Sara Glojnarić: Internalisierte Misogynie spielte bei mir eine riesengroße Rolle. Zwar war sie mir nicht bewusst, aber unbewusst war sie ständig da. Damals als Jugendliche fand ich beispielsweise die Musik von Dora Pejačević unglaublich schön, hatte aber das Narrativ verinnerlicht, dass ihre Musik zu weich oder gar kitschig sei, all diese Dinge, die man ›weiblich‹ gelesener Musik zuschreibt. Dabei ist das totaler Quatsch, ihre Musik ist unfassbar gut gemacht. Ich bin mir sicher: Wenn sie keine Kroatin wäre und keine Frau, wäre sie heute so bekannt wie Brahms.
Es war für mich als Mädchen ganz wichtig zu verinnerlichen, dass ich überhaupt Komponistin werden kann. Wenn man in einer sehr patriarchalen Gesellschaft wie in Kroatien aufgewachsen ist, muss man erstmal verstehen, dass das eine Möglichkeit ist, auch wenn es nicht so präsent ist. Ich hatte mit 15, 16 Jahren einen Lehrer, der sich dahingehend große Mühe gegeben und mir ganz viele Komponistinnen vorgestellt hat - außer Dora Pejačević kannte ich nämlich keine einzige. Das waren wichtige Impulse.
Ich war damals in einer Klasse, die auch sehr queer war, und unser Professor Martin Schüttler hat uns dazu aufgefordert, uns mit diesen Dingen zu beschäftigen und sie zu verarbeiten. Er hat uns klar gemacht, dass wir davor nicht wegrennen müssen. Es war ein echt cooles Setting, in so einer Klasse zu sein mit so einem Professor, wo all diese Sachen, die für mich in Kroatien extrem schwierig waren, plötzlich völlig normal waren.
Das ist natürlich in einem universitären Kontext gewesen - in anderen Bereichen sieht das auch in Deutschland noch anders aus ...