"Die Hochschulen behaupten, sie sperren uns ein, um uns zu beschützen"
Paroma Roy, 26, studiert in Neu-Delhi und organisiert an ihrer Universität Proteste für mehr Bewegungsfreiheit von Frauen.
Ich studiere in der indischen Hauptstadt Delhi, und ich bin Teil einer Gruppe, die sich Pinjra Tod nennt. Das ist Hindi und bedeutet: Zerstört den Käfig! Der Käfig, das sind die Studierendenwohnheime, in denen wir leben.
Jedes Frauenwohnheim in Delhi legt eine Sperrzeit fest. Die Studentinnen müssen meist zwischen 18 und 22 Uhr zu Hause sein und dürfen danach das Haus nicht mehr verlassen. Bei den Männern liegt die Sperrzeit entweder wesentlich später oder es gibt keine.
So eine
Sperrzeit ist keine freundliche Empfehlung: Danach werden die Türen
verschlossen und wenn es einen Wachmann gibt, lässt er dich nicht mehr
rein. Du stehst dann auf der Straße. Wer zu spät kommt, muss damit
rechnen, bestraft zu werden. Zum Beispiel ruft die Heimleitung die
Eltern an und beschwert sich über das Verhalten der Studentinnen.
Manchmal wird man zu einer Art Anhörung geladen oder muss sich offiziell
entschuldigen. Im schlimmsten Fall verlieren Studentinnen ihren
Heimplatz.
Die
Hochschulen behaupten, sie sperren uns ein, um uns zu beschützen. Sie
möchten Rücksicht nehmen auf Eltern, die nicht wollen, dass ihre Töchter
abends alleine in der Stadt unterwegs sind. Dass die indische
Verfassung uns Frauen gleiche Rechte garantiert, ist den Hochschulen
offensichtlich nicht so wichtig.
Seit fünf Jahren organisiere ich mit etwa 100 anderen Frauen Demonstrationen dagegen. Wir fordern, dass die Sperrzeiten in den Wohnheimen komplett abgeschafft werden. Außerdem verlangen wir, dass Vorwürfen von sexueller Belästigung an der Universität nachgegangen wird.
Unsere Demonstrationen finden oft spätabends oder nachts statt. Wir verstoßen dabei gemeinsam und bewusst gegen die Sperrzeiten. Ein paar Mal haben wir es geschafft, dass ein ganzes Wohnheim demonstriert hat. Ein andermal haben wir buchstäblich die Kette kaputtgemacht, mit der die Tore des Wohnheims verriegelt waren. Für diese Aktionen wurden einige von uns bereits sanktioniert.
Wir haben einiges geschafft: An zwei Hochschulen in Delhi wurden die Sperrzeiten nach hinten verlegt. Ein erster Schritt, immerhin.
Unser
größter Erfolg ist aber, dass wir mittlerweile weite Teile der
Studierenden auf unsere Seite gebracht haben. Vor fünf Jahren hielten
uns viele für verrückt. Mittlerweile ist das anders.