Am 20. März dieses Jahres mussten in Sachsen alle Gaststätten, Hotels, Cafés und Bars schließen. Den Gastronomen entging nicht nur das lohnende Ostergeschäft, sondern wurde die komplette Geschäftsgrundlage entzogen. Viele Betriebe befürchteten das Aus. Mitte Mai durften Hotels und Gasstätten wieder öffnen und die Sächsische Schweiz wurde wie die Ostsee von Inlandstouristen förmlich überrannt. Doch kann das die Verluste vom Frühjahr wieder wettmachen? Über die Situation der Gastronomen in der Sächsischen Schweiz berichtet Iris Milde.
Autorin
Die Elbe fließt träge dahin. Die spitzen Felsnadeln am gegenüberliegenden Ufer sind wolkenverhangen. Es ist der erste Regen in der Sächsischen Schweiz seit Langem. Dann und wann rollen Radfahrer vorbei. Der Elbradweg zwischen Dresden und der tschechischen Grenze führt direkt am Landgasthaus „Ziegelscheune“ vorbei. Wirt Frank Leupold sitzt auf der Terrasse am Fluss und beobachtet, wie immer wieder Radfahrer anhalten und einkehren.
Leupold
„Wir sind richtig gut gebucht. Der Run setzte ja mit dem 15. Mai ein. Das Telefon stand ja drei Tage lang nicht still. Die Leute haben ja Zimmer gebucht ohne Ende. Da haben wir uns wirklich sehr gefreut.“
Autorin
Die Corona-bedingte Schließung habe auch sein Unternehmen, das eigentlich gut laufe, hart getroffen, erzählt Frank Leupold. Denn der April und der Mai seien die umsatzstärksten Monate im Jahr. Und da der Gastronom das Personal auch über die traditionell umsatzschwache Winterzeit gehalten hat, wiegt dieser Ausfall jetzt doppelt schwer.
Leupold
„Wir haben letztes Jahr auf dieses Jahr das erste Mal das Personal komplett durchbeschäftigt. Natürlich gehen wir damit in die roten Zahlen. Sehenden Auges. Wir wissen aber auch, dass wir mit dem Ostergeschäft praktisch alles wieder auf Null fahren können und nach Ostern dann zu Pfingsten wieder bei Null starten. Dieser Plan ist natürlich nicht aufgegangen dieses Jahr, sodass wir nach dem Ostergeschäft noch weiter runter gerutscht sind und dann wirklich das Wasser bis zum Hals stand und wir gesagt haben: Also Freunde, machen wir überhaupt wieder auf?“
Autorin
Am 24. April klemmte sich Frank Leupold gemeinsam mit anderen Wirten aus der Sächsischen Schweiz ein paar Stühle unter den Arm und zog damit in der nahen Kreisstadt Pirna auf den Marktplatz. Jeder leere Stuhl stand für einen der rund 500 Gastronomen in der Region. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga rechnete damals vor, dass 30 bis 50 Prozent der Unternehmen die Krise nicht überleben könnten. Diese Gefahr sei abgewendet, so Thomas Pfenniger vom Dehoga Sachsen.
Pfenniger
„Ab 15. Mai wurden die Tore wieder geöffnet. Das war wie eine Schleuse, wo plötzlich viel Wasser kommt, so kamen eben viele Touristen, die raus wollten.“
Autorin
Die Buchungszahlen in der Sächsischen Schweiz schnellten auf bis zu 100 Prozent hoch, so Pfenniger. Gleichzeitig mehrten sich Beschwerden über Schwarzcamper im Nationalpark und Schwarzparker in den engen Felsschluchten.
Pfenniger
„Der hintere ländliche Raum ist sehr, sehr gut besucht. Aber dann gibt es eben die etwas größeren Städte wie Pirna zum Beispiel, die sind nicht so stark frequentiert. Dort fehlen einfach die Veranstaltungen, ja das Einkaufen, keiner hat Lust, mit Maske einkaufen zu gehen, das behindert alles. Das sorgt natürlich dafür, dass gerade dort die Hotellerie und Gastronomie nicht so extrem besucht ist.“
Autorin
Busreisen, Konferenzen, ausländische Touristen fehlen. Dafür kommen mehr Individualreisende aus dem Inland ins Elbsandsteingebirge. Den Verlust des Frühjahrs kann das jedoch nicht wettmachen, meint Pfenniger.
