Seit 15 Jahren ist der Komponist Marc Monnet künstlerischer Leiter des Festival Printemps-des-Arts in Monaco. Dort arbeitet er weitestgehend unabhängig von Geldsorgen, Auslastungsproblemen und programmatischen Vorschriften – und ist damit der vielleicht freieste Intendant Europas. Zu Besuch an einem Ort, den es eigentlich gar nicht geben kann.
Wenn man die Grenze zwischen Nizza und Monaco überschreitet, verschwindet als allererstes der Netzempfang des Telefons. Minutenlang hält sich das Funkloch, während zur Rechten schon die Betonhochhäuser der kleinen Stadt aus dem Berg herauskriechen und zu enormer Größe hochwachsen, einem das Gefühl geben, gerade eine Festung betreten zu haben. Eine Festung der Schönheit, der Künstlichkeit und des Geldes, umgeben von einem Funkloch-Wassergraben.Das letzte Wochenende des Festivals Printemps-des-Arts de Monte Carlo Anfang April fällt zusammen mit einem jährlichen Schönheitschirurgie-Kongress, für den Tausende nach Südfrankreich pilgern wie zum Cranach’schen Jungbrunnen, und die gläsernen Hotels bewohnen bis aufs letzte Zimmer. Wir fahren also mehrmals in diesen Tagen über den Funkloch-Wassergraben, und jedes Mal aufs Neue wirkt die Festung dahinter surrealer, olympartiger, eigentlich eher wie eine 3D-Computersimulation als wie eine echte Stadt. Monaco – dieses Bild einer perfekten Mini-Metropole, es ist einfach zu Gucci, zu Prada, zu schaufensterglänzend und krümellos, um irgendwie herzlich zu sein.
Aber genauso besitzt Monaco, eigentlich eine alte Kulturstätte, auch eine riesengroße Stärke: Geld ist hier, im zweitreichsten Land der Welt, einfach egal. In einem solch perversen Stadium des Kapitalismus, bei denjenigen, denen er wie ein Butler dient, spielt das, worum sich alles und alles dreht, insofern keine Rolle mehr, als dass es im Überfluss vorhanden ist. Das Budget für ein zu fast 100 Prozent von der Stadt Monaco subventioniertes Festival wie das Printemps-des-Arts wird nicht gekürzt, im Gegenteil, es steigt, zwar langsam, aber es steigt. Die restlichen 10 bis 5 Prozent übernimmt eine Bank, und weitere Spenden kommen in Sachform von anderen Partnern. Das nun ist aber nicht der wichtigste Grund, warum Intendant Marc Monnet den großartigen Spiel- und Gestaltungsraum hat, den er hat. Der Grund ist lebendig, 62 Jahre alt und eine Frau: Prinzessin Caroline von Hannover.
Sie holte Monnet 2003 zu sich – er bewarb sich nicht, nach Monaco wird man „geholt“ – und trug ihm auf, mehr zeitgenössische Musik zu programmieren, das Festival umzukrempeln, mehr Kunst zu machen und weniger zum Gefallen. Und hier sitzt er nun, 15 Jahre später, in einem kleinen Kellerraum neben der Kirche Saint-Charles, die Unterarme auf dem Tisch, die Hände gefaltet und antwortet auf meine Fragen so knapp und salopp, als wäre eigentlich alles ganz klar. „Das Publikum ist ein Konstrukt“, sagt Monnet. „Wer soll denn das sein, ‚das Publikum‘?“
Es sei der völlig falsche Weg, für eine vermeintlich homogene Gruppe von Menschen Musik aufs Programm zu schreiben, die ihr gefallen soll. Die Angst vieler Intendanten, durch anderes, moderneres Programm Besucher zu verlieren, die Auslastung nicht halten zu können, sei unbegründet. Er nämlich mache seit 15 Jahren die Erfahrung, dass man ohnehin nie wisse, wer am Ende kommt und wer nicht, und eines sei sicher: „Die Musik ist nie das Problem.“