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11. September - als der Terror ein Gesicht bekam

Rhein-Neckar/New York, 11. September 2016. (red) Jeder, der am 11. September 2001 kein kleines Kind mehr war, kann sich an diesen Terroranschlag erinnern. Die Flugzeuge, die in die Wolkenkratzer krachten. Die Panik. Das Chaos. Die zusammenstürzenden Gebäude. Die Vereinigten Staaten haben danach der „Achse-des-Bösen" den Krieg erklärt. Gewonnen wurde er bis heute nicht.


Kommentar: Hardy Prothmann


Wo waren Sie? Ich war in der Stadt unterwegs. Erledigungen besorgen, Kaffee trinken, das Leben genießen. Dann kam ein Anruf: „Hardy, fahr nach Hause, mach den Fernseher an. Das glaubst Du nicht. New York ist mit Flugzeugen angegriffen worden."

Ich fuhr nach Hause, schaute im Fernsehen die Bilder und recherchierte sofort, was los war. Peter Kloeppel, der Nachrichten-Frontmann von RTL war die einzige Konstante im Fernsehen. Er moderierte stundenlang mit stoischer Ruhe und gewann verdient den Grimme-Preis im Jahr darauf. Ich habe ihn später getroffen und porträtiert - ein sympathischer Vollprofi.

Krieg des Westens gegen den Islam und umgekehrt

Seit diesem Terroranschlag auf das Symbol des Westens, „the big apple" New York, den Schmelztiegel, die Weltbörse, die Stadt der Sensationen, ist alles anders. Afghanistan-Krieg und Irak-Krieg folgten. Diese Kriege sind nicht auf die Länder begrenzt. Es ist ein Krieg des Westens gegen die islamischen Länder.

Gegen Al-Quaida, was keine feste Organisation ist, sondern ein Glaubensbekenntnis - nämlich das des Kampfes gegen alle „Ungläubigen". Zehn Jahre später, 2011, erschoss eine Kommandoeinheit der USA den charismatischen Kopf, Usama bin Laden. Al-Quaida existiert weiter und spaltet sich wie eine Hydra auf.

Welche Terrororganisation direkt oder indirekt von Al-Quaida abstammt, ist eine gute Frage, mit der man hunderte Regalmeter Akten füllen kann. Al-Quaida ist kein Unternehmen, kein Verein, sondern ein Glaubensbekenntnis. Der Kampf des terroristischen Islam gegen den ungläubigen Westen.

Al-Quaida ist die größte Beschämung des Islam

Al-Quaida ist zugleich die störrische Lebenslüge dieser Terroristen, die sie jeden Tag wütender macht. Sie bezahlen mit amerikanischen Dollar, sie nutzen westliche Waffen und Technik, um ihren Erzfeind zu bekämpfen. Jeder Tag dieses vollständig sinnlosen Kampfes ist eine Demütigung - die islamische Terrorwelt verfügt über keine einzige eigene originäre Technik oder Erfindung, über eigene Forschung oder Wissen. Das einzige, was sie können, ist, westliche „Errungenschaften" zu nutzen, um den Westen zu bekämpfen. Und ihre Grausamkeit zu zeigen, indem sie wehrlose Opfer schänden und Menschen den Kopf abschneiden.

Al-Quaida ist damit die größte Beschämung des Islam. Keine andere Terrororganisation, von denen es viele gibt, hat so viel Schande über eine angeblich friedliche Religion gebracht. Al-Quaida ist feindlich gegen alles, was auch nur ansatzweise eine offene Gesellschaft ausmacht.

Leider muss man feststellen, dass sich viele Menschen zu diesem Terror bekennen und ihn verehren. Es gibt Konvertiten aus westlichen Ländern, aber insgesamt sind die Mehrheit traditionelle Muslime.

