"Mei bist du a süßes Puppi", sagen ältere Damen und wollen den Rock der Lolita heben, um den Petticoat zu sehen und anzugreifen. Männer sagen oft gar nichts, sondern drücken gleich auf den Auslöser ihrer Handykamera. Die Lolitas bleiben in Wiens Straßenbild nicht unbemerkt. Begeistert vom Gothic & Lolita Streetwear-Phänomen aus Tokyo, tragen sie Spitzen- und Rüschenkleider zu Bonnet und Mary Janes - und sind stets perfekt geschminkt.
Die "komischen Blicke", die sie für ihren viktorianisch inspirierten Look erhalten, nehmen die Lolitas oft gar nicht mehr wahr. Aber distanzlose Passanten, die sie berühren und fotografieren, ohne zu fragen, nerven immer wieder. Keineswegs sorgt der historisierende Look nur in Wien für Aufregung. Lolitas weltweit stellen Fotos von aufdringlichen Neugierigen ins Internet. Aufsehen erregen sie besonders dann, wenn sie in Gruppen auftreten. Wie das zum Beispiel bei Treffen von "Gothic Lolita Austria", dem Verein für japanische Lolitamode, der Fall ist. "Punks können von Passanten zugeordnet werden, Lolitas noch nicht", sagt Daniela, Gründungsmitglied und mit 28 Jahren eine der Älteren im Verein. "Die Leute glauben oft, dass wir Bühnenkostüme oder eine spezielle Tracht tragen." Diese Frage zu beantworten, ist ein Nebeneffekt des Vereins - und mit einer griffbereiten Visitenkarte getan. Eigentliches Ziel ist die weltweite Vernetzung der lokalen Community und das Knüpfen von kulturellen Kontakten.
Daniela war 2003 eine der ersten Lolitas in Wien. Die gebürtige Steirerin kam nach Wien, um Germanistik zu studieren. Als sie im Internet die japanische "Gothic & Lolita Bible" entdeckte, ließ sie sich erst einmal ein Kleid in dem Stil nähen. Später bestellte sie online bei japanischen Modelabels. Damals war das noch ein Problem, weil die Webshops keine Englischübersetzung hatten und sie mangels Kreditkarte nur mit Western Union zahlen konnte. Dazu kommt, dass die Kleider am zierlichen Körperbau der Japanerinnen orientiert sind und in One-Size-Fits-All Art lediglich im Rücken via Gummizug zu regulieren sind. Bisher ungelöst ist das Problem mit den Ärmeln, die meist zu kurz sind.
Phänomen aus dem Internet
Kontakt zu anderen europäischen Lolitas hat Daniela über Internetsuchmaschinen mit den Schlagworten "Japan" und "Anime" gefunden. Im Lauf der Zeit haben sich die Lolitas über den Anime- und Mangaverein Animexx online organisiert. Die ersten Lolitas in Wien hat sie zufällig kennengelernt. Auf Jasmin ist sie bei Claire's in der Mariahilfer Straße gestoßen und auf Lea bei einer Anime Convention. In den vergangenen Jahren sind sie zu Freundinnen geworden und haben schließlich 2011 den Verein gegründet. Zum Interview im Cafè Latte hat sie die beiden mitgebracht.