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Mit der Lizenz zum Wetten

Oliver Kahn wirbt seit 2013 für Tipico und ist in der Werbung des Wettanbieters omnipräsent.

An Oliver Kahn gibt es kein Vorbeikommen. Was jahrelang auf dem grünen Rasen galt, findet nun seine Fortsetzung auf der Werbefläche. Seit 2013 ist der dreifache Welttorhüter die omnipräsente Werbefigur des Sportwettenanbieters Tipico. "Ihre Wette in sicheren Händen" verspricht der Torwarttitan dabei. Das Problem: Rein rechtlich stehen private Sportwettenanbieter wie Tipico hierzulande nach wie vor auf höchst unsicheren Füßen. Anders als auf dem Spielfeld fehlen dem Treiben der Sportwettenanbieter einheitliche Spielregeln. Seit fast knapp einem Jahrzehnt versuchen Landespolitiker erfolglos, den Markt zu regulieren. Statt Ordnung zu schaffen, ist die Unordnung nur noch größer geworden.

Doch damit soll in Zukunft Schluss sein. Ende März haben sich die 16 Bundesländer darauf verständigt, den Markt ab 2020 für private Anbieter zu öffnen. Die vergebenen Lizenzen sollen dann anderthalb Jahre gültig sein, bis Mitte 2021 eine komplette Neuregelung des Sportwettenmarkts ansteht und die Monopolsituation Geschichte sein wird. Wie in der Vergangenheit mutiert die Konsensfindung dabei zur Mammutaufgabe. Nur wenn alle Bundesländer sich einig sind, können Maßnahmen verabschiedet werden.



Fest steht: Zugelassen werden ab kommendem Jahr erstmals alle Anbieter, die die vorgeschriebenen "qualitativen Mindestanforderungen" in Bereichen wie Jugend- und Manipulationsschutz erfüllen. Bislang war das nur dem Angebot von Oddset, der staatlichen Lotto-Tochter, vorbehalten. Alle anderen Anbieter bewegten sich im Graubereich, nachdem die erste Lizenzvergabe der Bundesländer 2011 wegen Intransparenz von Gerichten im Eilverfahren gestoppt wurde. Seitdem liegt das Verfahren auf Eis. Den Anbietern von Sportwetten kam die Blockade nicht ungelegen. Die privaten Sportwetten-Unternehmen haben sich sogar vom Europäischen Gerichtshof attestieren lassen, dass niemand ihr Treiben bestrafen darf, da der Staat nicht in der Lage war, ihnen Lizenzen zu erteilen. 

Die nun im Wortungetüm "Dritter Änderungsglücksspielstaatsvertrag" von den Ländern vereinbarte Neuordnung drückt sprachlich passend aus, wie verworren die Lage mittlerweile ist. Noch ist gänzlich unklar, was sich zum Jahreswechsel 2020 konkret ändert. Regulieren ja, aber bitte nicht um die komfortablen Freiheiten berauben, lautet die Hoffnung etablierter Anbieter. Denn das Tipp-geschäft ist in der Grauzone geradezu explodiert. In den zurückliegenden sechs Jahren haben sich die Wetteinsätze von 3,8 Milliarden Euro auf rund 7 Milliarden Euro jährlich fast verdoppelt. Die großen Anbieter sind mittlerweile auch die großen Sponsoren des Sportgeschäfts. Zuletzt bewegte sich das jährliche Werbebudget der Branche auf die 400-Millionen-Marke zu – Marktführer Tipico gab allein 2018 mehr als 160 Millionen Euro für Werbung aus (siehe Infografik).


Lizenzen ja, aber zu welchen Bedingungen?

Die aktuell diskutierten Einschränkungen von Live-Wetten, bei denen Spieler während laufender Sportereignisse auf den nächsten Torschützen oder Elfmeter setzen, verfolgt die Branche mit Sorge. "Live-Wetten machen 60 bis 80 Prozent des Sportwettenumsatzes aus. Alle Einschränkungen sind sofort ein wirtschaftlicher Schaden", sagt Mathias Dahms, Präsident des Deutschen Sportwettenverbands. Falle diese attraktive Spielform weg, werden Spieler in den unkontrollierten Schwarzmarkt gedrängt, warnt der Lobbyist. Sorgen bereitet Dahms auch das im Staatsvertrag verankerte monatliche Einsatzlimit von 1000 Euro pro Spieler: "Für einen Hartz-IV-Empfänger ist die Summe möglicherweise zu hoch, für einen Millionär hingegen zu niedrig. Sinnvoller wäre es, wenn Spieler bei der Registrierung ihr Einsatzlimit selbst bestimmen." Auch die Online-Casinos, die alle großen Sportwettenanbieter im Portfolio haben, könnten illegal werden und den Anbietern als finanziell wichtiges Standbein wegbrechen. 