Bin Laden als Heiliger? Er war ein Menschenverachter

Usama bin Laden ist eine Heiligenfigur für Hunderte Millionen von Muslimen. Mit seinen Gewändern und seinem traurigen Blick so eine Art muslimischer Jesus. Er führte das karge Leben eines Terroristen. Immer weiß gewandet, obwohl so viel Blut an seinen Händen klebte. Immer die Kalaschnikow an seiner Seite - kein Symbol des Westens, sondern eine russische Entwicklung und das Symbol für asymetrische Kriegsführung schlechthin. Aber eine technische Entwicklung, die auch niemand in den muslimischen Ländern erfinden konnte. Und ein Symbol des Todes - keine Waffenart wie das „Sturmgewehr" hat mehr Menschen umgebracht.

Bin Laden war ein menschenverachtendes Monster. Aber über lange Jahre auch Partner der USA, bis es zum Bruch kam. Bin Laden und seine Al-Quaida sind ein Symbol für die verfehlte Politik des Westens, sich für eigene Interessen „Partner" zu suchen, die man dann nicht mehr los wird.

Dass Deutschland überhaupt irgendwelche Geschäfte, Waffengeschäfte zudem, mit Saudi-Arabien macht, ist ein Skandal erster Güte. Saudi-Arabien, wo bin Laden angeblich herstammt, ist ein durch und durch menschenverachtendes Land mit enormen Einfluss auf die gesamte Welt, weil sie eben viele Petro-Dollars haben. Und wenn es um Dollars und Öl geht, ist es vielen westlichen Demokratien nicht mehr so sehr darum gelegen, über westliche Werte zu debattieren. Dann werden Geschäfte gemacht. Auf beiden Seiten weiß man, dass man sich verachtet.

Nichts ist besser geworden

Der Krieg, der am 11. September 2001 symbolisch manifestiert wurde, obwohl es ihn schon viel länger gab, gärt weiter. Aktuell vor allem in Syrien, aber auch in Ägypten, in Libyen und in den Magreb-Staaten sowie vielen Ländern Afrikas.

Nichts ist seit dem 11. September 2001 erreicht worden. Kein Friede. Kein Fortschritt. Nur Hunderttausende Tote und jede Menge Zerstörung. Es gibt keinerlei Annäherung zwischen dem Westen und muslimischen Ländern.

Die allermeisten Opfer gehen übrigens auf das Konto der USA und ihren Verbündeten, darunter Deutschland, dicht gefolgt von Terrorgruppen jeglicher Couleur. Tatsache ist: Flächenmäßig und von der Zahl der Menschen, sind die muslimischen Länder dem Westen weit überlegen. Ihre schärfste Waffe sind Dschihadisten, die ihr Leben für ihren Glaubenskrieg wegwerfen.

In New York sind „nur" rund 3.000 Menschen gestorben. Man kann diese Opfer nicht mit der Zahl der Opfer in Afghanistan, im Irak oder in Syrien vergleichen, weil Verbrechen sich nicht vergleichen lassen. Jedes Opfer ist vollständig vergeblich gestorben, da außer Terror und Krieg nichts erreicht worden ist.

Die offene Gesellschaft ist gefährdet

Vor 15 Jahren hat der Terror von New York die westliche Welt erschüttert - weil plötzlich und unerwartet klar wurde, wie angreifbar man in einer offenen Gesellschaft ist. Die Terroropfer von Würzburg und Ansbach können das bestätigen. Diese Anschläge waren nicht so „spektakulär", aber sie verfolgen dasselbe Ziel: Ungläubige töten. Einfach so.

Unsere offene Gesellschaft steht vor einer sehr großen Herausforderung - nicht erst seit 15 Jahren, symbolisch aber schon seitdem -, denn wir müssen erreichen, offen zu bleiben und gleichzeitig klar Grenzen zu setzen.

Nicht durch Populismus und harsche Worte, sondern durch konsistentes Handeln im Vertrauen auf den Rechtsstaat und vor allem in dessen Verteidigung. Jeder, der den Rechtsstaat nicht achtet und bekämpft, ist ein Feind.

Ganz egal, ob Störenfried, Verbrecher oder Terrorist und ganz egal welcher Herkunft. Der Terror hat ein ikonenhaftes Gesicht - Usama bin Laden. Aber die Gesichter des Terrors sind viel zahlreicher. Allesamt haben sie keine Seele. Es sind und bleiben schlicht Mörder.

Die offene Gesellschaft muss sich gegen Feinde wehren, sonst ist sie verloren.


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