Meine Ukraine ist jetzt 24 Jahre alt. Sie ist fünf Jahre jünger als ich. Am 24. August 1991 wurde sie geboren. Ihre Mutter, die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik, starb bei der Geburt. Ich habe sie nicht wirklich gekannt, ich habe nur sehr vage, verschwommene Kindheitserinnerungen. Doch sie hat meiner Ukraine ein derart großes Erbe hinterlassen, dass ich mir ein deutliches Bild von ihr machen kann.
Stickige Luft in alten sowjetischen Betonklötzen, Teppiche an den Wänden in den Wohnungen, kalte Suppen in den Kantinen. Verklemmt, ängstlich und naiv war die Mutter USSR. Aber selbst in schwierigsten Zeiten hatte sie für jeden eine Tasse Tee und ein gutes Wort parat, erinnern sich nostalgisch manche Zeitzeugen.
Es gab schon immer Menschen, die behaupten, dass meine Ukraine eigentlich besser nie geboren worden wäre. Dass sie nie unabhängig werden könne, weil sie zu schwach sei, nur ein Zufall der Geschichte, eben Folge des Niedergangs der Sowjetunion. Daran habe ich nie geglaubt. Und wenn man schon so argumentiert, sind wir nicht alle irgendwie Zufälle der Geschichte?
.........
Zum Original