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Deshalb interessieren sich Versicherungen für Ihr Surfverhalten

Verbraucherzentralen warnen bereits seit Jahren vor einem sorglosen Umgang mit persönlichen Daten im Web. Besonders kritisch sind digitale Gesundheitsangebote, sie liegen voll im Trend und stehen im Verdacht, den User rund um die Uhr zu überwachen. An solchen e-Health-Tools haben Versicherungen ein großes Interesse. Sie locken Kunden mit günstigeren Beiträgen oder attraktiven Bonusprogrammen, wenn Kunden ihre Daten per Smartphone-App der Versicherung übermitteln und dadurch ein gesunder Lebensstil erkennbar ist.

Neue Geschäftsfelder mit Fitness-Daten

Für viele Versicherte sind solche Angebote attraktiv, doch die 24-Stunden-Selbstüberwachung hat auch eine Kehrseite: Alle Informationen, die eine Fitness-App sammelt, bleiben leider nicht nur in den Händen des Nutzers. Anbieter wie Fitbit oder Runtastic arbeiten fleißig an zukünftigen Geschäftsmodellen und kooperieren im Rahmen von betrieblichen Vorsorgeprogrammen bereits mit großen Unternehmen und verhandeln auch mit Versicherungen. Auch der Versicherungskonzern Generali testet in Europa einen Tarif für eine Lebens- und Krankenversicherung: Per App sollen sportliche Aktivitäten, Vorsorgetermine und Ernährung berücksichtigt werden. Neben Gutscheinen für Fitnessstudios sollen Versicherte auch Rabatte erhalten.

Ihre persönliche Daten sind goldwert

Der Datenanalyst Markus Morgenroth warnt in seinem Buch Sie kennen dich! Sie haben dich! Sie steuern dich! Die wahre Macht der Datensammler vor einer unkontrollierten Weitergabe persönlicher Daten. In seinem Buch beschreibt der Autor unter anderem wie solche Daten eine Milliardenbranche befeuern: So sammelt etwa die Firma „Acxiom" zu Marketing-Zwecken in vielen Ländern Daten über dessen Bewohner. Nach eigenen Angaben bietet das Unternehmen beispielsweise „Informationen zu Bevölkerung, Haushalten, Beschäftigung und Kaufkraft" sowie „Diagnosepotenziale, kombiniert mit soziodemografischen, -ökonomischen, -psychologischen und raumbezogenen Daten" für die Zielgruppenansprache an. Hochinteressante Daten für die Versicherungs-, Banken- und Werbebranche.

Online-Verhalten zur Prüfung der Bonität

Neben Versicherungen interessieren sich auch Kreditinstitute für personalisierte Kundendaten - einige Banken wägen die Bonität anhand von Konsum- und Online-Verhalten ab. Nach Aussage von Douglas Merrill, Gründer von zest finance und ehemaliger Chief Information Officer von Google, nutzen Banken zur Berechnung der Kreditwürdigkeit von Privatpersonen über 70.000 verschiedene Kriterien: Standortinformationen, Telefonie-Verhalten oder Profile aus sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing oder LinkedIn fließen mit ein. Sogar die Dauer, wie lange ein Antragsteller benötigt, um das Online-Formular auszufüllen und selbst die Fehlerquote, wird vermerkt. Falls Sie an einem „falschen Ort" wohnen, die "falschen" Apps installiert haben, beim Ausfüllen des Antragsformulars abgelenkt wurden oder einen Laptop, Tablet oder PC mit anderen nutzen, senkt eventuell Ihre Kreditwürdigkeit und die Aussicht auf einen Kredit verschlechtert sich.

Datenschutzrechte unter Beschuss

Zwar herrschen in Europa noch relativ starke Datenschutzgesetze, die einen unerlaubten Zugriff auf sensible Daten blockieren sollen - von Seiten der Industrie wird allerdings durch intensive Lobbyarbeit an den strengen EU-Datenschutzrechten kräftig gerüttelt. Ob der Datenschutz in der heutigen Form auch in Zukunft noch bestand hat, bleibt ungewiss. IT-Experten raten, dass man seine persönlichen Daten nicht leichtfertig im Web verteilt und sich genau informiert, was mit den Daten anschließend passiert, die man einem Unternehmen anvertraut. Letztendlich müssen Sie als Nutzer immer Risiken gegen Vorteile abwägen, den eins ist sicher: wir leben in einer digitalisierten Welt und daran wird sich zukünftig auch nichts ändern.

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