen kann.“


Autorin

Nur etwa fünf Minuten braucht die Formstecherin für eine Hälfte, zwei werden dann zusammengepresst, um ein Butterstück darin zu einem Huhn zu formen.


Kerstin Fischer

„Da kann man dann noch ein paar Pfefferkörner nehmen und kann Augen draus machen und bissl Petersilie in den Schnabel.“


Autorin

Kerstin Fischer ist 63 Jahre, ihr Mann 69.


Michael Fischer

„Mit fast siebzig kann man ja dann langsam aufhören.“


Autorin

Nun wollen sie endlich in Rente gehen. Die letzten Butterformenstecher.


Kerstin Fischer

„Die handgestochenen sind wir die Einzigen, die das machen.“


Autorin

Ihre vier Kinder sind inzwischen erwachsen und in anderen Handwerksberufen tätig. Keiner der Jungs wollte die Werkstatt übernehmen und sie als Eltern hätten auch nicht darauf gedrängt, sagt Kerstin Fischer.


Kerstin Fischer

„Das wollen wir unseren Kindern nicht antun. Das ist ein hartes Brot. Man muss ja auch dann das Zeug verkaufen und die Leute wollen nicht groß was bezahlen und wer stellt denn heute noch Butterformen auf den Tisch? Die Arbeit macht sich ja gar niemand mehr.“


Autorin

Fast die gesamte Produktion verkaufen sie über Großhändler. Ihr Online-Shop werfe kaum etwas ab. Der Preisdruck sei enorm, die Konkurrenz groß, da Butterformen und Stollenbretter heute in der Regel maschinell hergestellt werden und aus Fernost oder dem Nachbarland Tschechien kommen.


Kerstin und Michael Fischer

„Das sind die machinengefrästen und die sehen nicht so schön aus wie unsere.“


Autorin

Corona habe dagegen kaum Auswirkungen auf ihren Umsatz gehabt.


Kerstin Fischer

„Wir machen schon immer Home office.“ (lacht)


Autorin

Nur ein paar Händler, die auf Märkten verkaufen, hätten im vergangenen Jahr keine Ware abgeholt.


Atmo

Schritte, Werkzeug aussuchen, stechen


Autorin

Kerstin Fischer wechselt die Werkbank. Dort liegt ein Stollenbrett. Ein Brett mit gestochenem Motiv, auf dem zu Weihnachten der Stollen serviert wird. Behände sticht sie eine Nadel nach der anderen an den Tannenzweig. Ein Bäcker habe im neuen Jahr noch einen Schwung bestellt, denn auch Stollenbretter stelle von Hand sonst niemand mehr her außer ihnen.


Kerstin Fischer

„Dieses Jahr, wenn jemand was will, machen wir noch was und dann...“


Autorin

Und dann wird die Werkstattür zugeschlossen. Wie es aussieht, für immer.


Atmo

Schlüssel im Schloss




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Erstellt am 15.02.2021
Bearbeitet am 15.02.2021

Quelle
https://www.deutschlandfunkkultur.d...

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Alle Rechte vorbehalten
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Themen-Tags
aussterbende berufe alte berufe handwerk butterformen
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