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Wie eine Freiwillige aus Kanada Ukrainer mit Fantasie unterstützt

Die Kanadierin Ivanka Solkovska hat ukrainische Vorfahren. Daher konnte sie nach Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine nicht stillsitzen. Sie fuhr in die Heimat ihrer Vorfahren, um den Menschen vor Ort zu helfen.

Gleich in der ersten Woche des russischen Krieges gegen die Ukraine flog die Kanadierin Ivanka Solkovska nach Europa. Zunächst half sie Flüchtlingen an der Grenze. Als die Fluchtwelle etwas kleiner wurde, bot sie in verschiedenen ukrainischen Regionen ihre Hilfe an. Um Kinder in einem Waisenhaus zu betreuen, sammelte sie Geld auf Instagram. Sie ging mit in die Luftschutzkeller und brachte Kinder aus dem Kriegsgebiet in sicherere Regionen.

Ivanka Solkovska unterbrach dafür ihre Arbeit. In Toronto hat sie ein Unternehmen als Lifecoach und Ordnungsexpertin. „Meine beiden Großeltern waren Ukrainer. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie aus den Dörfern, in denen sie lebten, nach Deutschland gebracht und gingen nach dem Krieg nach Kanada. Viele meiner Verwandten blieben in der Ukraine. Als der Krieg begann, konnte ich also nicht einfach dasitzen und zusehen und nichts tun", sagt Solkovska, die selbst Ukrainisch spricht.

Rund drei Wochen verbrachte Solkovska in Butscha in der Region Kiew und half den Bewohnern beim Wiederaufbau ihrer Häuser. Butscha wurde besonders hart von der Brutalität des russischen Militärs getroffen: Sie kontrollierten die Stadt etwa einen Monat lang und töteten in dieser Zeit nach Angaben der ukrainischen Behörden mehr als tausend Zivilisten.

Blumen statt Einschusslöcher

Solkovska kam Ende April in der Stadt an. Dort traf sie während ihrer Freiwilligenarbeit einen Anwohner, dessen Sohn bei der Verteidigung starb. Das Haus des Mannes wurde bombardiert. „Er erzählte mir seine Geschichte und weinte, was Männer in der Ukraine selten tun", sagt sie. Er wollte seine Heimat verlassen, weil es dort keine Freude mehr für ihn gab.

In dem Zaun vor seinem zerstörten Haus waren so viele Einschusslöcher, dass man einen neuen Zaun braucht. „Aber warum einen neuen Zaun errichten, wenn dahinter eigentlich kein Haus mehr ist?", sagt Solkovska. So entstand die Idee, darauf Blumen zu malen. Der Zaun des Mannes war der erste in Butscha, auf dem anstelle von Einschusslöchern bunte Blumen auftauchten.

Nachfrage nach Blumen

Während Solkovska Blumen malte, baten Nachbarn, auch ihren Zaun zu verzieren. Insgesamt schmückte sie fünf Zäune in der Stadt mit Blumen - und belebte so eine ruhige Straße. „Die Stadtverwaltung von Butscha veröffentlichte Fotos meiner Blumen, vorher war es nicht die belebteste Straße, aber jetzt fingen Autos an, öfter dorthin zu fahren. Viele Leute wollten diese Arbeit sehen", sagt sie.

Nach einem Aufenthalt in Lemberg wollte Solkovska nach Kanada zurückkehren. Wann genau, weiß sie aber nicht: Immer mehr Ukrainer - aus Butscha, Irpin, Gostomel - melden sich bei ihr und bitten sie, Blumen auf ihre Zäune zu malen. Solkovska sucht unter den Anwohnern eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für die Blumenaktion. Sie möchte, dass die Ukrainer dies selbst fortführen.

Wieder lächeln

Natürlich werden die Blumenzeichnungen die Traumata der Ukrainer nicht heilen, räumt Solkovska realistisch ein: „Aber zumindest für die Zeit, in der die Bewohner ihre Zäune reparieren können, wird es die täglichen Erinnerungen an das Grauen, das dort passiert ist, mildern."

Butscha sei ihr zweites Zuhause geworden. Sie will wieder zurückkehren, um den Bewohnern, die bereits ihre Freunde geworden sind, weiterzuhelfen. Der Mann, dessen Zaun sie zuerst bemalt hatte, könne wieder lächeln, sagt Solkovska. Er habe gesagt, dass er zum ersten Mal seit Kriegsbeginn wieder mit Freude auf den Ort schauen könne, an dem er lebe. (epd/mig)

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