Pfenniger
„Da fehlen uns fast zwei Monate, die fehlen! Und bevor man die kompensiert hat... Man kann ja Betten und Restaurantbesuchsplätze nicht doppelt verkaufen.“
Autorin
Frank Leupold von der Ziegelscheune lehnt sich zurück und lässt den Blick über das Felspanorama gleiten. Er schaut wieder mit Hoffnung in die Zukunft. Er hat Kurzarbeitergeld und Soforthilfe erhalten, außerdem einen Corona-Hilfskredit aufgenommen. Wenn er nicht wieder schließen muss, könne er mit einem Umsatzrückgang von zwanzig Prozent aus dem Jahr gehen.
Leupold
„Die Herausforderung dieser Tage sind ja nicht die Gäste, die ja zahllos kommen. Sondern das Personal. Hier draußen sitzt der Umsatz, aber wir haben keine Hände, die ihn einsammeln.“
Autorin
Eine Mitarbeiterin tippt Frank Leupold auf die Schulter. Er wird in der Küche gebraucht.
„Das Telefon glüht. Ich habe zum Glückt seit diesem Jahr eine Büromitarbeiterin. Ich bin ja abends immer auch noch im operativen Geschäft, also im Service beschäftigt, weil ich ja auch nicht genug Personal habe. Ich muss leider ganz vielen Leuten immer absagen.“
Sagt auch Beate Werner-Michel von der Ottendorfer Hütte. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie die Wanderherberge mit Kletterschule aufgebaut. Die durchtrainierte Frau, deren blonde Haare zu einem Knoten gebunden sind, öffnet einen Holzbungalow.
Werner-Michel
„Das ist also das Zehner-Zimmer.“
Autorin
Ein riesiges Doppelstockbett, darin zehn Matratzen. Die kann sie wegen der Corona-Hygiene-Regeln zurzeit nicht voll belegen.
Werner-Michel
„Aber das ist im Moment auch gar nicht so schlimm. Wir schaffen es auch gar nicht, im Moment mehr als 40 Gäste hier zu haben.“
Autorin
Sie und ihr Mann seien sieben Tage die Woche, zwölf Stunden täglich im Einsatz. Es fehle einfach an Personal. Diese Klage von Gastronomen ist nicht neu. Und obwohl inzwischen nach Schätzungen des Branchenverbandes Dehoga 50 Prozent der Arbeitnehmer in der Gastronomie aus Tschechien kommen, ist der Personalbedarf längst nicht gedeckt. Im Gegenteil, durch den Ansturm der Touristen in diesem Jahr hat sich die Situation verschärft.
Autorin
In der Morgensonne auf der Terrasse der Ottendorfer Hütte sitzen noch einige Gäste und frühstücken, andere haben schon ihre Wanderrucksäcke gepackt und ziehen los. Dank Kurzarbeitergeld und Soforthilfe vom Bund seien sie gut durch die Krise gekommen, der Sommer laufe überdurchschnittlich gut, betont Beate Werner-Michel, aber die Zeit nach den Ferien bereite ihr Bauchschmerzen.
Werner-Michel
„Im September sind ja dann wieder die Ferien zu Ende und dann haben wir nämlich das nächste Problem, dass unsere ganzen Schulkassen weggebrochen sind. Also wir haben eigentlich wochentags in der Regel Schülergruppen da. Und am Wochenende sind halt die Touristen hier.“
Autorin
Der Dehoga hofft, dass sich die Saison dieses Jahr bis in den Winter zieht und Gäste, die einmal die Sächsische Schweiz besucht haben, wieder kommen. Beate Werner-Michel ist skeptisch.
Werner-Michel
„Ich bin schon bisschen in Sorge, dass die Leute, wenn die dann wirklich wieder fliegen können, dass die dann doch wieder nicht zu uns kommen. Dass das so herrlich, wie das jetzt war, so kontinuierlich läuft, das glaube ich nicht, dass das weitergeht.“
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