Von Iris Milde, MDR AKTUELL - Es gibt viele Gründe für einen Minijob: Der Rentner, der seine Rente aufbessert. Der pflegende Angehörige oder die alleinerziehende Mutter, die möglichst flexible Arbeitszeiten brauchen. Ein Minijob ist eine geringfügige Beschäftigung. Das heißt, der Minijobber darf nicht mehr als 50 Stunden pro Monat arbeiten oder nicht über 450 Euro monatlich verdienen. Ansonsten haben Minijobber die gleichen Rechte wie jeder andere Arbeitnehmer auch.
Die Anwältin für Arbeitsrecht, Theresa Beyer, kennt aus der Praxis allerdings viele Fälle, in denen Minijobbern ihre Rechte verweigert wurden: "Der Minijobber ist kein Arbeitnehmer zweiter Klasse, auch wenn er in der Realität sowohl vom Arbeitgeber als auch von den Kollegen oft so behandelt wird. Sie haben als Minijobber auch einen Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wie ein Arbeitnehmer, der Vollzeit oder Teilzeit arbeitet."
Wer einen Minijob ausübt, hat neben bezahltem Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auch einen Anspruch auf Kündigungsschutz, Mindestlohn sowie auch auf Leistungen bei Krankheit des Kindes oder Mutterschaft. Doch für einen erheblichen Teil der Minijobber sieht die Realität anders aus, sagt Stefan Theuer. Er ist Co-Autor einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Stefan Theuer: "Von den geringfügig Beschäftigten haben 35 Prozent gesagt, dass sie keinen bezahlten Urlaub bekommen und knapp 46 Prozent bekommen keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall"
Im Gegensatz zu Voll- und Teilzeitbeschäftigten kennen viele der rund sieben Millionen Minijobber - 400.000 allein in Mitteldeutschland - ihre Rechte nicht oder fordern sie nicht ein. Aber auch so mancher Arbeitgeber ist mit der Rechtslage offenbar nicht vertraut.
Und das, obwohl Minijobber und Arbeitgeber von der Minijobzentrale schriftlich darüber informiert werden. Die Interviews hätten gezeigt, dass zwischen Arbeitgeber und Minijobber ein stilles Einverständnis besteht, erzählt Theuer. Geld gibt es nur für tatsächlich geleistete Arbeit.
"Das entspricht dem Prinzip, wie früher Tagelöhner bezahlt worden sind. Mehr als ein Drittel der Minijobber bekommt nur Geld, wenn sie auch gearbeitet haben", sagt Theuer.
Es ist gang und gäbe, dass Fehltage nachgearbeitet werden oder Arbeitgeber kurzfristig - also weniger als vier Tage im Voraus - abgesagte Arbeitseinsätze nicht honorieren. Dabei sei es die Pflicht des Arbeitgebers, Arbeitsrechte zu gewähren, betont Anwältin Beyer.
Theresa Beyer, Anwältin für Arbeitsrecht : "Die Arbeitgeber machen sich auch strafbar. Leider hilft das Ihnen als Arbeitnehmer nichts. Sie müssen für sich als Arbeitnehmer Ihre Rechte durchsetzen.
Doch davor schrecken viele Minijobber zurück. Gerade im Niedriglohnsektor sind die Arbeitnehmer auf den Minijob angewiesen oder haben schlichtweg Skrupel, ihre Rechte notfalls auf dem Klageweg einzufordern. Nachfragen von MDR AKTUELL ergaben, dass es bei den Arbeitsgerichten kaum zu Klagen von Minijobbern kommt. Auch die Gewerkschaft kann kaum helfen, da nur wenige Minijobber gewerkschaftlich organisiert sind. Christel Tempel von Verdi fordert deshalb mehr Mut von den Betroffenen, sieht aber auch den Gesetzgeber in der Pflicht, die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte zu kontrollieren.
"Es ist schon nötig, dass man sagt, man kann nicht alles über die Gewerkschaften klären, sondern da muss es eben auch eine Behörde geben, die sich ähnlich wie beim Mindestlohn darum kümmert, dass die Leute aus ihrer Benachteiligung rauskommen", findet Tempel.
Beim Mindestlohn ist es der Zoll, der die Einhaltung kontrolliert. Einer Studie des Leibnizinstituts für Wirtschaftsforschung zufolge kommt der Mindestlohn bei über 85 Prozent der Minijobber an. Vor seiner Einführung wurde in der Öffentlichkeit lange über das Thema debattiert. Eine groß angelegte Informationskampagne hält der Arbeitsmarktforscher Stefan Theuer vom IAB auch beim Thema Minijob für das richtige Mittel, um ein öffentliches Bewusstsein für die Rechte von Minijobbern zu schaffen.
MDR aktuell, 6.7.2017
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