Die Marktfhrer Tipico und Bwin investierten 2018 zusammen rund 230 Millionen Euro in Werbung  der Groteil davon floss ins Fuballsponsoring

Die Marktführer Tipico und Bwin investierten 2018 zusammen rund 230 Millionen Euro in Werbung – der Großteil davon floss ins Fußballsponsoring

Beim österreichischen Wettanbieter Bwin bereitet man sich im Hintergrund auf mögliche Lizenzauflagen vor. Der sehr wahrscheinliche Fall, dass das Wettverhalten von Spielern online erfasst und an eine Regulierungsbehörde übermittelt werden muss, stellt für den international agierenden Anbieter keine Hürde dar. In anderen regulierten Märkten in Europa hat Bwin solche Datenbanken bereits erprobt, könnte seine Spieler also sehr schnell an eine deutschlandweite Sperrdatei anschließen lassen.


Big Player zukünftig mit Wettbewerbsvorteilen 

Fraglich ist aktuell, wie effektiv aufgestellte Regeln überhaupt überwacht werden können. "Die Glücksspielaufsichtsbehörde ist für die bestehende Monopolsituation konzipiert und nicht für eine Vielzahl von Anbietern. Dafür fehlen ihr schlicht die Ressourcen", sagt Professor Tilman Becker, geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Uni Hohenheim. 



Auch wegen der zahlreichen Unwägbarkeiten sieht Stephan Heilmann, Head of DACH Bwin, der Neuordnung mit Spannung entgegen: "Nur wenn die Lizenzauflagen marktkonform sind, wird der Markt weiter wachsen. Dann würden Lizenzinhaber und Marken mit der höchsten Brand Awareness davon besonders profitieren können." Weitere Marktsteigerungen von bis zu 20 Prozent in den nächsten drei bis vier Jahren hält auch der Deutsche Sportwettenverband für möglich. "Da ist noch Luft nach oben. Nur für kleinere Anbieter wird es in Zukunft deutlich schwerer werden", so Dahms. Das geänderte Lizenzverfahren sieht nämlich vor, dass Anbieter ihre Bonität nachweisen und dazu mindestens 5 Millionen Euro als Sicherheitsleistung hinterlegen müssen.


© HORIZONT

Lizenzierte und zugleich wirtschaftlich gut aufgestellte Anbieter liegen im Interesse von denjenigen, die Oliver Kahn und Co als festen Bestandteil ihrer Werbepausen zu schätzen wissen. Vermarktungs- und Beratungsunternehmen wie Magic Sports Media setzen auch in Zukunft auf eine enge Zusammenarbeit mit den Wettanbietern. "Es ist uns wichtig, dass auch im Rahmen einer gewünschten Regulierung die wirtschaftlichen Rahmenbindungen stimmen, damit den Anbietern ein sinnvolles Marketing möglich ist und entsprechendes Werbebudget zur Verfügung steht", so deren Geschäftsführer Andreas Blaue. 

„Die Glücksspielaufsichtsbehörde ist für die bestehende Monopolsituation konzipiert und nicht für eine Vielzahl von Anbietern. Dafür fehlen ihr schlicht die Ressourcen.“
Tilman Becker

Aktuell ist die Werbebereitschaft unter den Wettanbietern groß. Anders als etwa in Großbritannien darf vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeitunterbrechung für private Sportwettenanbieter geworben werden. Neben der TV-Präsenz hat sich die Branche auch auf den Sponsorentafeln der Bundesligavereine einen festen Platz gesichert. 17 von 18 Bundesligisten haben eine Partnerschaft mit einem Wettanbieter (siehe Tabelle). Auch wenn Oddset nur marginale 2 Prozent des Gesamtumsatzes erzielt, sponsert der einzige staatliche Anbieter aktuell fünf Erstligisten. Mit Tipico und Bwin werben die beiden Marktführer des Wettmarkts für Bayern München und Borussia Dortmund, das Spitzenduo des deutschen Fußballs. Die Werbeinvestitionen der namhaften Wettakteure hat sich in den vergangen fünf Jahren oft mehr als versechsfacht.

Ob die Marktregulierung zum Bremsklotz oder Wachstumsmotor der Milliardenbranche wird, zeigt sich erst 2021. Bis dahin hat auch der Werbetitan Kahn seinen Platz im TV-Kasten vertraglich sicher und beweist, dass man auch mit fast 50 Jahren an jedem Bundesligaspieltag im Einsatz sein kann. Henrik Rampe

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